Der ehemalige Staatssekretär Jürgen Becker gehört zu den Gründern der Plattform „Compass Mitte“, die eine liberale Politik der Bundes-CDU fordert.
„Hoffen, dass sich Politik ändert“Siegburger CDU-Mitglieder fordern Kurskorrektur von Friedrich Merz

Auch in Siegburg gingen Menschen nach der Stadtbild-Aussage von Bundeskanzler Friedrich Merz auf die Straße.
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Die „Stadtbild“-Debatte prägt die politischen Diskussionen in der Gesellschaft, viele vermissen eine deutliche Abgrenzung zur AfD und missbilligen die Aussagen von Friedrich Merz. Auch in Siegburg gingen Menschen bei einer Mahnwache auf die Straße. Die CDU hat ein Rekordtief in den Umfragewerten erreicht: Nur noch 24 Prozent der Wählerinnen und Wähler würden ihr Kreuzchen bei den Christdemokraten machen, das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa vom 5. Oktober.
Auch in der CDU selbst sind langjährige Mitglieder und gestandene Politiker unzufrieden, fordern eine Kurskorrektur. Zu diesem Zweck hat eine Gruppe Christdemokraten die Plattform „Compass Mitte“ gegründet. Mit aus der Taufe hob sie das langjährige Kreistagsmitglied, der Staatssekretär a.D. und ehemalige Fraktionsvorsitzende Jürgen Becker aus Siegburg. Zu den ersten Unterzeichnern gehören viele Politiker der Siegburger CDU, darunter der ehemalige Bürgermeister Franz Huhn, Ursula Muranko und die Theologin Bettina Heinrichs-Müller.
Unterzeichner distanzieren sich vom Kurs der CDU unter Kanzler Friedrich Merz
Eine „Kurskorrektur mit Haltung“ fordern die Mitglieder von „Compass Mitte“. Sie träten für eine Partei ein, die sozial, liberal und konservativ zugleich sei. Auf keiner Ebene dürfe mit der rechtsextremen AfD zusammengearbeitet werden, betonen die Mitglieder in den Grundsätzen der Plattform. „Die CDU ist in dem Wissen gegründet worden, dass Faschismus immer nur mithilfe von Konservativen an die Macht gekommen ist“, heißt es. „Es darf deshalb keinerlei politische Zusammenarbeit der CDU mit der rechtsextremistischen AfD geben.“ Und: „Die CDU darf deshalb auch keine Anträge stellen, die nur mit Stimmen der AfD eine Mehrheit bekommen können.“
Damit grenzt sich die Gruppe auch deutlich von der Abstimmung im Bundestag ab, bei der CDU und CSU unter dem damaligen Fraktionschef Friedrich Merz einen Antrag zur Migrationsbegrenzung mit Stimmen der AfD durchbrachten. Der Aufruf von „Compass Mitte“ spricht sich klar für ein Verbotsverfahren gegen die AfD aus.
Die gut 30 Erstunterzeichner fordern ein breiteres Spektrum innerhalb der Partei: Das Soziale, das Liberale und das Christliche gehörten zusammen, nur so könne die CDU wieder eine Volkspartei werden. Damit distanziert sich die Gruppe klar vom Kurs von Kanzler Friedrich Merz, ohne dass sein Name im Papier fällt.
„Uns ging es nicht um einen personalisierten Vorstoß“, sagt denn auch Jürgen Becker im Gespräch mit dieser Zeitung, das Papier der Gruppe richte sich nicht gegen Friedrich Merz als Person. Es sei ein sachlich intendierter Meinungsbeitrag, der eine innerpolitische Diskussion anregen solle. „Man versucht, die Dinge aufzuhalten“, formuliert es Becker. Über den Absturz in den Umfragwerten gebe es keine offene Diskussion innerhalb der Partei. Angesprochen sei das Bundespräsidium ebenso wie der Vorstand und die Fraktion, „alle, die in Verantwortung sind“.
Jürgen Becker aus Siegburg fordert eine größere politische Bandbreite innerhalb der CDU
Seit einem halben Jahr hätten sich die Mitglieder der Plattform „Compass Mitte“ ausgetauscht. Fast ausnahmslos seien es „Leute, die, wie ich, schon 40 oder 50 Jahre in der CDU aktiv sind. Auch wenn das manchmal als nachteilig gesehen wird, sind das Leute, die die CDU noch Zeiten kennen, wo die Themen breiter waren“. Becker selbst gehörte bis 1998 zum Stab des damaligen Arbeitsministers Norbert Blüm. Er führt Persönlichkeiten wie Heiner Geißler, Angela Merkel oder Helmut Kohl als Beispiele für eine offenere CDU-Politik an, mit der sich mehr Menschen identifizieren konnten.
Weitere CDU-Mitglieder, auch Bundestagsabgeordnete, seien von den Gründern der Plattform kontaktiert worden, man hoffe auf mehr Unterstützer. „Wir hoffen, dass sich die Politik ändert“, sagt Becker. „Wir wollen doch alle, dass es der Partei besser geht, dass wir mehr als 24 oder 25 Prozent bekommen.“
Die CDU müsse wieder eine Volkspartei werden, „die Orientierung gibt, Menschen zusammenführt und Vertrauen zurückgewinnt“, fordert die Gruppe in ihrem Internetauftritt. Dafür brauche es Haltung, Mut und eine offene Diskussionskultur in der Partei. Weg vom strikt konservativen Kurs zu einer größeren Bandbreite. Becker: „Wir sind alle idealistisch gesinnt und spüren, dass man sich etwas anders aufstellen muss.“

