Im neuen Rat dürfte die Debatte über die Freigabe der Fußgängerzone für Radler und das E-Roller-Verbot neu aufflammen.
Debatte geht weiterVerärgerung über Radler und Roller in der Fußgängerzone in Siegburg

Die Siegburger Fußgängerzone ist für Radfahrer freigegeben, doch die Regelung ist umstritten.
Copyright: Andreas Helfer
Vieles wird von der rot-grün-gelben Ampel in Siegburg nicht in Erinnerung bleiben: Neben dem gescheiterten Plan, auf dem Brückberg zwei Eisenbahnwaggons für die Jugendarbeit aufzustellen, vielleicht noch die Freigabe der Fußgängerzone für Radfahrer. Doch auch darum könnte es nach der Wahl schlecht aussehen.
Im Wahlkampf distanzierte sich gar der Bürgermeisterkandidat der Grünen Eddy Stanton davon, die Fußgängerzone für Radfahrer freizugeben – wissend, dass er da mit vielen anderen Siegburger Grünen in krassem Widerspruch stand. Das Thema werde zu lasch gehandhabt, Radfahrer und ohnehin verbotene E-Rollerfahrer viel zu wenig kontrolliert. Das wiederum sei schlecht für den Einzelhandel in der Kreisstadt, argumentierte Stanton, der selbst an der Kaiserstraße zwei Modegeschäfte führt.
Viel beschworene Rücksichtnahme
Und tatsächlich: Fußgänger wie Radfahrer wissen, dass es mit der bei Einführung im September 2021 viel beschworenen Rücksichtnahme nicht weit her ist. Radfahrer kurven in zackigem Tempo um Fußgänger herum, andererseits laufen Fußgänger in den Fahrweg, als seien die Radler Luft. E-Roller, obwohl eigentlich verboten, gehören zum Alltag, gerne auch mit zwei Fahrern auf dem schmalen Trittbrett.
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Ein Anwohner der Bahnhofstraße schilderte jetzt gegenüber der Redaktion, wie sie vor der eigenen Haustür beinahe von einem Radfahrer umgefahren wurde, viele Senioren wie sie fühlten sich unwohl und unsicher. Bekannt wurde auch der Fall einer Frau, die sich in der Holzgasse über einen unverhofft auftauchenden Radler so erschreckte, dass sie in der Holzgasse strauchelte und sich die Schulter auskugelte. Vor dem Stadtrat forderte sie ein Fahrradverbot.

