In Sankt Augustin lebt heute der erfolgreiche Athlet im Alter von 98 Jahren, der als Moderner Fünfkämpfer in Ungarn ein Volksheld ist.
Berufsverbot wegen Kritik an SowjetsGábor Benedek aus Sankt Augustin ist zweitältester lebender Olympasieger

Die Gewinner des modernen Fünfkampf-Teams bei den Olympischen Spielen 1952 in Heslinki. Gábor Benedek (4.v.l.) auf dem Siegerpodest vor der Verleihung der Goldmedaille.
Copyright: IMAGO/TT
Auf dem Tisch im Wohnzimmer in Sankt Augustin liegt eine kleine Auswahl der Schatullen mit Medaillen, eigens aus dem Schrank geholt. „Dort liegen sie eigentlich richtig“, sagt Gábor Benedek bescheiden. Das Rampenlicht sucht er nicht mehr. Dabei war er einst aktiver Moderner Fünfkämpfer für sein Heimatland Ungarn. Gábor Benedek ist der zweitälteste noch lebende Olympiasieger der Welt.
Zu erkennen sind je eine Gold- und Silbermedaille für die Mannschaft und die Einzelleistung bei den Olympischen Spielen 1952 in Helsinki. Aber auch zwei Goldmedaillen der Weltmeisterschaften 1953 in Chile und 1954 in Budapest sind zu entdecken. Die Teilnahmemedaille an den Olympischen Spielen 1956 in Melbourne fällt ebenfalls ins Auge; Benedek erreichte damals mit der Mannschaft Rang vier, in der Einzelwertung Platz sechs.
Die Ungarn kämpften 1956 beim Volksaufstand gegen die sowjetischen Besatzer, ich wollte als Sportler ein Zeichen setzen
Der Start dort veränderte sein Leben dramatisch. „Die Ungarn kämpften 1956 beim Volksaufstand gegen die sowjetischen Besatzer, ich wollte als Sportler ein Zeichen setzen“, erinnert er sich. So sorgte Benedek als Mannschaftsführer dafür, dass der rote Sowjetstern auf dem Trikot der Ungarn durch das traditionelle ungarische Doppelkreuz ausgetauscht wurde. Er schlug außerdem vor, den sowjetischen Sportlern nicht die Hand zu schütteln.

Ein sowjetischer Panzer in Budapest im November 1956. In Melbourne in Kanada fanden die Olympischen Spiele zu diesem Zeitpunkt statt.
Copyright: dpa
Das alles hatte bei seiner Rückkehr nach Ungarn Konsequenzen. „Ein großer Teil des olympischen Teams blieb im Westen, ich wollte aber zu meiner Familie zurück“, erinnert sich Benedek. In seiner Heimat war er ein Held, zumal er von den Olympischen Spielen 1952 in Helsinki zuvor mit Gold und Silber nach Hause gekommen war. Er bekam wegen Melbourne später sogar Berufsverbot, konnte nicht mehr als Trainer beim Verband in Ungarn arbeiten.
In meiner Jugend war der Moderne Fünfkampf eher eine Randsportart
„Es war paradox. Auf einem Sportfest in Moskau konnte ich durch meine guten Leistungen das Ticket für meine erste Olympiateilnahme im Jahr 1952 in Helsinki lösen. Dann sorgten die angeblichen Brüder dafür, dass ich nach der Olympiateilnahme 1956 nicht mehr arbeiten durfte“, berichtet er. Seine Beliebtheit in Ungarn war aber Garant dafür, dass er nicht mittellos war. Er musste zwar sein Pferd verkaufen, konnte sich aber mit einer Mineralwasserfirma über Wasser halten.

