Nach dem tödlichen Unfall in SiegburgNotfallseelsorger spricht über seinen Einsatz

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Das ausgebrannte Wrack des Vans. 

Siegburg – Der schwere Unfall, bei dem am frühen Samstagmorgen um 4.30 Uhr zwei Siebzehnjährige in einem Van verbrannten, hinterlässt noch viele offene Fragen. Noch ist ungeklärt, wie die Jugendlichen an das Fahrzeug kamen und warum sie mit hoher Geschwindigkeit gegen den Alleebaum fuhren. Notfallseelsorger Albi Roebke (54) hat am Samstagmorgen die Betreuung der Zeugen am Unfallort und der Angehörigen der getöteten Jugendlichen mit koordiniert. Sandra Ebert sprach mit ihm über die besonderen Herausforderungen dieser Aufgabe. Wenn zwei 17-Jährige bei einem derart schrecklichen Unfall sterben – ist das selbst für einen erfahrenen Notfallseelsorger wie Sie dann ein besonders schlimmer Einsatz? Albi Roebke: Ja und nein. Menschliches Leid ist nicht miteinander vergleichbar, es ist niemals schlimmer oder weniger schlimm. Aber: Man muss als Seelsorger seine eigenen Verletzbarkeiten kennen. Als meine Kinder Babys waren, habe ich keine Einsätze bei plötzlichem Kindstod gemacht, weil mir das zu nah war. Ich würde auch niemanden in den Einsatz schicken, der Kinder in dem Alter der getöteten Jugendlichen hat – oder frage vorher, ob der Kollege sich das zutraut.

Warum sind Sie Notfallseelsorger geworden?

Für mich gehört zum Christentum, dass man Menschen begleitet. Durch Taufe, Konfirmation. Aber gerade in der Krise brauchen Menschen auch Begleitung.

Albi Roebke (Archivbild)

Albi Roebke (Archivbild)

Vor 20 Jahren habe ich mich für die Notfallseelsorge entschieden und mit aufgebaut.

Wie kommen Sie selbst mit dem Leid klar, mit dem Sie konfrontiert werden?

Wir haben regelmäßig Supervision, auch der kollegiale Austausch hilft. In der Ausbildung wurden wir ja auch vorbereitet. Dann hat jeder noch seine ganz eigenen Strategien, so kann es zum Ritual gehören, zu Hause als erstes die Klamotten zu wechseln und zu duschen, wenn man von einem Einsatz kommt.

Wie lernt man, Zeugen und Angehörigen zur Seite zu stehen und sich selbst nicht im Leid zu verlieren?

Es gibt die Grundausbildung mit 90 Stunden, und ab dann lernt man immer weiter. Wir bilden uns einmal im Monat fort. Zusätzlich gibt es Spezialausbildungen für uns Notfallseelsorger, zum Beispiel mit jemanden zu sprechen, der von einer Brücke springen will, und ihn davon abzuhalten. Trauer und Trauma bei Kindern ist ein weiteres Schwerpunktthema.

Setzen Sie sich auch mit der Häme und den gefühllosen Kommentaren in den sozialen Medien auseinander, die jetzt auch nach dem Tod der Jugendlichen im Netz kursieren?

Das ist inzwischen ein Standard bei uns. Für Angehörige und Opfer ist das eine erneute Ohnmachtserfahrung, ein zweites Trauma. Wir können den Leuten nicht sagen, wie sie damit umgehen sollen.

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Aber wir bereiten sie darauf vor, dass so etwas in unserer Zeit passiert. Leute in Schock und Schmerz können sich das nicht vorstellen und werden tief getroffen. Es ist das Gefühl, zum zweiten Mal keine Kontrolle zu haben, nicht über das Leben und auch nicht darüber, was andere damit machen.

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