Seit 0 Uhr in KraftSo lief die erste Nacht mit Ausgangssperre im Rhein-Sieg-Kreis

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Gleis 1, Bahnhof Siegburg um 1.07 Uhr

  • Viele Menschen waren in der ersten Nacht der Ausgangssperre auch nach Mitternacht noch im Rhein-Sieg-Kreis unterwegs
  • Polizei und Ordnungsamt ließen sie gewähren.

Rhein-Sieg-Kreis – Mit einem Inzidenzwert von 129 ist auch im Rhein-Sieg-Kreis am Samstag um Mitternacht die Ausgangssperre in Kraft getreten. Ein Besuch in Hennef, Siegburg und Sankt Augustin zeigt: Viele Menschen wissen noch nichts von der neuen Regelung oder ignorieren sie schlicht. Polizei und Ordnungsamt zeigen zwar Präsenz, greifen aber selbst bei größeren Gruppen nicht ein.

Hennef, 0 Uhr

Eine S-Bahn rauscht um kurz nach Mitternacht durch die angenehme Hennefer Vorstadtruhe, bevor sie einige Passagiere in den kühlen Frühlingsabend spuckt. Ein paar von ihnen gehen zu ihren Fahrrädern, öffnen die Schlösser und verschwinden in der Dunkelheit. Ein Mann läuft wartend auf einem Bussteig umher, zwei Jungs warten auf das Anruf-Sammel-Taxi, das sie nach Hause bringen soll. Die Rhein-Sieg-Verkehrsgesellschaft hält ihren Linienplan trotz der Ausgangssperre aufrecht.

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(Bus-)Bahnhof Hennef

Mehrere Fahrzeuge und Fußgänger noch unterwegs

Ein rot-weißes Auto passiert die Bahnhofstraße – es ist das Ordnungsamt. Doch die Mitarbeiter verringern nicht mal das Tempo, es gibt auch keine mahnenden Worte. Auch auf der Frankfurter Straße und am Wingenshof sind mehrere Fahrzeuge und Fußgänger unterwegs. An der Gesamtschule Meiersheide cruisen zwei Jungs auf E-Scootern über den Parkplatz. Dass die Ausgangssperre schon ab Mitternacht greift, hätten sie nicht gewusst. „Die Polizei sagt heute, das Ordnungsamt morgen – die wissen selbst nicht Bescheid“, sagt der 19-jährige Max.

Katz- und Maus-Spiel mit Polizei und Ordnungsamt

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Die Polizei hatte bereits im Vorfeld angekündigt, keine verstärkten Kontrollen zur Ausgangssperre durchzuführen. Man wolle zwar präsent sein und Verstöße bei größeren Gruppen auch nachgehen, teilte ein Sprecher am Freitagnachmittag mit. Er sagte aber auch: „Wir werden keine Straßensperren errichten.“ (mfu)

„Eben waren hier mehrere Leute, die in ihren Autos Abi gefeiert haben. Als die Polizei kam, sind alle abgehauen.“ Ob er Sorge habe, ebenfalls erwischt zu werden? „Die Strafe zahle ich jedenfalls nicht“, antwortet er. „Mit unseren Rollern sind wir eh schneller – da fahren wir durch Poller, dann kommen die nicht weiter. Manche rufen sogar absichtlich das Ordnungsamt, um dann schnell wegzurennen.“ Sein Kumpel Niklas (17) ergänzt: „Es ist ein Katz- und Maus-Spiel.“

Sankt Augustin, 0.40 Uhr

Die Marktplatte in Sankt Augustin wirkt bei künstlichem Licht noch trister als ohnehin schon. Nur ein Pfandpirat ist jetzt, gegen 0.40 Uhr, auf der Suche nach leeren Getränkedosen und Flaschen. Als eine Polizeistreife zwischen dem Marktplatz und der Straßenbahnhaltestelle entlangfährt, dreht er sich nur kurz um. Auch die Beamten sind wohl nur auf der Suche nach größeren Gruppen.

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Marktplatte Sankt Augustin

Polizei kontrolliert auch größere Gruppen nicht

Wenig später halten sie an einer roten Ampel an der Bonner Straße. Gegenüber steht eine größere Gruppe junger Leute beisammen. Sie sind sichtlich erleichtert, dass das Blaulicht-Fahrzeug abbiegt. Verstohlen machen sie sich davon, wie Kinder, die etwas Verbotenes getan haben – haben sie ja auch.

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„Die Ausgangssperre ist sinnlos. Vor 22 Uhr darf man sich noch in kleineren Gruppen treffen, danach nicht mehr. Das Virus ist dann doch nicht weniger ansteckend“, sagt eine junge Frau, die sich als Susi vorstellt. Ihre Freunde kommen aus einem Hinterhof dazu. „Wir wollten gemeinsam noch eine Zigarette rauchen “, sagt die 24-jährige.

Siegburg, 1 Uhr

Auch am Siegburger Bahnhof herrscht gegen 1 Uhr noch Betrieb. Ein Transporter biegt in die Fußgängerzone ab, freundlich wünscht der Fahrer einen schönen Abend. Vor dem Eingang verabschiedet der 28-jährige Ande gerade einen Freund. Der ist deutlich betrunken und will noch nach Euskirchen, Ande, augenscheinlich nüchterner, bloß nach Troisdorf. Von der Ausgangssperre habe er nichts gewusst.

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Bahnhof Siegburg/Europaplatz

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Kaiserstraße, Siegburg

Ob er rechtzeitig nach Hause gegangen wäre, kann er nicht eindeutig beantworten. Auch er habe die Präsenz der Ordnungskräfte bemerkt. „Wir waren am Brückberg unterwegs und da sind fünf Kolonnen von Polizei und Ordnungsamt vorbeigefahren. Vielleicht waren es auch immer dieselben, aber die sind schon präsent“, sagt er.

Nachtschwärmer finden Ausgangssperre ungenau formuliert

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Holzgasse, Siegburg

Die Ausgangssperre hält er für ungenau formuliert: „Bei wichtigen Gründen darf man raus, heißt es – was ist denn wichtig? Zur Arbeit darf man ja auch. Ich bin übrigens im Homeoffice, also fahre ich gerade quasi in mein Büro“, sagt der Nachtschwärmer. In der Fußgängerzone ist dagegen niemand mehr unterwegs, ein Taxi wartet vor der Galeria Kaufhof auf Kundschaft – der Fahrer gibt die Hoffnung nicht auf.

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