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GebührenbescheidFür den Transport im Rettungswagen zahlen Patienten in Rhein-Sieg ab sofort mit

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Wenn ein Krankentransport im Rettungswagen doch nicht nötig ist, müssen Patienten dies künftig anteilig zahlen.

Wenn ein Krankentransport im Rettungswagen doch nicht nötig ist, müssen Patienten dies künftig anteilig zahlen. (Archivbild)

Bei der Neukalkulation der Gebühren für den Rettungsdienst zahlen die Krankenkassen als Kostenträger die Fehlfahrten nicht mehr mit.

Wer mit einem Rettungstransportwagen (RTW) ins Krankenhaus gefahren wird, erhält ab sofort im Anschluss Post vom Kreis. Darin steckt ein Gebührenbescheid, anteilig müssen Patientinnen und Patienten künftig die Kosten für den Transport mit bezahlen. Das hat der Kreistag in seiner jüngsten Sitzung am Donnerstagnachmittag (4. Dezember) gegen die Stimmen von SPD, Die Linke und BSW beschlossen. Ohne diesen Beschluss wäre ein Defizit von mehreren Millionen Euro auf den Kreis-Haushalt zugekommen.

Vor einem allerdings braucht sich niemand zu fürchten: Niemand muss vor Fahrtantritt seine Scheckkarte zücken, gefahren wird jede und jeder nach rettungsdienstlichem Bedarf. Die Hintergründe dieser Entscheidung sind komplex. Es ist kein Kreisthema, sondern beschäftigt die zuständigen Gremien bundesweit.

Wir haben einen Paradigmenwechsel im Umgang mit den Kosten für den Rettungsdienst
Landrat Sebastian Schuster

„Wir haben einen Paradigmenwechsel im Umgang mit den Kosten für den Rettungsdienst“, sagte Landrat Sebastian Schuster. Der Kreis ist Träger des Rettungsdienstes nach Paragraf 6 des Rettungsgesetzes NRW. Grundlage für die Erfüllung gesetzlicher Aufgaben ist der Rettungsdienstbedarfsplan. Das Gebiet des zweitbevölkerungsreichsten Kreises Deutschlands ist herausfordernd, weite Fahrwege führen zu langen Einsatzzeiten je Rettungsmittel.

Der Kreis erhebt Gebühren, die er eigenverantwortlich festlegt. Bei der Aufstellung holt er sich professionelle Hilfe bei einer Fachanwaltskanzlei und einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Bislang rechnete er die entstehenden Kosten mit den Krankenkassen als Kostenträger ab. Die Patienten haben, so sie gesetzlich krankenversichert waren, nie einen Gebührenbescheid zu Gesicht bekommen.

Krankenkassen zahlt nicht mehr für sogenannte Leerfahrten

Diese Praxis haben die Krankenkassen jetzt aufgekündigt. Wurden bislang in der Bedarfsberechnung Fehlfahrten angerechnet – in der Rechtsauffassung des Kreises ist das nach dem Gesetz vorgesehen -, nehmen die Kostenträger die jetzt heraus. Nach dem Sozialgesetzbuch V seien nur tatsächlich durchgeführte Transporte abrechnungsfähig. Verweigert der Patient oder stirbt vor der Fahrt, werde niemand transportiert, argumentieren die Krankenkassen.

Das Thema wird bundesweit diskutiert. Alle Träger des Rettungsdienstes fordern die Krankenkassen auf, diese sogenannten Leerfahrten weiterhin zu bezahlen. Gleichwohl musste die Kreisverwaltung jetzt reagieren und eine neue Satzung aufstellen. Wäre sie nicht beschlossen worden, hätte es Schäden von mehreren Millionen Euro gegeben. Eindrücklich hatte Schuster deshalb an die Mitglieder des Kreistages appelliert, die Satzung zu verabschieden. 

Kosten für Einsatz eines Rettungswagens steigen Ende des Jahres um knapp 150 Euro an

Der Dezernent für den Bevölkerungsschutz, Michael Rudersdorf, nannte die Kosten für einen RTW-Einsatz: Bis Ende des Jahres sind es 1061 Euro, danach werden 1207 Euro fällig. „Was die Kassen zahlen, das wissen wir nicht“, sagte er. Etwa 20 Prozent der Einsätze sind Fehlfahrten, also etwa jeder fünfte führt nicht zu einem Transport. Auf die zu erwartenden Gebührenbescheide umgerechnet, könnten das zwischen 200 und 300 Euro sein, die die Patienten zahlen müssten.

Abrechnungsfähig sind also durchgeführte Patiententransporte, ambulante Behandlungen durch den Notarzt und sogenannte vermeidbare Fehleinsätze, sprich ein RTW als Eigensicherung bei Brandeinsätzen oder bei SEK-Einsätzen für die Polizei. Nicht bezahlt werden die sogenannten systemimmanenten Fehleinsätze.

Das ist der Fall bei einer erfolglosen Reanimation oder wenn ein Patient nach ambulanter Behandlung durch den Notarzt nicht ins Krankenhaus muss. Darüber hinaus gilt das, wenn der Rettungsdienst bei einem gemeldeten Unfall keine Verletzten antrifft oder die Leitstelle ein anderes Rettungsmittel schickt, weil es deutlich schneller vor Ort sein kann.

Das Fehlfahrtenvolumen schätzte Daniel Schneider, Sachgebietsleiter beim Kreis für den Rettungsdienst, auf rund acht Millionen Euro jährlich. Eine Chance auf Änderung bei den Krankenkassen sehe er nur durch Druck über die Versichertengemeinschaft.

Rudersdorf riet Patienten, mit den Gebührenbescheiden zu ihren Krankenkassen zu gehen. Der Kreis selbst sei nur Dienstleister und dürfe die Mehrkosten nicht aus anderen Mitteln finanzieren. Für ihn entsteht aber mehr Verwaltungsaufwand, gegebenenfalls auch durch die Beitreibung ausstehender Zahlungen. Denn denkbar sei, dass Patienten gar nicht in der Lage seien, das zu bezahlen.