Ford, Lufthansa, Bosch: Viele Unternehmen bauen Stellen ab. Das macht sich auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar.
StellenstreichungenFünf Gründe, warum so viele Unternehmen den Rotstift ansetzen

Viele Unternehmen bauen in hoher Zahl Stellen ab, auch bei Ford in Köln ist das der Fall.
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Trotz einer leichten Herbstbelebung bleibt die Lage am Arbeitsmarkt angespannt. Zwar sank die Zahl der Arbeitslosen im September im Vergleich zum August um 70.000 auf 2,96 Millionen, damit waren aber noch immer gut 150.000 Menschen mehr auf Jobsuche als vor einem Jahr. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die markante Drei-Millionen-Marke schon in den kommenden Monaten wieder überschritten wird „Allein aus saisonalen Gründen“ sei der Rückgang im September erfolgt, sagte Arbeitsagentur-Chefin Andrea Nahles. Dem Arbeitsmarkt fehlten auch weiterhin die Impulse für eine kräftigere Belebung.
Arbeitslosenquote in Köln und NRW höher als vor einem Jahr
Auch in Nordrhein-Westfalen ist die Zahl der Arbeitslosen um gut 21.600 auf knapp 782.200 gesunken. Die Arbeitslosenquote ging um 0,2 Punkte auf 7,8 Prozent zurück, wie die Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit am Dienstag in Düsseldorf mitteilte. Vor einem Jahr lag die Quote bei 7,6 Prozent. Rund 46.000 Menschen nahmen laut Arbeitsagentur eine neue Beschäftigung auf. In Köln zeichnet die Agentur für Arbeit ein ähnliches Bild. Sie meldet für den September 2,3 Prozent weniger Arbeitslose als im August, aber 2,1 Prozent mehr als noch vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote liegt aktuell bei 9,1 Prozent (September 2024: 8,9 Prozent).
„Nach der angespannten Lage im Sommer, als wir erstmals seit 2010 wieder über 800.000 Arbeitslose in NRW gezählt haben, ist das eine Nachricht, über die wir uns sehr freuen“, sagte der Geschäftsführer der Regionaldirektion NRW, Dirk Strangfeld. Die Arbeitslosigkeit in NRW liege weiterhin auf einem hohen Niveau, für arbeitslose Menschen sei es weiterhin schwierig, eine neue Arbeit zu finden.
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Fast täglich kündigen Unternehmen inzwischen neue Pläne für Stellenabbau an, darunter klangvolle Namen wie Lufthansa, Bosch, BASF oder der Autobauer Porsche. Doch nicht nur die großen Konzerne setzen den Rotstift an. Laut Holger Schäfer, Arbeitsmarktökonom beim Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) ist die „gesamte Wirtschaft“ betroffen. Gründe für den Personalabbau gibt es viele. Das sind wichtigsten:
Krise der Automobilindustrie
Die meisten Schlagzeilen macht seit Monaten die Automobilindustrie, wo Zehntausende Stellen wegfallen. Das hat nicht nur mit dem enttäuschenden Start der Elektromobilität zu tun. Die Nachfrage leidet auch unter deutlich gestiegenen Preisen und dem Wegfall günstiger Einstiegsmodelle. Gleichzeitig sind die Kunden durch die Abfolge von Pandemie, Ukraine-Krieg und Inflation verunsichert. Statt mehr als 15 Millionen Autos vor der Pandemie werden in Europa jährlich weniger als 13 Millionen verkauft. Hinzu kommen unternehmerische Versäumnisse: In den goldenen Jahren des China-Booms haben manche die Vorbereitung auf schwierigere Zeiten verpasst.
Die Elektroflaute trifft Zulieferer oft härter als Hersteller, denn sie sind abhängig von wenigen Kunden. Zulieferungen für neue Modelle wurden kurzfristig gekürzt, teuer angeschaffte Anlagen werden zum Teil nicht gebraucht.
