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Gegen Härtefall-EntscheidungRhein-Sieg-Kreis beharrt auf Abschiebung von georgischer Familie aus Lohmar

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Einer Familie aus Georgien mit einem behinderten Kind droht die Abschiebung, Merab Sharia mit seinem Sohn Bagrat

Einer Familie aus Georgien mit einem behinderten Kind droht die Abschiebung, Merab Sharia mit seinem Sohn Bagrat

Die Rechtsanwältin der Familie hält die Entscheidung der Ausländerbehörde für „menschlich nicht tragbar“. 

Die Härtefallkommission des Landes Nordrhein-Westfalen hat ein Ersuchen an die Ausländerbehörde Rhein-Sieg gerichtet, der georgischen Familie Sharia einen Aufenthaltstitel zu erteilen – und ist damit gescheitert. Dem Ersuchen wird nicht gefolgt, heißt es an die Adresse der Rechtsanwältin der Familie Sibel Simsek.

Begründet wird die Entscheidung nicht, stattdessen zum wiederholten Mal zeitlicher Druck auf die Familie ausgeübt: „Ich fordere Ihre Mandanten daher letztmalig auf, Ihrer Ausreisepflicht nachzukommen“, heißt es in dem Schreiben. Nachweise über den Ausreisewillen seien bis zum 17. Dezember vorzulegen. Sollte die Familie für Flugtickets kein Geld haben, könnten die Kosten übernommen werden. Dafür sei eine Rückmeldung zum 12. Dezember nötig.

Anwältin: „Es gibt keinen Zweifel, dass hier ein Härtefall vorliegt“

„Die Behörde muss dem Ersuchen nicht folgen, rechtlich ist das so“, sagt die Anwältin der Familie Sibel Simsek. Nachvollziehen könne sie die Entscheidung nicht. „Es gibt keinen Zweifel, dass hier ein Härtefall vorliegt, menschlich ist das nicht tragbar. Es geht um ein schwerstbehindertes Kind.“ 

Wie berichtet, ist der zwölf Jahre alte Bagrat blind, partiell gelähmt, weitgehend auf einen Rollstuhl angewiesen und hat lebensbedrohliche Nierenprobleme. Die Familie lebt in einer Geflüchtetenunterkunft in Lohmar, Bagrat besucht eine Förderschule. Simsek: „Die Eltern haben alles getan, um ihrem Kind zu helfen und kämpfen immer noch.“ Sie seien auf Empfehlung hin nach Deutschland gekommen, dass Bagrat hier die nötige ärztliche Behandlung bekommen könne.

Rhein-Sieg-Kreis: „Behandlung und Therapie auch in Georgien möglich“

Die Kreisverwaltung nahm auf Anfrage der Redaktion Stellung: „Eine Behandlung des Jungen ist in seinem Heimatland möglich. Er ist auch in Georgien bereits behandelt worden und hat auch dort eine gewisse Förderung erhalten“, antwortet die Leiterin der Pressestelle Rita Lorenz.

Das Verwaltungsgericht Köln habe die Klage der Familie gegen einen ablehnenden Asylbescheid abgewiesen; der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde vom Oberverwaltungsgericht NRW zurückgewiesen. In einer aktuellen Eilrechtsentscheidung aus November 2025 habe sich das Verwaltungsgericht Köln nochmals mit Erkrankung und Behinderung des Jungen auseinandergesetzt.

Facharzt soll Reisefähigkeit grundsätzlich bejaht haben

Es sei unter anderem zum Ausdruck gebracht worden, „dass nach der objektiven Erkenntnislage insbesondere hinsichtlich der Behandlungs- und Therapiemöglichkeiten, die anders als die Antragsteller behaupten, nach dem oben Genannten auch in Georgien gegeben sind, kein derartiger Sonderfall vorliegt, der entgegen der rechtlichen Grundlagen das öffentliche Vollzugsinteresse zu einem öffentlichen Bleibeinteresse umwandeln würde“.

Ein Facharzt für Pädiatrie und Intensivmedizin habe die Reisefähigkeit in ärztlicher Begleitung grundsätzlich bejaht. Anwältin Simsek widerspricht dem. „Ich denke nicht, dass er in Georgien gut behandelt werden kann“, so Simsek. Sonst hätte sich die Familie nicht auf den Weg gemacht. Die Anwältin fürchtet, dass angesichts der ohnehin aufgeheizten Stimmung rund um das Abschiebethema Politik auf dem Rücken eines Kindes ausgetragen wird.

Auch Marie Seelbach von der Hilfsorganisation Seebrücke sieht keine sichere Versorgung von Bagrat in seinem Heimatland. Er erhalte ein Medikament für die Blase, das in Georgien kaum zu bekommen und zudem sehr teuer sei, ebenso wie das für ihn notwendige Botox.

In 90 Prozent der Fälle folgen die Behörden der Härtefallkommission

Der Petitionsausschuss des Landes hatte eine Petition für ein Bleiberecht im November abgelehnt. Für ein „asylverfahrenunabhängiges Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen“ fehlten die gesetzlichen Voraussetzungen, hieß es zur Begründung. Allerdings: „Der Petitionsausschuss würde es befürworten, wenn die Härtefallkommission ein Ersuchen für ein Aufenthaltsrecht an die Ausländerbehörde Rhein-Sieg richten würde.“  

Der Landtagsabgeordnete Sascha Lienesch (CDU) hatte eine Petition empfohlen, wie auch die Befassung der Härtefallkommission: „Ein positives Ersuchen der Härtefallkommission ist für die Ausländerbehörde rechtlich nicht bindend. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass den Ersuchen oft gefolgt wird, in Einzelfällen aber auch nicht.“