Hohe Kosten, niedrige PreiseErdbeerbauern im Rhein-Sieg-Kreis bangen um ihre Zukunft

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Der Erdbeer-Ertrag im Rhein-Sieg-Kreis ist so klein wie seit Jahren nicht mehr.

Rhein-Sieg-Kreis – Eigentlich hätte alles so gut laufen können: Die Erdbeerfelder waren gut gefüllt – optimales Wetter zu Beginn der Saison beförderte das Wachstum. Trotzdem sieht es für die Landwirte düster aus. 2022 wurden in NRW 25.817 Tonnen Erdbeeren produziert – satte 14,6 Prozent weniger als im Vorjahr. Das meldete das Statistische Landesamt IT.NRW. Damit verzeichneten die Landwirte die niedrigste Erdbeerernte der vergangenen zehn Jahre.

Maßgeblich seien reduzierte Anbauflächen, heißt es seitens IT.NRW. So betrug die Anbaufläche für Freilanderdbeeren in diesem Jahr 1795 Hektar. Gegenüber 2021 ist das ein Verlust von 13,3 Prozent – im Vergleich zu 2012 gar 36,1 Prozent. Die Betriebe hätten mit den Anbaureduzierungen auf ein geringeres Kaufinteresse reagiert, begründen die Statistiker.

„Es war schon weniger Absatz als in den vergangenen Jahren“, erzählt Karl-Josef Engels, der auf großen Flächen in Niederkassel Erdbeeren anbaut. Er differenziert aber zwischen Corona-Zeiten und den Jahren davor. „Wir als Direktvermarkter haben von der Pandemie profitiert“, sagt Engels, „die Leute konnten nicht weg, haben zu Hause selbst gekocht und Geld in Lebensmittel investiert.“ Der Trend habe sich jetzt umgekehrt. In der Folge kauften sie auch weniger vom Luxusgut Erdbeere. Denn es herrsche große Unsicherheit, was auf die Menschen zukomme. Engels vermarktet zu 95 Prozent selbst. „Wir können das ein bisschen auffangen."

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In Niederkassel will Landwirt Karl-Josef Engels  für das kommende Jahr weniger Erdbeeren anbauen.

Seine Kollegen, die für den Einzelhandel produzieren, seien schlechter dran. „Der Einzelhandel zahlt nicht die rund 1,50 Euro fürs Kilo, die ich fürs Pflücken brauche“, erklärt er. Außerdem verstehe er nicht, warum in der Haupterdbeerzeit der Region die billige Ware aus dem Ausland importiert werden müsse. „Das, was wir nicht vermarkten können, lassen wir am Strauch hängen“, berichtet der Landwirt. „Die Beeren gehen kaputt, das war ein schwieriges Jahr für uns.“ Im Sommer kamen Hitze und Dürre dazu.

Eine hartes Jahr erlebt auch der Sonnenberger Hof in Königswinter. Zu schaffen machen dem Betrieb hohe Kosten auf der einen, niedrige Preise auf der anderen Seite. „Unsere Produktionskosten liegen derzeit höher als der Ertrag, den wir mit den Erdbeeren erzielen“, lautet die bittere Zwischenbilanz von Eigentümer Markus Schmitt.

Knapp die Hälfte seiner Ernte vermarktet er selbst, der Rest geht an den Handel. Seine Freilandkulturen hat Schmitt schon vor Jahren aufgegeben. Es waren keine Erntehelfer zu bekommen. Die frühen Erdbeeren wachsen in Tunneln, ab Mitte Mai stehen die Pflanzen auf Tischen.

Erdbeerernte im Rhein-Sieg-Kreis: Betriebe zweifeln an Zukunftsfähigkeit

Vieles kam in dieser Saison zusammen: Zunächst fehlte wegen des Ukraine-Krieges das Personal. Dann schnellten die Produktionskosten durch den extremen Preisanstieg für Bewässerung und Düngemittel in die Höhe. Noch nicht eingerechnet seien die ebenfalls steigenden Preise für Löhne, Verpackungsmaterial und Entsorgung. Kosten, die einheimische Betriebe an der eigenen Zukunftsfähigkeit zweifeln lassen. Die Produktion in Deutschland müsse auskömmlicher werden, sonst sei sie nicht zukunftsfähig.

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Ralf Hensen aus Swisttal ist einer, der die längste Zeit im Jahr Erdbeeren anbietet, von April bis September. „Es war eine qualitativ sehr gute Ernte“, versichert er. Allerdings werde im Rheinland immer weniger produziert, weil immer weniger verdient werde. „Der Lebensmittel-Einzelhandel diktiert uns die Preise.“ Zwar werde alles teurer, doch Obst und Gemüse seien so billig wie noch nie.

Hensen glaubt, dass die Freilandernte im Rheinland bald Geschichte sein wird. „Im kommenden Jahr ernten wir nur noch sechs Wochen im Freiland, früher waren es fünf Monate.“ Er selbst hat bereits von 150 auf 50 Hektar reduziert. „Wir fahren immer mehr unter Glas im geschützten Anbau.“

Hofladen auf Burg Niederpleis: Nachfrage ist deutlich gesunken

Von „Welten im Vergleich zu den letzten beiden Jahren“ spricht Verena Nordhorn, die mit ihrer Familie Burg Niederpleis in Sankt Augustin betreibt. In ihrem Hofladen verkauft Nordhorn Erdbeeren von Betrieben aus dem Rhein-Sieg-Kreis, sie spricht also aus der Perspektive des Verkaufs. Zwei Jahre lang habe kein Stillstand geherrscht, die Familie hatte sogar schon darüber nachgedacht, den Betrieb des Hofladens von einem saisonalen in ein ganzjähriges Geschäft umzuwandeln. Diese Pläne sind jetzt – zumindest vorläufig – vom Tisch. Der Grund ist die deutlich gesunkene Nachfrage.

„Die Menschen gehen wieder in Restaurants, verreisen und müssen in Anbetracht der aktuellen Lage natürlich auch sparen“, sagt Verena Nordhorn. Dass das Thema Regionalität aber so schnell an Fahrt verliert, hätte sie nicht erwartet. Deutlich weniger Erdbeeren habe sie in den vergangenen Monaten abgenommen. „Jetzt ist die Frage, wohin die Reise in Zukunft gehen wird.“

Erdbeerbauern in der Region: Am Ende entscheiden die Verbraucher

Für das kommende Jahr will Karl-Josef Engels etwas weniger anbauen. Probleme mit Mitarbeitern hat er übrigens nach eigenem Bekunden nicht: „Der Hauptstamm bleibt. Wir gehen vernünftig mit den Leuten um, zahlen vernünftig und bringen sie vernünftig unter.“ Der Blick in die Zukunft bereite ihm derzeit Sorgen, sagt Markus Schmitt vom Sonnenberger Hof. Die Ernte läuft noch bis Mitte Oktober – immerhin stabilisierten sich die Preise aktuell etwas. Für das nächste Jahr wird er in den niedrigen Tunneln keine neuen Pflanzen anpflanzen. „Wir beernten die Pflanzen aus diesem Jahr nochmal – in der Hoffnung, dass das funktioniert.“

Am Ende gehe es um das Kaufverhalten der Verbraucher. Vor allem hoffe er aber darauf, dass sich Regionalität durchsetzen werde: „Letztlich haben es die Konsumenten selbst in der Hand. Setzen sie auf die heimischen Produkte – oder ist ihnen das alles doch egal?“

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