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Hochschulprofessor aus Sankt Augustin: „Akademiker werden überbewertet“

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Professor Franz W. Peren von Hochschule Bonn-Rhein-Sieg

Professor Franz W. Peren von Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

Der erste Professor an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg: Eine Gesellschaft sollte gerade in der Bildung möglichst breit und vielfältig aufgestellt sein.

Professor Dr. rer. pol. Franz W. Peren, Ph.D., ist seit 1993 Professor der Betriebswirtschaftslehre, insbesondere quantitative Methoden. Von 1995 bis 2025 lehrte und forschte er an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Er war unter anderem Gastprofessor an der Columbia University in New York, USA, sowie an der University of Victoria in Victoria, Kanada. Seine wirtschaftspraktischen Erfahrungen basieren unter anderem auf einer vierjährigen Tätigkeit als Referent im Bundesministerium für Wirtschaft sowie als Berater für Unternehmen und Regierungen. Peren war der erste Professor, der an die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg berufen wurde. Seit deren Bestehen unterrichtete er dort mit quantitativ-wirtschaftswissenschaftlichen Methoden. Mit Ablauf dieses Semesters geht er in den Ruhestand.

Jürgen Möllemann machte sich für den Ausbau der Fachhochschulen stark

Wie war die Situation in der Bildung in Deutschland, als Sie im September 1995 von der Fachhochschule Bielefeld nach Sankt Augustin wechselten?

Franz W. Peren: Das Bundesbildungsministerium mit Minister Jürgen Möllemann an der Spitze hatte sich damals für den Ausbau der Fachhochschulen starkgemacht. Sie hatten einen außerordentlichen Bildungsauftrag, der sich besonders durch Praxisnähe deutlich von den traditionellen Universitäten abhob.

Ist das heute nicht mehr so?

Als ich im Jahr 1993 in Nordrhein-Westfalen zum Professor berufen wurde, beruhte der nachschulische Bildungsbereich in Deutschland auf drei Säulen: Handwerk, Hochschule, Universität. Damit waren wir sehr erfolgreich aufgestellt. Dieser Dreiklang der Bildung war international hoch anerkannt. Ein Bildungsmodell, um das uns auch US-amerikanische Präsidenten beneideten. Besonders Bill Clinton überlegte, dies auch in den USA so zu etablieren. Dieses ehemals typische Bildungssystem gibt es in dieser oder annähernd ähnlicher Form heute in Deutschland gegenwärtig nicht mehr. Akademiker werden inzwischen überbewertet. Fachhochschulen entwickeln sich zu Universitäten.

Professor an der Hochschule Sankt Augustin kritisiert „aufgeblähte Verwaltung“

Davon profitiert doch aber das Bildungssystem?

Das kann so sein, muss es aber nicht. Eine Gesellschaft sollte gerade in der Bildung möglichst breit und vielfältig aufgestellt sein. Ist diese weitgehend akademisch bestimmt, fehlt es an notwendigen Anreizen, handwerklich tätig zu sein. So fehlt es heute an hinreichend ausgebildeten Fachkräften im Handwerk, die wir gegenwärtig dringend suchen. Stattdessen leisten wir uns akademisch dominierte Strukturen und Organisationen, die den Werktätigen mit stetig wachsender Dynamik vorschreiben, was sie zu tun haben sollen. So frage ich mich, was zum Beispiel rund 32.000 Beamte und Vertragsbedienstete in der Europäischen Kommission wertschöpfend leisten.

In der Europäischen Union wohnen rund 448 Millionen Menschen. In Relation dazu ist das wenig.

Für mich ist das viel. Was machen diese Verwalter den ganzen Tag? Sie verwalten. Wertschöpfung sieht für mich anders aus. Die grundsätzliche Frage ist doch: Was braucht eine Gesellschaft, um sich weiter entwickeln zu können, auch im Wettbewerb mit anderen Volkswirtschaften? Auf keinen Fall eine aufgeblähte Verwaltung. Ich sehe da Handlungsbedarf. Weniger Verwaltung, mehr Freiheiten für Unternehmer. Mehr praxisorientierte Bildung.

Welche Anforderungen stellen Sie neben dem Praxisbezug an die Bildung?

Bildung muss Wohlstand schaffen, der allen zugutekommt und das Leben attraktiv macht. Die Bildung hat der Gesellschaft zu dienen, sodass sich diese weiter entwickeln kann. Dabei geht es auch um qualitatives Wachstum. Das vermisse ich zurzeit in Deutschland. 

Welchen Beitrag leisten hierzu die Hochschulen in Deutschland heute?

Die deutschen Fachhochschulen verbanden ehemals die handwerkliche und die rein akademische Ausbildung. Ein Studium wurde zuvor nur von den traditionellen Universitäten angeboten. Durch die Fachhochschulen wurden Handwerker zu Ingenieuren. Eine kaufmännische Lehre ließ sich sinnvoll erweitern durch ein wirtschaftswissenschaftliches Studium. Heute sind die Fachhochschulen deutlich breiter aufgestellt und haben ihren ursprünglichen Charakter verändert. Das ist grundsätzlich positiv zu werten, aber birgt auch die Gefahr, ihr beabsichtigtes Alleinstellungsmerkmal gegenüber den Universitäten zu verlieren. Der Unterschied zwischen Fachhochschule und Universität ist nicht mehr so markant wie zu der Zeit, als ich mich im Jahr 1993 dafür entschieden hatte, an einer deutschen Fachhochschule zu lehren.

Bei der Forschung an der Hochschule in Sankt Augustin orientierte sich Professor Peren stets international

Können Sie das näher beschreiben?

Es geht dabei nicht nur um die Lehre, sondern auch um die Forschung. Auch die Forschung an deutschen Fachhochschulen unterschied sich in früheren Zeiten deutlicher von der universitären Forschung, als das heute der Fall ist. Mein Eindruck ist, dass sich die Forschung an Fachhochschulen eher in die universitäre Forschung einreiht, statt eigene Wege zu gehen.

Welche Wege könnten das sein?

Bei den Forschungsthemen, die ich während meiner Zeit an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg bearbeitet habe, habe ich mich stets international orientiert, statt mich in die Forschung deutscher Universitäten einzureihen oder unterzuordnen. Nur so war es mir möglich, zum Beispiel in der Glücksspiel-Forschung weltweit anerkannte Standards zu erarbeiten. Die Fachhochschule diente mir und letztendlich der Gesellschaft als besondere Hochschule. Vielleicht wäre dieses an einer klassischen Universität so nicht möglich gewesen.