ErfolgsgeschichteGeflüchtete absolviert Ausbildung in Sankt Augustin in Teilzeit

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Die zweifache Mutter Zuhal Sedigi hat im Hennefer Betrieb Via Logistik von Helge Ippendorf eine Ausbildung in Teilzeit zur Kauffrau für Büromanagement absolviert.

Die zweifache Mutter Zuhal Sedigi hat im Hennefer Betrieb Via Logistik von Helge Ippendorf eine Ausbildung in Teilzeit zur Kauffrau für Büromanagement absolviert.

Die Afghanin hat trotz Teilzeit ihre Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement in weniger als drei Jahren absolviert.

„Man muss der Industrie- und Handelskammer heute noch dankbar sein für die Vermittlung“, sagt Helge Ippendorf. Die IHK hat den Hennefer Unternehmer und Zuhal Sedigi aus Sankt Augustin zusammengebracht. Es gab ein Kennenlern-Treffen, „und ab dem Moment war es klar“, sagt Ippendorf: Der Chef der Firma Via Logistik und die Frau, die aus Afghanistan geflüchtet ist, nutzten die weitgehend unbekannte Möglichkeit einer Ausbildung in Teilzeit.

Für Zuhal Sedigi ging es darum, Familie und Lehre unter einen Hut zu bringen. Die 31-Jährige ist verheiratet und hat zwei Töchter im Grundschulalter. Im Teilzeitmodell wird die Anwesenheit im Betrieb reduziert. „Wir haben das flexibel gehandhabt“, erzählt Ippendorf. Zum Teil arbeitete die Ausbildende auch von zu Hause aus. „So konnte ich alles gut organisieren“, sagt sie. Nicht zuletzt zogen die heute neun und sieben Jahre alten Kinder mit.

Es war natürlich schwer, aber wenn man lernt, schafft man das
„EZuhal Sedigi, Kauffrau für Büromanagement

Der Mittwoch war für die angehende Kauffrau für Büromanagement einer von zwei Berufsschultagen, die nicht reduziert werden. Um 8 Uhr standen Sedigis Hauptfächer Steuerung und Kontrolle auf dem Stundenplan. Da ihr Mann schon um 7 Uhr beginnt zu arbeiten und sie pünktlich zum Unterricht in Siegburg sein musste, brachte sie die Mädchen schon um 7.30 Uhr zur Grundschule – 20 Minuten, bevor die Schule öffnete.

„Mama, das ist kein Problem, 20 Minuten bleiben wir hier“, hätten die Kinder gesagt. Dieser Engpass ist nun Vergangenheit. Zuhal Sedigi hat trotz Teilzeit ihre Ausbildung in weniger als drei Jahren absolviert. In der schriftlichen Prüfung erreichte sie die Note drei, im Mündlichen sogar eine zwei. „Es war natürlich schwer, aber wenn man lernt, schafft man das“, sagt sie.

Das war mehr als das, was ein Vollzeit-Azubi schafft, der frisch von der Schule kommt
Helge Ippendorf, Unternehmer

Seit dem 1. Juni arbeitet sie in Teilzeit, von 9 bis 12 Uhr, im Büro von Via Logistik an der Königstraße in Hennef. Helge Ippendorf legt anderen Unternehmern die Teilzeit-Ausbildung gerade von älteren Azubis ans Herz. „Man hat keinen Nachteil im Betrieb.“ Mit mehr Lebenserfahrung sei mehr Motivation vorhanden, sagt der 67-Jährige und lobt Sedigis Arbeitsleistung: „Das war mehr als das, was ein Vollzeit-Azubi schafft, der frisch von der Schule kommt.“

Für ihn sei es daher keine Frage, sie in sein 15-köpfiges Team zu übernehmen, betont Ippendorf. Nicht zuletzt seien ihre guten Englischkenntnisse von Vorteil. Die Logistik-Firma, die unter anderem Kunsttransporte übernimmt, bringt auch das wöchentlich erscheinende Nachrichtenmagazin „The Economist“ auf den Weg.

Integration ist Teil der Firmenphilosophie

Zur Firmenphilosophie gehört die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund. Bei Zuhal Sedigi ist dies gelungen. „Ich bin sehr zufrieden“, sagt die 31-Jährige, die aus der Großstadt Mazar-e-Sharif im Norden Afghanistans stammt. 2014 flüchtete sie mit ihrem Mann und kam nach Sankt Augustin. Mit leiser Stimme erzählt sie, dass ihre Mutter und ihre Schwester noch in Afghanistan seien.

„Mein Vater wurde vor zwölf Jahren von Unbekannten ermordet.“ Ihr Bruder sei im April vergangenen Jahres von den Taliban getötet worden. Er war 22 Jahre alt. Die abgeschlossene Ausbildung und die Einstellung sind für Zuhal Sedigi und ihre Familie ein weiterer wichtiger Schritt in eine sichere Zukunft. „Wir haben seit letztem Jahr die Niederlassungserlaubnis“, berichtet sie. Die deutsche Staatsbürgerschaft sei beantragt: „Darauf müssen wir noch ein Jahr warten.“


In vielen Berufen eine Alternative

Die Möglichkeit der Teilzeitausbildung wurde im Jahr 2005 im Berufsbildungsgesetz verankert. Inzwischen ist für Azubis in allen anerkannten Ausbildungsberufen ein Teilzeitmodell möglich, wenn der Arbeitgeber dies anbietet. Gemeinsam wird dann ein Antrag bei der Industrie- und Handelskammer, der Handwerkskammer oder der Landwirtschaftskammer gestellt.

Die Wochenstunden im Betrieb werden reduziert, maximal um 50 Prozent, wobei verschiedene Varianten – ohne und mit Verlängerung der Gesamt-Ausbildungszeit – möglich sind. Die Ausbildungsvergütung wird zumeist an die geleisteten Stunden angepasst. Den Berufsschulunterricht müssen auch die Teilzeitauszubildenden dagegen in vollem Umfang besuchen. In der Podcast-Reihe „Sei ein Mentor“ hat die Gesellschaft für berufliche Bildung der Deutschen Industrie- und Handelskammer mehrere Folgen veröffentlicht, die sich mit der Ausbildung in Teilzeit und den Erfahrungen von Unternehmen damit befassen. (kh)

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