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Essen in Siegburg und Sankt AugustinExotisches jenseits der Currywurst – zwei besondere Imbisse in Rhein-Sieg

Lesezeit 4 Minuten

Siegburg/Sankt Augustin – Heiß und fettig und exotisch: Wer Imbiss hört, denkt nicht an Piroschki und Limburger Pferdegulasch. Eine kulinarische Stippvisite in Russland und Holland kann der Neugierige in der Nachbarschaft machen – nur wenige Kilometer von ICE-Bahnhof Siegburg entfernt lockt Fast Food jenseits der Currywurst.

Russischer Imbiss in Siegburg

Die Soljanka dampft, kleingeschnibbelte Gurken, Paprika, Fleisch und Wurst färben den Sud appetitlich bunt. Ligita Vapne hat nicht zu viel versprochen: Selbstgekocht entfaltet die wohl bekannteste Suppe zwischen Petersburg und Ural ihr Aroma am Gaumen, auch wenn Väterchen Frost noch nicht angeklopft hat im Rheinland. Zwei Wintersuppen hat die gelernte Köchin (52) an der Händelstraße im Stadtteil Deichhaus im Angebot, im Sommer die erfrischende Okroschka mit Buttermilch.

„Meine Frau hat sich damit durchgesetzt“, sagt Valeri Kailbach, der ebenfalls ausgebildeter Koch ist, und strahlt. Vor zwei Jahren eröffneten die beiden den russischen Imbiss im Schatten des russischen Mix-Marktes, neben Aldi und Netto. „Es ist der beste Ort, um Deutsch zu lernen“, sagt der Russlanddeutsche, der in Kasachstan aufwuchs und bis 1990 in Lettland gelebt hat. Von dort stammt auch seine Frau, die der 54-Jährige vor rund zwei Jahren zu sich holte nach Siegburg. Sie führt den Imbiss in dem Wägelchen, er geht ihr nach seiner Arbeit im Getränkemarkt zur Hand. Noch ernährt der Imbiss das Paar nicht.

Da locken herzhafte Teigtaschen mit Lauch, Sauerkraut und Kohl oder mit Kartoffeln gefüllt, knusprige, in Fett gebackene Hamburger, mächtiger Schichtsalat mit dem poetischem Namen „Hering unterm Mantel“, 250 Gramm schwere Fleischspieße, die über mit Gas beheizten Lavasteinen gegrillt werden, die „Damenversion“ mit Pute und Paprika.

Sattmacher, noch dazu für kleines Geld, bestreut mit frischen Kräutern und alle selbst gemacht, versichern die beiden. Und kommen damit gut an, auch bei den deutschen Kunden, die weitaus experimentierfreudiger seien als die Russen, so ihre Erfahrung. Tee und Baltika-Bier runden das Ganze ab. Und Kwas, ein süßes Gärgetränk, das der Koch knapp als „russische Cola“ beschreibt. So gern die beiden hier werkeln, sie träumen von mehr: „Ein Bistro mit Suppenbar in der Siegburger City, das wär's.“

Auf der folgenden Seite stellen wir einen besonderen Imbiss in Sankt Augustin vor.

Vom Osten geht's in den Westen, an die Nordseeküste. Andrea Sodenkamp im blau-weiß gestreiften Fischerhemd bietet an der Nachbarschaftshilfe in Sankt Augustin kleine Häppchen Matjes an: „Hier darf jeder alles probieren.“

Der Hering kommt aus der „ältesten Fischräucherei Deutschlands“, die liegt in Emden und gehört einem Bekannten Sodenkamps. Den Limburger Gulasch nach Sauerbraten-Art mit ganz feinen Pferdefleischstreifen haben Sodenkamp und ihr Lebenspartner Ulrich Marsitz auf ihren Reisen durch die Niederlande entdeckt, „im letzten Zipfel Flanderns, der nach Belgien hineinragt“. Rezepte importieren sie und auch Fertigprodukte, etwa die Frikandel und die Bitterbollen (kleine Bällchen gefüllt mit Fleischpastete).

Die passenden Soßen sind dagegen Eigenkreationen Sodenkamps, die liebend gern mit Gewürzen und Kräutern experimentiert und immer wieder auffordert: „Probieren Sie mal!“ Die Rahmsoße zieren frische, gebratene Champignons, und ihr Joghurt-Kräuterrahm ist eine leichte Alternative zur Mayonaise – für die Figurbewussten, die sich die breit geschnittenen Pommes Frites schmecken lassen wollen. „Für das Salz haben wir ein halbes Jahr lang immer wieder Mixturen ausprobiert, bis wir überzeugt waren, aber nicht mehr wussten, welche Bestandteile in welcher Menge nun drin waren.“ Eine Gewürzmühle analysierte das Gewürzsalz und stellt es seitdem exklusiv für den Holland-Imbiss im Hinterhof an der Bonner Straße her.

Vor vier Jahren wagte sich die 52-jährige Sodenkamp auf Neuland: Die gelernte Erzieherin kocht gern, als Seglerin und Surferin liebt sie die Küste. Zudem waren die Niederlande in dieser Region Fast Food-mäßig noch nicht beackert. Nach den ersten, schweren Schritten am Wochenende auf Flohmärkten, fand sie ihren jetzigen Standort beim Verein „Nachbarschaftshilfe“. Der Wagen läuft so gut, dass sie einige 450 Euro-Kräfte beschäftigen kann und immer noch Zeit hat für ihren Wassersport.

Dass auch Partner Ulrich Marsitz, 65, an ihrer Seite ab und an die Kochjacke überzieht, sorgte schon für Verwirrung bei dessen Kollegen. Eine Stewardess fragte den Berufspiloten, der nach Krankheit am Simulator den Cockpitnachwuchs ausbildet, ganz entgeistert: „Was machen Sie denn hier?“