Die große Tafel rechts im Bild verdeckt das kleine Verbotsschild für E-Roller.
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Wiesen zur Einführung noch große Plakate auf die Neuerung hin und appellierten, Rücksicht aufeinander zu nehmen, sind die Regelungen in der Stadt heute kaum sichtbar. Zwar hängen unter den großen Schildern zur Fußgängerzone weiße Tafeln mit dem Hinweis „Fahrräder frei“, die Schilder für das E-Roller-Verbot aber sind winzig und werden durch die Hinweistafeln zur Fußgängerzone verdeckt. Immerhin sieht es an der Griesgasse und an der Annostraße besser aus, wo frei stehende Verbotsschilder für die E-Roller nicht zu übersehen sind.
Im Juli vergangenen Jahres war die SPD mit dem Vorstoß gescheitert, einen Ratsbürgerentscheid zu der Freigabe durchzuführen: Erwartungsgemäß scheiterten sie an der schwarz-grünen Mehrheit im Rat. „Soll das Befahren der Fußgängerzone mit Fahrrädern wie bisher ohne Einschränkungen erlaubt bleiben?“sollte die Fragestellung sein, die Debatte werde „zunehmend emotional geführt“ und habe das Potenzial, „die Stadtgesellschaft stark zu polarisieren“.
Feste Wege für Radfahrer festlegen
Ein gutes Jahr später sah das bei einer Podiumsdiskussion des ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrradclub) anders aus: Der Stadtverordnete Andreas Franke erklärte, die SPD stehe uneingeschränkt hinter der Freigabe. Das letzte Wort sprach er damit aber nicht: Fraktionschef Michael Keller sagte auf Anfrage der Redaktion, man werde sich im neuen Rat wohl mit der Frage beschäftigen, wie „feste Wege für die Radfahrer festgelegt“ werden könnten. Ein Befriedung der Situation dürfe aber nicht zu Lasten der Radfahrer gehen.
Jürgen Peter, zweiter Fraktionschef der CDU, schilderte auf dem Podium, an einem Stand in der Innenstadt seien er und seine Parteifreunde von jedem zweiten Passanten auf das Thema angesprochen worden. Eine Mehrheit habe sich gegen die Freigabe ausgesprochen.
Material für Verhandlungen im neuen Stadtrat
Peter zufolge gibt auch in der CDU-Fraktion eine Mehrheit gegen die Freigabe. „Das geht aber nicht gegen Radfahren an sich, sondern gegen die Rücksichtslosigkeit.“ Es dürfe aber kein Verbot geben, ohne über Alternativen nachzudenken. Peter kann sich etwa eine Ringführung um die Fußgängerzone herum vorstellen, die es Radfahrern ermöglichen würde, die Innenstadt zu queren. Die Frage werde mit Sicherheit Material für Verhandlungen im neuen Stadtrat liefern.
In der letzten Sitzung des Rats vor der Wahl kam die Angelegenheit ebenfalls noch einmal aufs Tapet. Peer Groß (Die Grünen, mittlerweile CDU-Mitglied) bemängelte, das große Schild zur Fußgängerzone an der Bahnhofstraße verdecke das kleine Schild zum E-Roller-Verbot, und fragte, warum man das Verbot nicht unterhalb des großen Schilds mit aufnehmen könne. Bürgermeister Stefan Rosemann erwiderte, seines Wissens nach dürfe man das nicht. Er wolle die Frage aber noch einmal klären lassen. Auch er finde das Schild zu klein. Die Lieferfrist für neue, zusätzliche Schilder sei erfahrungsgemäß sehr lang.

E-Roller sind verboten: An der Annostraße ist die Regelung unübersehbar, wird aber immer wieder ignoriert.
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Der Polizei zufolge wird die Zahl der verhängten Verwarnungsgelder in der Fußgängerzone nicht erfasst. Überschaubar ist nach Darstellung von Polizeisprecher Maximilian Reese die Zahl der Unfälle: Im April vergangenen Jahres wurde ein einjähriges Kind leicht verletzt, nachdem es von einem 79 Jahre alten Pedelec-Fahrer angefahren wurde, der zunächst davon gefahren sei, dann aber habe gestellt werden können.
Im April sei eine Radfahrerin am Markt gestürzt, allerdings ohne Fremdeinwirkung. Im Juni habe die Polizei auf dem Markt zum Thema Sicherheit informiert. Dabei sei es um den gefährlichen toten Winkel von Kraftfahrzeugen gegangen, in den Fußgänger und Radfahrer geraten können, aber auch um das Thema E-Scooter. Letztere sollen mit einer Veranstaltung in den Fokus gerückt werden, die noch für dieses Jahr geplant ist.
„In einem gewissen Turnus kontrollieren Polizei und Ordnungsamt zusammen“, erläutert die Pressestelle der Stadtverwaltung auf Anfrage. Dann würden erfahrungsgemäß mal drei, mal vier Verstöße gezählt, allerdings über längere Zeiträume von sechs bis acht Stunden. „Das heißt nicht automatisch, dass alle Radler angepasst fuhren oder sich keine E-Rollerfahrer in der Fußgängerzone befanden, nur können sie beim Anblick der Uniformen und Westen natürlich vom Gas gegangen beziehungsweise abgebogen sein. Dies ist ein generelles Kontrollproblem“, heiße es dazu aus dem Ordnungsamt.
Je nachdem, ob jemand behindert oder gefährdet worden oder es gar zu einem Unfall gekommen sei, würden für Radfahrer 25 bis 40 Euro fällig, für E-Rollerfahrer 15 bis 30 Euro. Neue Schilder seien bestellt und teils aufgestellt, würden nach und nach an allen Eingangsstraßen angebracht. „Des Weiteren finden Verkehrssicherheitsaktionen statt, um zu sensibilisieren.“