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Vor 60 JahrenWie Teenager in Siegburg ihren eigenen Club aufmachten

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Im Top-Ken-Club ging es in den 1960ern hoch her. Die Mitglieder trafen sich jetzt noch einmal in ihrem Partykeller

Im Top-Ken-Club am Siegburger Kleiberg ging es in den 1960ern hoch her. 

Die Mitglieder des Top-Ken-Clubs ließen es in den 60er Jahren krachen: Jetzt trafen sie sich noch einmal in ihrem alten Partykeller am Kleiberg.

Keine Discos, keine erschwinglichen Clubs, kein Dach über dem Kopf, um sich zu treffen: Kurz vor der Wahl klagten Siegburger Jugendliche im Gymnasium Alleestraße Kommunalpolitikern ihr Leid, die auf dem Podium Schulaula Rede und Antwort standen.

Vor 60 Jahren sah das für eine Clique von Siegburger Jungs nicht anders aus, doch die Volksschüler hatten gute Verbindungen: Der Vater von Antonio Casellas erlaubte den Teenagern einen Lagerraum auf seinem Grundstück am Kleiberg für Partys zu nutzen – und für den „Top-Ken Club“ schlug die Geburtsstunde. In dem niedrigen Gewölbekeller mit unter zwei Metern Deckenhöhe sollte es umso höher hergehen. Die Jungs von damals, heute allesamt gestandene Männer im Rentneralter, trafen sich noch einmal vor Ort und ließen die wilden Zeiten bei alten Fotos und Frikadellen Revue passieren.

Es gab kaum Freizeitmöglichkeiten in Siegburg, also suchten sich die Jungs einen Treffpunkt

Casellas hat seine Erinnerungen zu Papier gebracht: „Das Jahr 1965 war eine bewegte Zeit. In der Welt geschahen Dinge, die Geschichte schrieben: Der US-Bombenkrieg gegen Nordvietnam begann, in Indien und Pakistan tobte Krieg, in den USA marschierte die Bürgerrechtsbewegung“, schreibt er. Vergleichsweise beschaulich sei indes das Leben in Siegburg gewesen, ein Ereignis schon, als die Kleinbahn Siegburg–Zündorf, der „Rhabarberschlitten“, durch Busse ersetzt wurde.

Im Top-Ken-Club ging es in den 1960ern hoch her. Die Mitglieder trafen sich jetzt noch einmal in ihrem Partykeller

Die Club-Mitglieder trafen sich jetzt noch einmal in ihrem Partykeller.

„Nach der Volksschule begann für uns gerade der berufliche Werdegang. Freizeitmöglichkeiten gab es kaum, und so suchten wir nach einem eigenen Ort für uns.“ Dann habe er sich an den alten Keller seines verstorbenen Großonkels erinnert, der mit allerlei Dingen gehandelt habe, Kleidung, Flaschen, Kisten und undefinierbaren Krempel. „Heute würde man ihn wohl als Betreiber eines ‚Nachhaltigkeitsunternehmens‘ bezeichnen.“

Wenig Geld, viel Fantasie

Entsprechend vollgestopft sei der vergessene Keller gewesen, der zum Treffpunkt auserkoren wurde. „Mit Schubkarren, Schaufeln und viel Ausdauer machten wir uns ans Werk. Es war mühsam, doch schließlich schafften wir es, den Raum freizulegen.“ Mit wenig Geld, aber viel Fantasie hab man sich an die Einrichtung gemacht.

Mit den Jahren wurde der Raum immer gemütlicher und partytauglicher: „Wir hatten einen Plattenspieler und bauten alte Radios um, um Musik hören zu können“, erinnert sich Casellas im Gespräch. Für Verstärker habe das Geld nicht gereicht. Die Beatles und die Rolling Stones kamen auf den Plattenteller, die Kinks oder Jimi Hendrix und damals schon die Bee Gees. Eine Bar wurde gezimmert, ein Sofa zur beliebten Sitzgelegenheit.

Im Top-Ken-Club ging es in den 1960ern hoch her. Auch im Zoch gingen die Mitglieder mit.

Im Top-Ken-Club ging es in den 1960ern hoch her. Auch im Zoch gingen die Mitglieder mit.

Nicht zuletzt wegen der Plattensammlung wurde eine Alarmanlage installiert: Eingeweihte wussten, dass man die Fußmatte nicht betreten durfte, sonst löste man den Alarm aus und ein grelles Licht ging an. Top Ken, so Casellas, sei eine Anspielung auf den Top Ten Club auf der Hamburger Reeperbahn gewesen, dem die Pilzköpfe aus Liverpool zu Weltruhm verhalfen.       

Ein Höhepunkt sei der Karneval gewesen. Mit einem geliehenen VW-Pritschenwagen und dem Motto „Jeder Hippi muss mal Pipi“ rollte der Club durch die Kaiserstraße – zumindest bis der Wagen einen Platten kam. Ein anderes Mal hieß das Thema: „Die erste Herzverpflanzung in Siegburg“. Metzgergeselle Klemens Quadt brachte ein blutiges Rinderherz als Requisite mit. „Nicht alle fanden das lustig.“

Im späteren Berufsleben profitiert

Antonio Casellas erzählt, er verstehe heute, warum sein Vater den Raum so großzügig zur Verfügung stellte: „Er wollte einfach wissen, wo ich Abends hingehe“. Ausgezahlt habe sich das aber nicht nur durch ungezählte Partystunden bei guter Musik: Der Club mit einem festen Kern von acht bis zehn Mitgliedern sei hervorragend organisiert gewesen, eine Kartei, sogar Mitgliedermarken habe es gegeben. „Wir alle haben davon später im Berufsleben profitiert.“

Viele seien Handwerker geworden, hätten eigene Unternehmen gegründet, drei seien Ingenieure geworden. Casellas selbst war Vorstandsmitglied bei GKN und ist heute noch Vorsitzender des Fördervereins ‚„Wissen schaf(f)t Spass“‘, des Fördervereins für Bildung & Innovation im Rheinland.     

„Freundschaften entstanden – und man munkelt, sogar Ehen“, schreibt Casellas, denn weibliche Gäste waren gerne gesehen. Nach knapp zehn Jahren ging das Licht aus, im alten Clubraum wurde es still. Der Keller sei viel mehr als ein Partykeller gewesen, sagt Casellas heute. „Er war ein Ort der Gemeinschaft, ein Stück Freiheit, und vielleicht auch eine Schule fürs Leben. Noch heute halten viele dieser Freundschaften, die dort entstanden sind.“