Mai-Tradition in der DiskussionWie zeitgemäß ist es, Frauen zu versteigern?

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Ein Paar tanzt unter einer Fahne.

Der gemeinsame Tanz unter der Fahne gehört zu den ersten Amtshandlungen des frisch gekrönten Maikönigspaars.

Maikönig wird in der Regel, wer die größte Geldsumme auf eine Frau bietet, die dadurch zur Maikönigin wird. Ist das noch zeitgemäß?

Der Mai gehört dem Maikönigspaar: In vielen Dörfern im Rhein-Sieg-Kreis küren Junggesellenvereine und Maiclubs ein Regenten-Paar für den Frühling. Maikönig wird in der Regel, wer die größte Geldsumme auf eine Frau bietet, die dadurch zur Maikönigin wird. Doch ist so eine Praxis noch zeitgemäß? Die Vereine berufen sich auf die Tradition und sehen das Ganze als lockeren Spaß.

Es ist ein feierlicher Moment im Festzelt des JGV „Echte Fründe“ Niederkassel: Das alte Maikönigspaar tritt ab; das neue, Timo und Jasmin, nimmt vom Bürgermeister den Schlüssel zur (leeren) Stadtkasse entgegen. Die Blaskapelle spielt, dat Trömmelche jeiht. Dann tanzen die beiden unter einer Fahne des Vereins, die am Ende über ihre Köpfe gelegt wird, damit ihr Kuss den Zuschauerinnen und Zuschauern im Zelt verborgen bleibt.

Niederkasseler Junggesellen vergleichen Versteigerung mit Crowdfunding

„Was unter der Fahne passiert, bleibt geheim“, sagt Ramon Wiener, Gründungsmitglied und zweimaliger Maikönig. „Früher waren außereheliche Paare nicht gern gesehen, deswegen konnten Verliebte sich unter dem Schutz der Fahne küssen. Damals war der Maiverein das, was heute die Dating-App ist.“

Ein rotes Herz.

Das Maikönigspaar des JGV Echte Fründe Niederkassel: Timo Lindlar und Jasmin Bock.

Auch die Junggesellen in Niederkassel wählen ihr Maikönigspaar, indem der Maikönig seine Königin ersteigert. „Das hört sich in der Theorie schlimmer an, als es ist. Wir haben jedes Jahr Männer und Frauen, die sich dafür freiwillig melden.“ Die Maikönigin bekleide sogar das höchste Amt im Hofstaat. „Sie bestimmt, was wir tragen, wohin wir fahren und welche Geschenke wir mitbringen“, erklärt Wiener. Deswegen werde sie von der Maipolizei bewacht und nie alleine gelassen, denn andere Maivereine könnten die Königin entführen und für ein Fass Bier auslösen.

Bei der Ersteigerung werde auch ein sogenannter Rötzchesvadder festgelegt. „Das ist derjenige, der die meisten Frauen ersteigert hat, aber trotzdem alleine bleibt. Er kümmert sich um die, auf die am wenigsten geboten wurde.“ Der Verein teile nach außen hin jedoch nur die drei Höchstgebote mit. Die Versteigerung vergleicht Wiener mit einem Crowdfunding. „Wir sammeln Geld, um den Mai zu finanzieren. Das ist eine schöne Tradition, denn wir stellen Maibäume an Kindergärten und Altenheimen und pflegen Freundschaften“, so der Familienvater.

Frauen in Siegburger Verein lehnen die Versteigerung ab

Beim JGV Rosenhügel aus Wolsdorf in Siegburg bestimmt der Vorstand das Maikönigspaar. „Das ist schon sehr lange so – und ich bin mit 16 in den Verein eingetreten“, sagt der 1. Vorsitzende Bernd Junkersfeld. Vor rund zehn Jahren habe es Bestrebungen gegeben, die eigene Tradition an die der anderen Vereine anzupassen. „Das wurde oft zur Diskussion gebracht, aber insbesondere die Frauen im Verein haben sich immer dagegen gewehrt, weil sie meinten, das wäre wie auf einer Viehschau.“

Ein Mann mit rotem Hut blickt in die Kamera.

Bernd Junkersfeld vom JGV Rosenhügel in Wolsdorf vertritt die Ansicht, dass Versteigerungen Teil der Tradition seien - jedoch nicht der seines Vereins.

Junkersfeld fügt sich der Mehrheit. In der Handhabung anderer Vereine kann er nichts Problematisches erkennen. „Die Ersteigerung ist eine symbolische Sache. Da soll niemand abgewertet werden, das ist Spaß und Klamauk.“ Auch bei den Rothemden gebe es einen Rötzchesvadder, der sei aber „nur ein Spaßmacher, der am meisten trinkt“, sagt Junkersfeld. „Ich habe den noch nie mit einer Frau gesehen.“ Für kleine und große Sünden werde ohnehin der Paias verantwortlich gemacht, der Kirmeskerl, der nach der Kirmes als Strohpuppe verbrannt werde.

In Hennef-Happerschoß wird das Vorrecht der Frage versteigert

„Durch die Ersteigerung kommt Geld rein, denn so ein Kleid für die Königin ist nicht billig. Wir geben als Verein auch einen Zuschuss. Die Paare besuchen sich gegenseitig auf Veranstaltungen, sie repräsentieren ihr Dorf – wir führen damit die Traditionen fort, wie in der Walpurgisnacht, wo man die Geister vertreibt“, sagt Junkersfeld.

Auch im Maiclub Happerschoß wird das Maikönigspaar durch eine klassische Ersteigerung auserkoren. „Das geschieht bei uns Anfang April. Im Grunde bieten die Jungs aber nur auf das Vorrecht, ein Mädchen fragen zu dürfen, ob es mit einem den Mai verbringen will – da wurde auch schon mal jemand abgelehnt“, sagt Benedikt König, 1. Vorsitzender des Maiclubs.

Der Verein besteht nicht nur aus jungen Herren, sondern nimmt auch Frauen als gleichwertige Mitglieder auf. „Mittlerweile kann man auch nur noch auf Frauen aus dem Verein bieten – eben um zu vermeiden, dass jemand aus dem Dorf Maikönigin wird, die das gar nicht möchte“, sagt König. „Fast immer schlägt jemand seine jeweilige Freundin vor und bietet auf sie.“

Hennefer Junggesellenverein will Angebot für junge Menschen schaffen

Es seien zudem die Frauen gewesen, die sich in diesem Jahr eine klassische Versteigerung gewünscht hätten. „Vergangenes Jahr haben wir auf Paare geboten, die wir uns als Maikönigspaar vorstellen konnten.“ Einen Rötzchesvadder gebe es im Maiclub Happerschoß nicht. „Bei uns werden immer alle Frauen ersteigert“, sagt König, der noch nie Maikönig war und es auch nicht werden möchte.

„Das ist Teil der Tradition, ich kenne es nicht anders und habe es auch nicht hinterfragt. Aber das Ganze ist viel lockerer als früher, es geht darum, einen netten Abend zu haben und dass ein bisschen Geld in die Kasse kommt.“ Zudem gebe es in Dörfern wie Happerschoß keine Angebote für Menschen zwischen 20 und 30. „Die fangen wir auf – und haben eine richtig coole Truppe.“

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