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Mittelaltermarkt in Siegburg Phine, die Frau für alle Felle

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Josefine Stahlmann  ist regelmäßig als „Fellerin Phine“ auf dem mittelalterlichen Weihnachtsmarkt in Siegburg.

Josefine Stahlmann ist regelmäßig als „Fellerin Phine“ auf dem mittelalterlichen Weihnachtsmarkt in Siegburg.

Gerade kommt eine Schulklasse der Frida-Kahlo- Schule aus Sankt Augustin am Stand mit den weichen Fellen auf dem mittelalterlichen Weihnachtsmarkt in Siegburg vorbei. Die Kinder, teils in Rollstühlen, kommen aus einer Ganztagsschule, in der Therapie, Pflege und Unterricht eng verbunden sind. Die Fellerin Phine, wie sie auf diesem Markt im mittelalterlichen Ambiente genannt wird, scheint sie schon zu kennen. Schließlich war sie schon oft auf dem Siegburger Weihnachtsmarkt und hat ihre Stammkunden. Nun holt sie ihren Bastkorb mit kleinen gesammelten Fellstückchen hervor, aus dem sich jedes Kind eines aussuchen darf.

Der Stand mit den vielen Schaffellen ist seit Jahren auf dem mittelalterlichen Markt in Siegburg dabei. Viele Kunden und Kundinnen bleiben hier stehen, streichen über die flauschigen Felle und unterhalten sich mit der Verkäuferin. „Ich arbeite hier“, sagt Phine, „aber mir gefällt einfach die Gemeinschaft, die sich hier über die Jahre hinweg gebildet hat.“

Mittelaltermarkt in Siegburg: Phines Fell-Umhang ist genauso alt wie sie selbst

Wo die Felle denn herkämen, fragen die Kinder, und Phine ist in ihrem Element. „Wenn die Tiere gegessen werden, bleiben die Felle übrig“, antwortet sie. „Die Felle können viel Gutes tun. Sie tun gut, wenn man darauf sitzt oder liegt. Im Winter wärmen sie und im Sommer kühlen sie, und sie können auch trösten.“ Sie habe die kühlende Wirkung im Strandkorb auf Borkum ausprobiert, erklärt sie.

Und ihr Umhang aus Fellen? „Das ist etwas, was nur ich habe“, sagt sie lächelnd, „er stammt von einer Wildkatze, und man konnte berechnen, dass er genauso alt ist, wie ich selber bin, nämlich 73 Jahre.“ Heute, wo die Naturschützer stolz sind, dass die ersten Wildkatzen, die so gut wie ausgerottet waren, wieder bei uns auftauchen, ist ein solches historisches Stück natürlich dem mittelalterlichen Markt vorbehalten.

Die Berge von Fellen, die da zum Verkauf liegen, sind von Schafen, auch von nordfriesischen Deichschafen. Der Handel wird von Phines Sohn geführt. Unter seinen acht Lieferanten ist eine Firma in Sankt Peter-Ording, die Naturprodukte anbietet, bei denen die pflegeleichten Felle nicht mit Chromsalzen vorgegerbt, sondern pflanzlich mit den Schoten vom Tara-Baum gegerbt werden. Jedes Fell ist ein Unikat, kurzhaarig oder flauschig, weiß, bräunlich oder gefleckt. Und Phine erkärt, wie man die Felle mit einer Bürste pflegt, wie sie von selbst sauber sind und niemals riechen, selbst wenn sie beschmutzt wurden. „Trocknen lassen und ausbürsten“, ist ihr Rat.

Die 73-Jährige hat sich einen alten Bus umgebaut und schläft darin

Ihre Leidenschaft hat etwas mit ihrer Biografie zu tun: „Als ich 60 war“, erzählt sie, „bin ich auf allen Vieren die Treppe hochgekrochen, und kein Arzt konnte mir meine Rückenschmerzen nehmen, auch mit starken Medikamenten nicht. Da hat mir mein Sohn ein Fell geschenkt, das ich mir in meinen Sessel gelegt habe.“ Drei Wochen später sei es ihr so gut gegangen, dass sie keine Medikamente mehr gebraucht habe. Woran das gelegen haben mag, ist nicht nachzuprüfen. Phine jedenfalls ist überzeugt, dass das Fell ihr vor zwölf Jahren geholfen hat.  „Ich bin so glücklich, und das ist der Grund, dass ich das gern weitergeben will.“ 

Die 73-Jährige ist vor Schaffensdrang kaum zu halten. Stolz erzählt sie, dass sie sich fast allein einen Ford Transit so umgebaut habe, dass sie darin schlafen und Tee kochen könne, das richtige Fahrzeug für die Teilnahme an den mittelalterlichen Weihnachtsmärkten (und nur solche besucht sie). Auch für den Urlaub nutzt sie das Fahrzeug.

In der übrigen Zeit lebt Josefine Stahlmann mit ihren zwei Katern in Gummersbach, abgelegen „hinter der Talsperre“. Dort hat sie auch ihre bunten kleinen Sparbüchsenbeutel aus Wolle gehäkelt, die ebenso wie Kuhhörner, Kuscheltiere, Socken oder Handschuhe an ihrem Stand auf dem Markt in Siegburg zum Verkauf aushängen.