Am 25. Oktober startet eine Jubiläumsausstellung in der Galerie, in der auch schon Günter Grass und Walter Scheel zu Gast waren.
Zeitreise durch KunstgeschichteGalerie Radicke in Sankt Augustin feiert 50-jähriges Bestehen

Jutta Radicke mit Günter Grass. Die Galerie Radicke feiert 50-jähriges Bestehen.
Copyright: Markus Peters
Die 50-jährige Geschichte ihrer Galerie hat Jutta Radicke in zahlreichen großformatigen Sammelbänden dokumentiert. Einladungskarten, Fotos und andere Dokumente bebildern eine Historie, in der der Bungalow der Radickes in Hangelar eine nicht ganz unbedeutende Rolle einnimmt.
Wenn das Ehepaar auf die vergangenen fünf Jahrzehnte zurückblickt, dann sprudeln die Anekdoten. „Kunst war schon in meinem Elternhaus wichtig“, erinnert sich die Galeristin, die wie ihr Ehemann aus Norddeutschland stammt. Früh stand für sie fest, dass sie Räume für Kunst und Kultur betreiben wird; ein Umstand, den Gatte Uwe quasi mitgeheiratet hat: „Hätte er nein gesagt, wäre ich weg gewesen.“
Erste Ausstellung im Oktober 1975: Galerie Radicke wird zur Institution
Oktober 1975 hatte die Gastgeberin zur ersten Ausstellung ins heimische Souterrain geladen. Inzwischen sind die damals als Übergangslösung gedachten Räume längst zur Institution geworden, für über 500 Ausstellungen wurde das „Who is Who“ der zeitgenössischen Kunst nach Sankt Augustin geholt. Ergänzt werden die Ausstellungen durch Konzerte, Lesungen und Kleinkunstabende im Wohnzimmer. Im Mittelpunkt stehen aber die Präsentationen im Untergeschoss: „Ich bin die Einzige, die Keller dazu sagen darf“, stellt Radicke klar.
Auf gut 110 Quadratmetern bieten die vorwiegend schwarz gestrichenen Räume reichlich Fläche, um Bilder zu hängen oder Skulpturen zu positionieren. Der letzte Raum ist in Weiß gehalten: „Das soll das Licht am Ende des Tunnels sein.“ Im Erdgeschoss findet das alltägliche Familienleben statt, das Untergeschoss gehört bis heute der Kunst, wo zeitweise auch die Künstler übernachteten.
Künstler wählte die Gastgeberin nach Bauchgefühl aus – und nach Qualität
Radicke begann zu einer Zeit, in der Frauen im Kunstbetrieb oftmals nicht viel mehr als Staffage waren, in zeitgenössischen Zeitungsartikeln wurde sie als „Hausfrau“ betitelt. Doch die zierliche Person mit den blonden Locken machte früh klar, dass sie sich nicht die Butter vom Brot nehmen lässt. So kritisierte sie beim Bonner Presseball gegenüber einem Herausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) den Aufbau seines Blatts. Dieser schickte einen Journalisten in die junge Galerie – der nachfolgende Artikel in der FAZ bedeutete den Durchbruch für Radicke.

Jutta Radicke mit Ex-Bundespräsident Walter Scheel in ihrer Galerie.
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Bald darauf gibt sich bei den Vernissagen nicht nur die Bonner Prominenz die Klinke in die Hand. Ihre Künstler wählt die Gastgeberin immer nach ihrem Bauchgefühl aus, darunter nicht nur einige der wichtigsten Namen der Kunstszene, sondern auch etliche, die bei ihr die ersten Schritte zu einer internationalen Karriere machten: „Für mich gibt es bis heute nur ein Kriterium und das ist Qualität, die mich überzeugt.“ Entsprechend groß ist die Bandbreite der Werke und Akteure, die bei den Radickes schon ein mehrwöchiges Gastspiel gaben.
Große Namen bei Radicke: Günter Grass und Walter Scheel
Dieser Erfolgsgeschichte droht nach drei Jahren ein abruptes Ende, als Uwe Radicke als Marine-Attachée nach Washington versetzt wird. Für seine Frau steht fest: „Ich komme nur mit, wenn ich da auch eine Galerie aufmachen kann.“ So geschieht es, wenn auch unter großzügiger Auslegung der üblichen diplomatischen Gepflogenheiten.

Jutta Radicke und Ehemann Uwe Radicke
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Radicke kündigt der renommierten „Washington Post“ unerbittlich tägliche Anrufe an, falls sie nicht „Juttas Gallery“ besucht – und sie setzt sich erneut durch. Prompt werden ihre Räume zu ersten Adresse für Kunst aus Deutschland und zum kulturellen Treffpunkt der deutschen Community.
Ein Erfolg, der sich auch nach der Rückkehr nach Deutschland fortsetzt. Weiterhin ziehen die Galerie und ihre selbstbewusste Gastgeberin wichtige Künstler an, Politiker und Diplomaten kommen.
Veranstaltungen wie mit Günter Grass und Lothar-Günther Buchheim werden überregional beachtet: „Buchheim war der interessanteste Mensch, den ich durch die Galerie kennengelernt habe. Und ich war die einzige Frau, die sich gut mit ihm verstand, weil ich mir von ihm nichts gefallen ließ.“ Sogar Helmut Kohl lässt durch Emissäre Kunstwerke aussuchen.

Jutta Radicke und Lothar Günther Buchheim
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Und dann kam der Regierungsumzug nach Berlin: „Damals wollte ich aufhören“, gesteht Radicke. Doch immer noch bilden sich Schlangen in der ruhigen Wohngegend, wenn sie zur Vernissage lädt. Das Geschäft mit der Kunst ist schwieriger geworden, doch aufhören kommt für Jutta Radicke nicht infrage: „Bei mir im Haus nach unten gehen, ohne dass da alle paar Wochen neue Bilder hängen? Nee, das geht nicht.“
Die Jubiläumsausstellung zum 50-jährigen Bestehen der Galerie mit 22 beteiligten Künstlern wird am 25. Oktober eröffnet. Weitere Informationen gibt es online unter: www.galerieradicke.de