Das merkt auch der Kölner Autobauer Ford. Mitte September gab das Unternehmen bekannt, dass im Kölner Werk vom Zwei-Schicht- auf einen Ein-Schicht-Betrieb umstellt werde. Wegen schwacher Nachfrage nach Elektrofahrzeugen verschärft der Autobauer nun seinen Sparkurs und streicht in der Fahrzeugproduktion 1000 Stellen. Schon 2024 hatte sich Ford einen Sparkurs verordnet und angekündigt, bis Ende 2027 rund 2900 Stellen in Verwaltung, Entwicklung und anderen Bereichen abzubauen.
Digitalisierung/Automatisierung
Künstliche Intelligenz ermöglicht den nächsten Digitalisierungsschritt: Die Technik arbeitet nicht mehr einzelne Befehle ab, sondern entscheidet selbst im gesetzten Rahmen. Sie kann auch sprachlich interagieren, als sogenannter Chatbot – und knackt damit die nächste menschliche Domäne. In vielen Mitteilungen zum Stellenabbau taucht KI auf – nicht als Auslöser, aber als Ermöglicher. So investiert Volkswagen groß in KI, um Büroarbeit produktiver zu machen und Jobs zu sparen. Die Lufthansa will auch durch KI 4000 Verwaltungsstellen sparen. Die Commerzbank und viele andere Kreditinstitute wollen damit trotz schrumpfender Belegschaft bessere Beratung möglich machen.
Teure Energie
Hohe Energiekosten machen der deutschen Wirtschaft seit Jahrzehnten zu schaffen. Vor allem die Preise für Strom, Kohle und Öl sind im internationalen Vergleich traditionell hoch. Wenigstens beim Bezug von Gas hatten deutsche Unternehmen lange einen Vorteil, doch seit Russlands Krieg gegen die gesamte Ukraine ist auch das vorbei. Zwar haben die zum Teil heftigen Schwankungen am wichtigsten europäischen Großhandelsplatz TTF wieder abgenommen, das Niveau aber ist ein anderes als vor dem Krieg. Vor allem Chemie-Unternehmen wie BASF oder Covestro leiden darunter, aber auch Düngemittelherstellern vermiesen die hohen Gaspreise das Geschäft. Für Stahlhersteller wie Thyssenkrupp oder Salzgitter kommt der politisch forcierte Umstieg auf klimaneutrale Produktionsweisen hinzu. Eine Lösung des Problems ist nicht einfach, da der Staat entweder Abstriche beim Klimaschutz machen oder viel Geld in die Hand nehmen muss.
Siegeszug des E-Commerce
Ein Warenhaus in bester Lage reicht nicht mehr aus, um im Handel ganz vorne mitzuspielen. Ohne kluges Online-Konzept geht es nicht. Genau das haben viele Unternehmen allerdings zu lange verschlafen – mit Folgen. Die Schieflage bei Galeria, die zur Insolvenz der Warenhauskette führte und 1400 Menschen ihren Job kostete, erklärten Experten auch damit. Zwar schreibt Galeria wieder schwarze Zahlen, doch der Handel kommt gerade von vielen Seiten unter Druck. Und während chinesische Billiganbieter wie Temu und Shein immer mehr Marktanteile abgreifen, rollt mit der Künstlichen Intelligenz schon der nächste gewaltige Umbruch auf die Händler zu. Laut dem Ifo-Institut rechnet im Handel knapp ein Drittel der Unternehmen deshalb mit einem Stellenabbau.
Neue Konkurrenz auf den Weltmärkten
Lange wurde um die Zukunft des Solarherstellers Meyer Burger in Deutschland gerungen, jetzt ist es offiziell: Die Schweizer sehen keine realistische Chance mehr auf eine Rettung der gesamten Unternehmensgruppe. Rund 600 Mitarbeiter verlieren ihren Job. Meyer Burger hatte lange auf staatliche Unterstützung gehofft – auch wegen der mächtigen Konkurrenz aus China. Dort hergestellte Solarzellen sind deutlich günstiger und machen es hiesigen Firmen schwer, mitzuhalten. Das gilt für die Solarindustrie wie für andere wichtige Branchen – etwa den Maschinenbau. Dass die USA nun Zölle auf Importe erheben und andere Länder deshalb neue Absatzmärkte suchen, kommt erschwerend hinzu. (mit dpa/anf)