DrachendameSiegburger Schuhmacherin holte den Branchenpreis „Crazy Shoes“

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Nadine Weißenfels von der Schuhmacherei Becker werkelt an einem Schuh.

Nadine Weißenfels von der Schuhmacherei Becker.

Bei einem internationalen Wettbewerb holte sie Bronze. Sie liefert auch ungewöhnliche Kreationen zum Beispiel für die Cosplay-Szene.

Nur auf Zehenspitzen kann Nadine Weißenfels in ihren Lieblingsstiefeln laufen. Doch die fehlenden Absätze sind nicht der einzige Hingucker: Vorn stechen drei scharfe Krallen hervor, am Schaft glänzt Schuppenhaut. Die schrillen Drachen-Stiefel der Siegburger Handwerkerin wurden beim Wettbewerb „Crazy Shoes“ mit Gold gekrönt.

Schuhmacher ist ein bodenständiger Beruf, sollte man meinen. Im Mittelalter hochgeachtet, nun eine aussterbende Art. Nur noch etwa 60 Maßschuhmachermeister gebe es in Deutschland, schätzt Weißenfels, und die trafen sich kürzlich zum Kongress in Wiesbaden, um sich auszutauschen und auch, um sich zu messen. Dabei war auch ihr Chef Heinz Becker sowie Kollegen aus dem Ausland.

Bronze im internationalen Wettbewerb

49 Meister aus 16 Ländern machten mit beim Wettbewerb, reichten oft mehrere Paare ein. Weißenfels war mit zwei Kreationen dabei: Ihr Meisterstück, ein Paar Damenschuhe Budapester Art in zweifarbigem Leder, holte in der Kategorie „Maßschuhe Damen“ Bronze.

Die Prämierung der international besetzten Jury in einem starken Umfeld sei für sie von großem Wert, sagt die 31-Jährige, zumal etliche wie die Italiener und Spanier den Deutschen in Modefragen weit voraus seien. „Es gab auch viele Teilnehmerurkunden.“

Experimentierfreudig in der Kategorie „Crazy Shoes“

Für die neue Kategorie „Crazy Shoes“ wurden knapp 20 Kreationen aus Deutschland eingereicht. So verrückte wie Hufschuhe zum Beispiel, mit einer Sohle aus Holz, beschlagen mit Eisen. „Die Schuhmacherin war als Pferd verkleidet und hatte sogar Hufe an den Händen, mit denen sie applaudierte.“

Die Kollegin habe sich auf Reittiere spezialisiert, für diese Art von Fußbekleidung gebe es tatsächlich einen Markt, weiß Weißenfels, die derzeit auch mit Hufschuhen experimentiert. Die Abnehmer: sogenannte Cosplayer, die Figuren aus Filmen, Comics oder Fantasy-Spielen verkörpern.

Maßschuhe beginnen ab 2000 Euro

Die Handwerkerin, die in Sankt Augustin lebt, frönt ebenfalls diesem Hobby, entwirft für die Szene originelles Equipment. Die Cosplayer lassen sich die handgemachten Accessoires etwas kosten: So musste für einen Gürtel der Kunde gleich eine ganze rotgefärbte Rinderhaut für 150 Euro kaufen. Zuletzt fertigte die Fachfrau futuristischen Kopfputz und Fußhüllen für Star-Wars-Kostüme.

Maßschuhe sind nicht unter 2000 Euro zu haben, damit diese richtig sitzen und nirgendwo drücken, fertigt Weißenfels erstmal Probeschuhe aus thermoplastischem, transparenten Kunststoff. Erschwinglicher sind „Umbauten“, wie die Drachen-Stiefel, eigentlich High Heels.

Ohne Absatz hängen die Fersen in der Luft, die Sohle musste also so stabilisiert werden, dass sie darin trippeln kann, ohne hintenüber zu kippen. „Das habe ich schon mal vier Stunden lang am Stück geschafft.“ Die Krallen modellierte sie aus EVA, überzog diese mit Leder. Auf dem verlängerten Schaft formte sie mit einer Heißklebepistole die Echsen-Schuppen, überzog auch diese mit Leder, pinselte sie mit Metallicfarbe Kupfer an.

Die „Crazy Shoes“ ziehen nun die Blicke der Passanten auf sich, werben zugleich für das alte Handwerk und für die Nachhaltigkeit, denn den Hauptumsatz machen Schuhmacher längst mit Reparaturarbeiten. Damit die tierischen Stiefel auch solo im Schaufenster an der Mühlenstraße stehen können, hat Weißenfels Gewichte integriert. Die sind herausnehmbar — für ihren nächsten Auftritt als Drachenlady.

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