Börse in SiegburgBriefumschläge dokumentieren Hungersnot als die Mittel des Krieges

Dokumente der Zeitgeschichte.
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Rhein-Sieg-Kreis – Als Rüdiger Krenkel im Fernsehen sah, dass russische Soldaten in der Ukraine gestohlenen Hafer abtransportierten, fielen ihm sofort die Sonderstempel seiner Briefmarkensammlung aus dem Zweiten Weltkrieg ein. Auf ihnen ist zu lesen, dass Nahrung als Waffe eingesetzt wird (siehe Bild oben). Ein anderer Stempel empfiehlt Vollkornbrot sei besser und gesünder. „Damit sollte der Weizenmangel beschönigt werden“, so Krenkel, der Vorsitzender der Siegburger Briefmarkenfreunde ist. Es sind echte Dokumente der Zeitgeschichte, die auf der Sammlerbörse in Siegburg zu entdecken sind.
Es ist erschreckend für Krenkel, dass die Kriege noch immer nach denselben menschenverachtenden Mustern laufen. „In unserer Familie sind im Zweiten Weltkrieg 13 Personen umgekommen“, berichtet er. Als kleiner Junge hätte er Feldpostbriefe seines Großvaters auf dem Dachboden gefunden. Die Brutalität des Krieges sei dort beschrieben worden. Ihm sei damals klar geworden, dass diese Dokumente der Familie für weitere Generationen gesichert werden müssten.

Vereinsvorsitzender Rüdiger Krenkel sichtet historische Briefumschläge.
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Er fragte bei seinen Tanten nach Briefen. Ihre Männer waren alle im Krieg geblieben. „Ich bekam Bündel, die liebevoll mit einer Kordel umschnürt waren“, erinnert er sich. Erschütternd sei der Bericht eines Großonkels gewesen, der völlig verzweifelt von Hunger und Verletzungen berichtet hätte. Es war das letzte Dokument von ihm, das seine Frau in Deutschland erreicht hatte. Wenige Tage später sei er als verschollen an der Front gemeldet worden.

4000 Euro ist dieser Markenblock wert.
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Das, was Krenkel eher durch Zufall vor Jahrzehnten zum Sammeln brachte, ist inzwischen ein neuer Trend, der sich Sozial Philatelie nennt. „Eine Briefmarke flüstert, ein Brief erzählt“, erklärt der Vorsitzende beim Blick auf gezackte Besonderheiten, die auf mehrfach gestempelten Umschlägen zu entdecken sind. Dazu gehört ein Einschreibebrief ans Finanzamt von 1948, der innerhalb eines Tages zugestellt wurde. Vor den Zeiten des Internets seien manche Briefkästen bis zu acht Mal am Tag geleert worden, so Krenkel.
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Walter Hoffmann und Ulrich Klink sind ebenfalls auf dem Briefmarkentag zu finden. Sie haben in zweiter Auflage ein Buch mit Siegburger Poststempeln herausgebracht. „Unser Vereinsmitglied Rudolf Inger hat in der ersten Auflage den Grundstock dazu gelegt“, berichtet Krenkel. Die anderen beiden haben nun seine Sammlung vervollständigt.