Aus dem System gefallenViele Obdachlose in Siegburg sind psychisch krank

Lesezeit 3 Minuten
In Troisdorf in einer Nische des Forum wohnt seit Monaten ein Odachloser.

Die Zahl der psychisch kranken Männer und Frauen, die von der Wohnungslosenhilfe des SKM betreut werden, nimmt stetig zu.

Verglichen mit der Restbevölkerung trügen Wohnungslose ein 3,8-fach erhöhtes Risiko für eine psychische Erkrankung.

Früher, so erinnert sich Bert Becker, habe er gesagt, „die Leute gehen auf der Straße kaputt“. Psychisch krank würden Menschen, nachdem sie ihre Wohnung verloren haben. Inzwischen, so der Sozialarbeiter in der Wohnungslosenhilfe des SKM, sehen er und seine Kollegen das umgekehrt. „Viele sind wohnungslos, weil sie psychisch krank sind.“ So oder so: Die Zahl der psychisch kranken Männer und Frauen, die von der Wohnungslosenhilfe des SKM betreut werden, nimmt stetig zu.

Unter denen, die im ersten Halbjahr 2023 die Notschlafstelle Don-Bosco-Haus aufsuchten, seien etwa 35 Prozent „offensichtlich psychisch krank“ gewesen, so Dominik Schmitz. Verglichen mit der Restbevölkerung trügen Wohnungslose ein 3,8-fach erhöhtes Risiko für eine psychische Erkrankung. Schmitz, Becker und ihre Kollegin Varressa Lombardi-Boccia schilderten ihre Erfahrungen bei der Vorstellung des Jahresmagazins 2022.


100 Mitarbeiter, 500 Ehrenamtler

Der SKM – Katholischer Verein für soziale Dienste im Rhein-Sieg-Kreis – hat 100 hauptamtlich Beschäftigte. Etwa 500 Menschen engagieren sich ehrenamtlich. Das Jahresmagazin stellt ihre Arbeit in unterschiedlichen Fachbereichen vor, nennt Zahlen und Probleme. In diesem Jahr wurde es erstmals digital erstellt. „Leider“, so die Vorstandsvorsitzende Monika Bähr, „ist unsere Homepage derzeit nicht erreichbar“ – wie alle Internetseiten des Erzbistums Köln, die auf einem Server in Bayern gehostet werden. Bis zur Wiederherstellung der Internetpräsenz könne das Jahresmagazin in Papierform in der Geschäftsstelle, Bahnhofstraße 27 in Siegburg, abgeholt werden. Interessenten, die eine Mail schicken, werden informiert, wenn die Seite wieder erreichbar ist. skm@skm-rhein-sieg.de


Seit Jahren schon, so berichteten sie, steige der Anteil psychisch erkrankter Menschen in ihrer Klientel. Oft fehle den Betroffenen die Einsicht in ihre Erkrankung. In den Obdachlosenunterkünften sorgten sie oft durch auffälliges Verhalten für Unruhe, Mehrbettzimmer sind für sie kaum zu ertragen. Während die Beschäftigten in der Wohnungslosenhilfe bei akuten Erkrankungen immer wieder an ihre Grenzen stoßen, ist medizinische Hilfe aber nur schwer zu leisten, wenn die Erkrankten keinen festen Wohnsitz haben.

„Wir sind mit denen befasst, die aus dem System rausfallen“, so Becker. Es sind Erfahrungen, die Varressa Lombardi-Boccia teilt. Sie macht aufsuchende Arbeit in den Obdachlosenunterkünften Hennef und Lohmar, besucht aber auch Menschen, die zum Beispiel im Wald oder auf einem Friedhof leben. „Ich habe für einen Klienten einen Antrag auf Betreuung gestellt“, erzählte sie am Mittwoch. „Die Frage ist, ob er zustimmt.“

In einem anderen Fall gebe es schon einen Betreuer, aber auch dem seien „die Hände gebunden“. „Die Herausforderungen in der Wohnungslosenhilfe haben sich verändert“, unterstrich die SKM-Vorstandsvorsitzende Monika Bähr. Und das alles vor dem Hintergrund einer für die Klientel zunehmend aussichtslosen Lage auf dem Wohnungsmarkt.

Immerhin 16 Personen werden demnächst Apartments in einem Haus des SKM an der Siegburger Luisenstraße beziehen. „Ein Tropfen auf den heißen Stein“, so Bähr. Das Ideal einer Unterbringung für die psychisch Erkrankten gibt es bislang nur im Kopf der Sozialarbeiter aus der Wohnungslosenhilfe: Ein Haus mit Einzelzimmern und einer fachlich geschulten, intensiven Betreuung.

KStA abonnieren