Gábor Benedek holte zwei Medaillen im Modernen Fünfkampf bei Olympia: Zu erkennen ist eine Goldmedaille (r.) für die Mannschaft und eine Silbermedaille für die Einzelleistung 1952 in Helsinki.
Copyright: Stefan Villinger
Unterstützung bekam er von seiner Frau Eva, die er 1954 heiratete. Im selben Jahr wurde er Ungarischer Mannschaftsmeister im Fünfkampf. „In meiner Jugend war der Moderne Fünfkampf eher eine Randsportart“, erinnert er sich. In der Armee sei die Kombination aus Schwimmen, Fechten, Reiten, Pistolenschießen und Laufen dagegen beliebt gewesen. Sein Vater Ferencz Benedek, ein ehemaliger Offizier, habe es deswegen gern gesehen, dass sich sein Sohn für diese Sportart interessiert.
Der Veteran hatte im Ersten Weltkrieg ein Bein verloren, arbeitete seitdem in Gábor Benedeks Geburtsort Tiszafüred in einem Büro. „Als mein Vater in der Weltwirtschaftskrise arbeitslos wurde, bekam er wegen seiner Verletzung die Erlaubnis, in Budapest ein lizenziertes Tabakgeschäft zu eröffnen“, erinnert sich Benedek, der damals acht Jahre alt war. Die Familie zog also im Jahr 1935 in die ungarische Hauptstadt. Seine Mutter Maria half mit beim Verkauf im Laden. Er und Bruder Ferencz gingen dort zur Schule.
Der Vater starb 1941 im Alter von nur 46 Jahren, die Mutter sorgte während des Zweiten Weltkriegs mit dem Tabakgeschäft und Webarbeiten für die Familie. Die beiden Söhne kamen in die Kadettenschule nach Siebenbürgen – das sicherte ihre Versorgung. Zum Fronteinsatz mussten die Jungen wegen ihres Alters nie.
Nach Kriegsende kam der spätere Medaillengewinner in englische Gefangenschaft auf die dänische Insel Gavnø. Eine Flucht mit dem Boot nach Schweden missglückte. 1949 endete die Gefangenschaft. Nach der Heimkehr nach Budapest holte er sein Abitur nach. Und seine Karriere als Moderner Fünfkämpfer nahm Fahrt auf.

Links die Goldmedaille, rechts die Silbermedaille von Olympia in Helsinki, in der Mitte die Teilnahmemedaille aus Melbourne, hinten die beiden Medaillen als Weltmeister im Modernen Fünfkampf.
Copyright: Stefan Villinger
Dann erkrankte seine im November 1954 geborene Tochter Eva 1968 an Leukämie. Bayer Leverkusen hatte ein neues Medikament entwickelt, das Hoffnung versprach. 1969 konnte er mit Frau und Tochter zur Behandlung nach Deutschland ausreisen, sein 1958 geborener Sohn Gábor musste anderthalb Jahre lang bei den Großeltern als „Pfand in Ungarn zurückbleiben“.
Benedek war der erste hauptamtliche Trainer im Modernen Fünfkampf in Deutschland
Benedeks Ruf als begnadeter Moderner Fünfkämpfer war auch in Deutschland bekannt. Ihm wurde eine Stelle als Trainer in Warendorf angeboten. Die Behandlung seiner Tochter Eva hatte keinen Erfolg, sie starb noch im Jahr 1969. Der Olympionike nahm die Stelle an. Sein Sohn wurde, in der Rücksitzlehne im Auto versteckt, in den Westen geschmuggelt.

Silberkästchen mit Gravur bekam der Olympiasieger bei Besuchen in ungarischen Fabriken geschenkt.
Copyright: Stefan Villinger
Benedek war 1969 der erste hauptamtliche Trainer für Modernen Fünfkampf in Deutschland. Er betreute die Nationalmannschaft und das Olympia-Team 1972. Nach den Spielen in München zog er von Warendorf nach Sankt Augustin um und baute den Stützpunkt in Bonn für den Modernen Fünfkampf mit auf. Seit 1992 ist er in Rente. 2002 starb seine Ehefrau Eva. In Ungarn ist er inzwischen längst rehabilitiert. „Ich habe aber ein neues Zuhause in Sankt Augustin gefunden“, betont der 98-Jährige.
Olympionike verrät das Geheimnis des langen Lebens und der guten Fitness besonders im hohen Alter
Fit hält er sich durch Bewegung. Morgens und nachmittags dreht er eine Runde zu Fuß. Ein spezielles Ernährungsprogramm hat Benedek nicht. Schmunzelnd verrät er, er kaufe manchmal sogar Lebensmittel, die am selben Tag abliefen und die er sofort verarbeite: „Wer wie ich die harten Zeiten der Entbehrung während und nach dem Krieg erlebt hat, weiß, dass man nicht wählerisch sein darf.“ Und noch etwas ist ihm wichtig: Der Olympionike trinkt seinen Jahren keinen Alkohol und hat dies auch früher nur sehr selten getan.

