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Sterbehilfe-Urteil„Ein schwer kranker Hund wird erlöst, aber ein Mensch muss leiden?“

Lesezeit 3 Minuten
Sterbefasten1

Angelika Grosch mit ihrem Mann Klaus

Troisdorf – Die Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht Münster, in der über den Zugang zu einem todbringenden Mittel für schwerst kranke Patienten ging, hat Angelika Grosch am Mittwoch gebannt verfolgt. Als die Richter am Nachmittag urteilten, schwerkranke Patienten mit Sterbewunsch hätten kein Anrecht auf ein todbringendes Medikament, da musste sich Angelika Grosch erst einmal setzen.

Ihr Mann klagte den Staat in seiner Todesanzeige an

„Wenn ich als Schwerstkranker zu einem Arzt gehe und bitte, dass er mir hilft, muss doch eine Gesetzeslage geschaffen werden, die sicherstellt, dass Ärzte nicht anschließend belangt werden“, sagt die Witwe von Klaus Grosch. 2019 hatte der ehemalige Bundeswehrsoldat, der an der Nervenkrankheit amyotrophe Lateralsklerose (ALS) litt, durch Sterbefasten sein Leben beendet, weil das Bundesinstitut seinen Antrag auf Erlaubnis zum Kauf des todbringenden Medikaments Natrium-Pentobarbital abgelehnt hatte. In seiner Todesanzeige hatte er den Staat angeklagt, „der es mir verweigert hat, in Würde zu sterben“.

Geklagt hatten drei Schwerkranke

Drei schwerkranke Menschen waren vor das Oberverwaltungsgericht in Münster gezogen, um den Zugang zu Natrium-Pentobarbital zu erlangen, um sich damit selbst zu töten. Sie klagten gegen das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn, das diesen Wunsch ablehnte.

Der älteste Kläger ist 77 Jahre alt, stammt aus dem Landkreis Lüneburg und leidet an Krebs und einer Herzerkrankung. Ein Kläger aus der Pfalz ist 51 Jahre alt und hat seit mehr als 20 Jahren Multiple Sklerose. Der Mann ist von den Schultern abwärts gelähmt und muss rund um die Uhr betreut werden. Eine 68-jährige Klägerin aus dem Landkreis Schwäbisch Hall hat Krebs und weitere multiple Erkrankungen.

In der ersten Instanz wies das Verwaltungsgericht Köln die Klagen nach einem Zwischenschritt zum Bundesverfassungsgericht ab. (seb)

Das Thema lässt seine Witwe nicht los: „Das muss in die Öffentlichkeit, das geht uns alle an. Ein schwer kranker Hund wird erlöst, aber ein Mensch muss furchtbar leiden?“ Ruhelos sei ihr Mann durchs Haus gelaufen, habe überlegt, welchen Ausweg es für ihn gebe.

„Er hat überlegt, sich im Kirschbaum aufzuhängen und dann zu mir gesagt: »Aber das kann ich ja nur machen, wenn du bei der Chorprobe bist«“, erinnert sie sich. „Ist es nicht schrecklich, sich solche Gedanken zu machen?“

Antrag für einen Tod in Würde war Klaus Grosch wichtig

Viel der so wertvollen letzten Lebenszeit habe ihr Mann mit der Suche nach einer Lösung für sein selbst bestimmtes Sterben verwenden müssen. Dabei hatte er sich früh schon in Absprache mit seinem Hausarzt an das Bundesinstitut gewandt, obwohl er bereits ahnte, dass sein Ansinnen abgelehnt werden würde.

Doch sei ihm wichtig gewesen, die Möglichkeit eines würdevollen Todes zu beantragen. „Mein Mann hätte nur noch als Hülle existiert, nicht mehr essen, nicht trinken, sich nicht mehr bewegen – das ist doch kein Leben!“

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Das 2020 gefällte Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass jeder Mensch ein Grundrecht auf den selbst bestimmten Tod hat, werde einen Wendepunkt markieren, hatte Angelika Grosch gehofft. Nach dem jetzigen Urteil sieht sie das Ansinnen zurückgeworfen.

Nachvollziehen kann sie die Entscheidung der Richter nicht: „Was glauben die denn? Dass jetzt 1000 Anträge kommen? Dass Menschen sich aus einer Laune heraus das Leben nehmen wollen? Jeder hängt doch am Leben, auch Schwerstkranke. Es geht doch darum, zu wissen, dass man diesen Ausweg hat. Es geht darum, beruhigt zu sein.“

Gemeinsam mit Palliativmedizinern und Hausärzten könnte ein Gutachten als Grundlage für die Erteilung des Medikaments erstellt werden, davon ist sie überzeugt. „Viele Ärzte haben doch noch Empathie und wollen helfen.“

Seit dem Tod ihres Mannes ist sie in der Troisdorfer Trauergruppe aktiv. Auch in anderen Vereinen spricht sie das Thema des selbst bestimmten Sterbens immer wieder an: „Das muss in die Öffentlichkeit! Aber für die meisten Menschen ist es einfach zu weit weg, die haben ihren Partner ja noch.“