Komplexe UrsachenforschungWie kann der Verkehr im Rhein-Sieg-Kreis sicherer werden?

Lesezeit 3 Minuten
Die K 17 bei Winterscheid hat eine Unfallhäufungslinie. Ob die weiße Linie am Radweg oder die Griffigkeit der Fahrbahn Ursache ist, wird geprüft.

Die K 17 bei Winterscheid hat eine Unfallhäufungslinie. Ob die weiße Linie am Radweg oder die Griffigkeit der Fahrbahn Ursache ist, wird geprüft.

  • Sie haben etwas gemeinsam: Die Kreuzung der Landstraße 332 mit der Abfahrt von der Bundesstraße 56 in Siegburg, die Kreisstraße 17 im Derenbachtal in Ruppichteroth, die Kreuzung Franzhäuschenstraße mit der Zeithstraße in Lohmar.
  • Sie alle sind so genannte Unfallhäufungsstellen, die es in allen Kommunen des Kreises gibt, und die immer wieder Gesprächsthema bei den Sitzungen der Unfallkommission sind.
  • Die große Frage lautet: Wie kann der Verkehr im Rhein-Sieg-Kreis sicherer werden?

Rhein-Sieg-Kreis – Harald Pütz, Leiter des Straßenverkehrsamtes des Kreises und der Erste Polizeihauptkommissar Thomas Zirngibl, Leiter der Führungsstelle, Direktion Verkehr, treffen sich in der Unfallkommission regelmäßig. Ihr Job dabei: Auf der Grundlage gesetzlich festgelegter Kriterien entwickeln sie gemeinsam mit den Straßenbaubehörden der Städte und Gemeinden Maßnahmen, um Unfallhäufungsstellen oder -linien zu entschärfen.

Straßenbelag, Markierungen oder Ampeln als Lösung

Das ist sehr viel konkreter als es sich zunächst anhört. Ganz oft ist der Straßenbelag nicht griffig genug. Oder Markierungen sind verblasst und müssen nachgezeichnet werden. An anderen Stellen muss eine Ampel oder ein Kreisverkehr her. Subjektives Empfinden oder persönliche Anliegen dürfen bei der Bewertung der beiden Fachleute keine Rolle spielen.

„Wenn die Kriterien (siehe Kasten) erfüllt sind, müssen wir was tun“, sagt Zirngibl. Seine Behörde nimmt die Unfälle auf und ordnet sie den definierten Unfalltypen zu. Meldet das System das Erreichen des Schwellenwerts, geht die Information an das Straßenverkehrsamt des Kreises für die Gemeinden respektive an die entsprechenden Stellen bei den Städten.

Ob nun Straßenbaulastträger oder Polizist, jeder schaut aus seiner fachlichen Sicht auf die Unfallstelle. Möglichst kurzfristig wird zu einem Ortstermin eingeladen. Denn eine Kreuzung kann im Sommer ganz anders aussehen als im Winter. Dann geht es in den Austausch und in die Überlegungen zu Lösungsmöglichkeiten.

Oft wird als erstes nach Geschwindigkeitsbegrenzung gerufen, weil dann baulich nichts geändert werden muss. Die Polizei soll überwachen. Doch gibt es Strecken, wo trotz schlimmer Unfälle gar nicht gerast wird. Die Überlegungen gehen weiter, so Zirngibl. „Was stört denn den Autofahrer?“ ist so ein Punkt. An der Franzhäuschenstraße etwa hat das Nachpinseln der Radwegemarkierung geholfen. Dort gibt es einen beidseitig befahrbaren Radweg. An der L 332 dagegen ist erst eine Interimslösung erreicht. „Wir wollen dort einen Kreisverkehr“, sagt Pütz. „Maßnahmen müssen einstimmig beschlossen werden, da wird auch heftig gerungen.“ Die Beschlüsse indes sind bindend.

An der K 17 gibt es einen breiten Radweg, der durch Hochbord und eine zurückgesetzte, durchgezogene Linie abgesetzt ist. Bei Nässe gab es dort mehrere Unfälle. Möglicherweise aber ist die fehlende Griffigkeit des Asphalts Ursache Nummer 1.

Einig sind sich die beiden Experten, dass innerhalb geschlossener Ortschaften die Radfahrer auf die Straße gehören. Da werden sie vom Autofahrer wahrgenommen. Bei Geh- und Radwegen auf viel zu engen Bürgersteigen gibt es weit mehr Unfälle. Und da gibt es meist Verletzte, hat ein Biker doch keine Knautschzone. Es gibt Grundstücks- und Geschäftseinfahrten, bei Abbiegemanövern bemerkt der Auto- den Radfahrer gegebenenfalls nicht oder zu spät. „Die sind auf der Straße besser aufgehoben“, so Zirngibl.

Kategorien und Schwellenwerte

Die Arbeit der Unfallkommission wird durch einen Erlass des Landes geregelt. Mitglieder sind demnach die Straßenverkehrsbehörde, die Polizei und die Straßenbaubehörde.

Die Polizei erstellt eine Unfallhäufungssteckkarte – inzwischen elektronisch. Bei Erreichen von Schwellenwerten meldet das System automatisch, dass es eine Unfallhäufungsstelle oder -linie gibt.

Unfälle werden in vier Kategorien eingeteilt: 1 – mit Getöteten, 2 – mit Schwerverletzten, 3 – mit Leichtverletzten, 4 – mit großem Sachschaden. Außerdem gibt es insgesamt sieben unterschiedliche Unfalltypen etwa Fahr-, Abbiege- oder Einbiegen-/Kreuzen-Unfälle.

Gibt es an einem Knotenpunkt innerhalb eines Jahres drei Unfälle des gleichen Typs in den vier Kategorien, ist es eine Unfallhäufungsstelle, auf einer Strecke von 200 bis 500 Metern eine Unfallhäufungslinie. In der Drei-Jahres-Betrachtung gilt das bei drei Unfällen ungleichen Typs der Kategorie 1 und 2 sowie bei fünf Unfällen mit Fußgängern und Radfahrern der Kategorien 1 bis 3. (rvg)

Gesonderte Radwege wie in Holland wären schön, ließen sich aber im alten Baubestand gar nicht realisieren. Noch eine Empfehlung haben die Spezialisten: Straßenbau und Realität müssen übereinstimmen, eine breite Fahrbahn und Tempo 30 passen nicht zusammen.

KStA abonnieren