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Schwere VerletzungenKinderarzt in Sankt Augustin fordert Verbot von Lachgas

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Dr. med. Daniel Tibussek, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin sowie Kinderneurologe, fordert im Haupt- und Digitalisierungszuschuss des Stadtrates ein Verkaufsverbot für Lachgas.

Dr. med. Daniel Tibussek, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin sowie Kinderneurologe, fordert im Haupt- und Digitalisierungszuschuss des Stadtrates ein Verkaufsverbot für Lachgas.

Flaschen sind vom Design gezielt auf Jugendliche abgestimmt - Ein perfides Marketing.

Das bereitet Dr. Daniel Tibussek große Sorgen: Wenn er in letzter Zeit die Gemeinschaftspraxis des „Kinderfachärztezentrum an der Sieg“ abends verlässt, findet auf dem Parkplatz am Lindenhof an der Bonnerstraße immer wieder leere Lachgaskartuschen. Er kennt die Gefahren dieses frei verkäuflichen Gases nach dem Einatmen: Sauerstoffmangel, Erfrierungen und schwere neurologische Schäden.

„Kinder werden als Notfall deswegen sogar mit lebensbedrohenden Symptomen ins Krankenhaus eingeliefert“, berichtet er im Gespräch mit der Redaktion. Oft ist dort aber der genaue Grund nicht zu erkennen. „Wenn wir Kinder mit diesen Symptomen in die Notambulanz eingeliefert bekommen, handeln wir natürlich sofort, obwohl wir nicht immer sagen können, ob diese vom Lachgas stammen“, so eine Sprecherin der Asklepios Kinderklinik in Sankt Augustin. Es gebe eine hohe Dunkelziffer.

In Sankt Augustin liegen leere Lachgasflaschen auf Parkplätzen herum

Dass Kinder unbewusst schwere Schäden durch das gezielte Einatmen Lachgas erleiden, ließ Tibussek keine Ruhe. Er schrieb an die Stadtverwaltung und bat um ein schnelles Verbot des überall frei käuflichen Gases. Im Unterausschuss für Bürgerangelegenheiten hatte er nun Gelegenheit, seine Sorgen der Politik vorzutragen. Der Mediziner kennt sich mit dem Thema aus. Bevor er sich vor neun Jahren in der Gemeinschaftspraxis in Sankt Augustin niederließ, war er unter anderem vier Jahre lang Leiter des Bereichs Neuropädiatrie und Entwicklungsneurologie an einer Klinik für Kinder und Jugendliche in Leverkusen und forschte zum Thema Schlaganfälle bei Kindern.   

„Das Lachgas wird in Kiosken ganz harmlos neben Süßigkeiten angeboten, die Flaschen sind vom Design gezielt auf Jugendliche abgestimmt. Ein perfides Marketing“, so seine Kritik. Tibussek hat eine leere Flasche mitgebracht, die er „noch gestern auf dem Parkplatz gefunden hat.“ Er hält sie hoch. Exotic Whip ist in gelber Schrift auf schwarzem Untergrund zu lesen. Offiziell ein Gas, um Sprühsahne herzustellen. Doch in der Szene werde es als Rauschmittel genutzt.

Lachgas kann schwere Kälteverbrennungen im Mund- und Rachenbereich verursachen

Neben der Flasche hätte er zahlreiche schwarze Luftballonhüllen entdeckt. „Diese benutzen die Jugendlichen, um das Gas einzuatmen“, so der Mediziner. Warum die Ballons immer die Farbe Schwarz haben müsse, sei ihm unbekannt. Und er berichtet weiter. Die Luftballons seien nötig, um Mund- und Rachenbereich vor schweren Kälteverbrennungen zu schützen. Eiskalt käme das Gas direkt aus der Flasche. Leider passiere es immer wieder, dass Jugendliche dies nicht wüssten, „die Flasche einfach an den Mund setzen und sich beim Gasaustritt schwer verletzen.“

„Vor einigen Jahren habe ich abends auf dem Parkplatz Pizzakartons und leere Energiedrinkflaschen gefunden“, berichte er im Ausschuss. Das hätte sich aber seit Corona geändert. Nun sei Lachgas im Trend. „Im Jahr 2022 hat es eine Untersuchung gegeben. Damals hatten es 25 Prozent der Jugendlichen schon einmal konsumiert. Heute liegt die Zahl bestimmt deutlich höher“, trägt der Kinderarzt vor, dem „leider keine aktuelleren Zahlen“ vorliegen. Er geht aber davon aus, dass diese Zahl heute deutlich höher liege.

Auf neurologischen Kongressen seien die krankheitsbedingten Folgen von Lachgasmissbrauch inzwischen immer Thema. Tibussek beschreibt die gefährliche Wirkung. „Bei chronischem Gebrauch kann Lachgas das Vitamin B12 im Blut inaktivieren. Es kommt somit nicht im Gehirn verarbeitet werden. Kribbeln, Taubheitsgefühl in Händen und Füßen, Lähmungserscheinungen oder Schädigung des Rückenmarks sind Schäden“, so der Kinderneurologe. Da es sich aber nicht um einen echten Vitamin-B12- Mangel handele, sondern nur die Funktion des Vitamins betroffen sei, lasse sich das Krankheitsbild durch Bluttests allein nicht nachweisen. 

In der Politik ist das Thema bekannt. Bürgermeister Dr. Max Leitterstorf berichtet, dass der Bund ein Verbot von Lachgas auf den Weg gebracht hätte. Landtagsabgeordneter Martin Metz (Grüne) ergänzt, dass dies auch als Schutz für die Jugend Thema in Düsseldorf sei. „Sollten Bund oder Land den freien Verkauf von Lachgas nicht verbieten, dann werden wir das hier in unserer Stadt allein tun“, schlägt Leitterstorf vor. Die Umsetzung sein jedoch nicht einfach, da es dann übers Internet weiter leicht zu beziehen sei. Dem stimmten die Mitglieder des Ausschusses einstimmig zu.