Flucht vor dem KriegFamilie aus Odessa kommt provisorisch in Siegburg unter

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Nana Smirnova (Zweite von rechts) reiste durch halb Europa, um ihre Pflegekinder in Sicherheit zu bringen. 

Siegburg – Von Odessa zu Fuß an die Grenze, dann mit einem ehrenamtlichen Helfer im Auto durch Moldawien, Rumänien, Slowakei – und irgendwann Deutschland. So sah sie aus, die lange Reise, die für Nana Smirnova und ihre elf bis 16 Jahre alten Pflegekinder am 26. Februar begann und am Samstag endlich in Siegburg endete. Am Montagabend nahmen sie, Bogdana, Mira, Vlad, Ibrahim und Roman schon an der großen Mahnwache auf dem Markt gegen den Krieg teil, der sie aus ihrer Heimatstadt am Schwarzen Meer vertrieben hatte.

„Wir gehörten zu den ersten, die geflüchtet sind“, schildert die Pflegemutter, die sich vor allem Sorgen um die beiden 16 Jahre alten Jungen machte: Schüsse seien zu hören gewesen, rund um die Stadt sei Gelände vermint worden. „Schlimmeres haben die Kinder zum Glück kaum mitbekommen“, schildert die Ukrainerin.

Waisenkinder und Pflegemutter aus der Ukraine schlafen provisorisch in Siegburg

„Nana hat sehr schnell reagiert“, sagt auch Irene Wiens, Pastorin der Freien Christengemeinde, bei der die Familie zunächst unterkam. Aber dennoch: „Krieg, Krieg, Krieg“, ein anderes Thema gebe es kaum noch, schildert Nana Smirnova. „Alle sind sehr aufgeregt und schlafen schlecht“, schildert sie. „Sie haben es auch ohne Krieg schon schwer gehabt.“

Als Waisenkinder seien sie froh, eine gemeinsame Familie zu haben. Kurz vor der Flucht hatten die sechs noch Großes vor: Sie wollten Videofilme mit verschiedenen Rollen drehen. „Ich bin von Beruf Regisseurin“, schildert die Pflegemutter, sogar das Fernsehen habe berichten wollen.

Die erste Unterkunft ist ein Provisorium: Die Gemeinde schuf Platz und legte Matratzen in einen Gemeinschaftsraum in der Kirche am Turm auf dem Phrixgelände. Warm und nicht einmal ungemütlich ist es in dem Raum, in dem ein Tischkicker steht – aber auf Dauer ist das keine Lösung, schon allein, weil Sanitärräume mit Duschen fehlen.

Optimal für Nana und die fünf Kinder und Jugendlichen wäre eine Wohnung in der Stadt. Ein wenig langweilig sei den Kindern, vor allem den Jungen, die etwas Ablenkung gebrauchen könnten – und dringend für die Schule lernen müssten.

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Die erste Kontaktaufnahme mit der Stadt fand bereits statt, durch zwei Mitarbeiterinnen des Jugendamts. Der städtische Pressesprecher Jan Gerull schildert, wie es jetzt weitergeht: Nachdem sich die Pflegemutter als Vormund vorgestellt habe, werde man Dokumente prüfen und übersetzen lassen. Ziel sei es, „schnell eine adäquate gemeinsame Unterkunft für die Gruppe zu finden und die medizinische Versorgung zu regeln“.

Der elfjährigen Bogdana gefällt es nach den ersten Eindrücken gut in Siegburg: „Sehr sauber“ sei die Stadt, vor einigen Häusern fielen ihr Skulpturen als Dekoration auf. „Das kennen wir bei uns gar nicht.“ Auch den Spielplatz am Michaelsberg fand sie „sehr schön“. Das Meer, so wie in der Hafenstadt Odessa, vermisse sie allerdings. Und Roman (16) überlegt bereits, wie er an ein Fahrrad kommen könnte, um die Gegend zu erkunden.

Laut Stadtverwaltung sind einige Geflüchtete in Siegburg bei Verwandten, Freunden oder Bekannten untergekommen. Die Stadt bittet diese, sich unter 02241/1027000 zu melden. Für Fragen wurde eine E-Mail-Adresse eingerichtet.

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