Siegburg – Das hätte ins Auge gehen können: Für die beiden 14-Jährigen war ihr Versuch, so hoch wie möglich mit einem Laserstrahl in die Luft zu schießen, ein Dummer-Jungen-Streich. Für Polizei und Staatsanwaltschaft eine Straftat: „Die Gefährdung des Luftverkehrs wird bei Erwachsenen mit Haft von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.“
Bei diesem Satz fährt den Schülern sichtlich der Schreck in die Glieder. „Wie kommt man denn auf so einen Blödsinn?“, fragt Oberstaatsanwältin Petra Krämer.
Die Eltern, die ihre Söhne zum Diversionstag auf die Wache begleitet haben, schütteln den Kopf. Hier, im vorweihnachtlich geschmückten Besprechungsraum der Kreispolizei, ist die dicke Luft noch spürbar zwischen den Erziehungsberechtigten und ihren Sprösslingen. Die Tat, die von den Lufthansa-Piloten umgehend zur Anzeige gebracht wurde, liegt erst wenige Wochen zurück.
Die Vernehmung bei der Polizei, die Besprechung im Jugendamt sind noch frisch im Gedächtnis. Und die Strafe soll auf dem Fuß folgen und somit nachhaltig abschreckend wirken, das ist das Ziel dieses besonderen, für junge Ersttäter vorgesehenen Verfahrens.
Alle bekommen es mit Petra Krämer zu tun, die als Leiterin der Jugendabteilung bei der Staatsanwaltschaft Bonn sämtliche Jugendstrafverfahren im Amtsgerichtsbezirk betreut und eher für klare, auch mal harsche Worte bekannt ist als für einen pädagogischen Kuschelkurs. „Die Piloten sind zum Glück nicht getroffen worden durch den Laserstrahl“, macht sie den Jungs klar, die ihr gegenüber sitzen und sie anschauen, wie das Kaninchen die Schlange. Ein ähnlicher Fall habe zur Netzhautablösung bei den attackierten Personen geführt, mit irreparablen Schäden für das Augenlicht.
Die Jungs reagieren kleinlaut: Sie hätten sich bei dem Wettstreit „Wer schafft es, das Flugzeug zu treffen?“ nichts gedacht, ebenso wenig wie bei ihrer zweiten gemeinsamen Tat, die Krämer erst am Tag vor der Diversion auf den Tisch flatterte. Sie randalierten in einer Waldhütte, wurden von dem Besitzer, einem Ausdauersportler, ertappt und nach kurzer Flucht gestellt. Ihre Strafe: Je 30 Sozialstunden müssen sie ableisten in den kommenden zwei Monaten.
Die 14-Jährigen nicken bedröppelt, stehen auf und sagen „Dankeschön“, wie übrigens fast alle Jugendlichen, die an diesem Tag vorgeladen wurden.
Zwölf Jungs sind es und zwei Mädchen, fast alle begleitet von Vater oder Mutter. Sie sind mit frisiertem Moped unterwegs gewesen, haben gestohlen, Mitschüler gemobbt, bedroht und geschlagen. Einer, angezeigt wegen Zigarettendiebstahls, war sogar so dreist, während des polizeilichen Verhörs ein Päckchen Fluppen vom Schreibtisch der Kommissarin einzustecken.
Jugendtypische Straftaten, einerseits. Vielleicht aber auch der Beginn einer schiefen Bahn. Bevor jemand abrutscht, will die Staatsanwaltschaft ihn stoppen. Besorgte Eltern, die nachfragen, ob die Taten im polizeilichen Führungszeugnis auftauchen, kann die Oberstaatsanwältin beruhigen: Sie finden nur Eingang ins Erziehungsregister und wirken sich in Bewerbungsverfahren nicht nachteilig aus.
„Niemand erfährt, dass ihr heute hier seid“, erklärt Krämer, die alle Beteiligten am Tisch zuvor vorgestellt hat. Inklusive der Reporterin, die ausnahmsweise den Diversionstag miterleben darf, womit sich alle Delinquenten und deren Eltern vorab einverstanden erklärt haben. Um die Jugendlichen zu schützen, erfolgt die Berichterstattung streng anonymisiert, ohne Angaben von Örtlichkeiten und Details.
Oft weiß das Umfeld ohnehin Bescheid, wie bei dem Jungen, der seinem Mitschüler ein teures Handy stahl und nun ziemlich aufgelöst vor Krämer sitzt, neben ihm die fassungslose Mutter, die, als der Anruf aus der Schule kam, spontan sagte: „Das muss ein Irrtum sein. Doch nicht mein Sohn!“
Der 15-Jährige zahlt dem Klassenkameraden nun eine Entschädigung – in Raten vom eigenen Taschengeld.
Manchmal gibt es auch nur eine Ermahnung
Ein Gleichaltriger kam hingegen mit einer Ermahnung davon: „Geht euch aus dem Weg“, kommentierte Petra Krämer die Schulhofkabbelei, bei der er ebenso Opfer wie Täter war.
Nicht alles müsse die Justiz regeln, da ist sich die Oberstaatsanwältin mit einer Vertreterin des Jugendamtes einig. „Heute werden sogar schon Kinder angezeigt.“
Manchmal schmerzen Worte allerdings mehr als Strafen. Wie bei den drei Gymnasiasten, die einen Schwächeren mobbten, von der Schule schon zu sozialer Arbeit verknackt wurden und von Petra Krämer noch 25 Stunden obendrauf erhielten.
Einer der Väter zeigte offen sein Entsetzen über die Tat seines Sprösslings: „ Das ist für mich eine richtige Schande.“