ProzessMit 100 Folien steht und fällt die Anklage im Lohmarer Mordfall Claudia Otto

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Alte Fotos Mordfall Claudia Otto.

Ermittler untersuchen 1987 den Tatort im ersten Stock des Lohmarer Ausflugslokals „Naafshäuschen“.

Im Mittelpunkt stehen Leichenfolien und die Frage, ob diese Beweismittel gegen den Angeklagten möglicherweise verunreinigt wurden.

„Man muss erkennen, welche Gefahr es bedeutet, Spuren von 1988 mit Methoden von heute zu untersuchen“, belehrte der Vorsitzende Richter Klaus Reinhoff den Sachverständigen des LKA Düsseldorf im Zeugenstand. Im wiederaufgenommenen Gerichtsverfahren um den Tod der Wirtstochter Claudia Otto vor 36 Jahren in Lohmar begann der zweite Verhandlungstag mit der Vernehmung zweier Ermittler. Die 23 Jahre alte Claudia Otto war in der Nacht zum 9. Mai 1987 in ihrer Wohnung im ersten Stock des Ausflugslokals „Naafshäuschen“, das ihren Eltern gehörte, erdrosselt worden.

Im Jahr 2016 glaubte die Kriminalpolizei erstmals, den sogenannten „Cold Case“ nach Jahrzehnten doch noch lösen zu können: An gesicherten Faserproben von dem Leichnam des Opfers konnte nämlich die DNA eines Mannes nachgewiesen werden, der bereits kurz nach dem Verbrechen zu den Verdächtigen zählte und der nun in Bonn vor Gericht steht. In den 80ern konnte dem heute 67-Jährigen die Tat nicht nachgewiesen werden; er saß aber bis zu seiner Entlassung im Jahr 2017 eine lebenslange Haftstrafe wegen eines Doppelmordes ab. Der Angeklagte hatte stets bestritten, den Mord begangen zu haben.

Anklage steht und fällt mit mehr als 100 Leichenfolien

Die gesamte Anklage steht und fällt daher mit dem zentralen Beweismittel, mehr als 100 sogenannten Leichenfolien. Das sind – vereinfacht gesagt – Klebestreifen, die auf den Körper der Toten geklebt worden waren. Daran eventuell anhaftende Partikel sollten dauerhaft gesichert werden, indem man die Streifen anschließend auf eine weitere Folie klebte und die Asservate dann in gut verschlossenen Beuteln lagerte.

Reinhoff erläuterte wiederholt, dass die Aussagekraft dieses Beweismittels natürlich davon abhänge, dass es niemals verunreinigt worden sei. So habe es in diversen Stellungnahmen der Ermittler immer geheißen, dass die Folien niemals geöffnet worden seien; ein gewichtiges Argument, warum das Schwurgericht das Verfahren gegen den 67-Jährigen überhaupt eröffnet hat. Noch im Jahr 2017 hatte das Schwurgericht unter dem Vorsitz von Reinhoffs Vorgänger Josef Janßen nämlich einen Haftbefehl wieder aufgehoben – unter anderem, weil das Gericht eine nachträgliche Kontamination nicht ausschließen mochte.

Urteil im Mordfall Claudia Otto wird Ende Oktober erwartet

Das aktuelle Verfahren hatte im Frühjahr bereits einmal begonnen. Nachdem dann im Sommer der dringende Verdacht aufkam, dass die Folien eben doch geöffnet worden sein könnten, war es bis auf weiteres ausgesetzt und der Angeklagte auf freien Fuß gesetzt worden. Die Strafprozessordnung sieht für diesen Fall vor, dass der gesamte Prozess wiederholt werden muss, und so kamen die beiden Ermittler, deren Aussagen für die Verwirrung gesorgt hatten, um eine erneute Stellungnahme nicht herum.

Ein Grabstein auf einem Friedhof.

Der Grabstein der 1987 ermordeten Gastwirtstochter Claudia Otto auf dem Friedhof in Lohmar.

„Öffnung ist für mich, wenn ich die Folie aufziehe“, hatte der sachverständige LKA-Biologe im Zeugenstand erneut gesagt. Eine Aussage, für die er die eingangs zitierte Quittung bekam. Reinhoff stellte klar, dass es sich selbstverständlich um eine Öffnung handele, wenn die Folien mit einem Skalpell eingeritzt würden. Genau das war nämlich passiert, und die Ermittler hatten eine zum Vergleich dienende DNA-Probe des Angeklagten wohl in unmittelbarer Nähe der Asservate untersucht. Auf drei Proben war neben der DNA des ermittelnden Beamten auch Genmaterial des Angeklagten detektiert worden.

Ein Urteil soll Ende des Monats verkündet werden.

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