Der 43-Jährige verlor nach Schicksalsschlägen die Kontrolle über sein Leben. Er möchte sich in Zukunft beruflich neu orientieren.
Auf erneute Strafe verzichtetÜberforderter Troisdorfer Anwalt behielt wiederholt Ermittlungsakten ein

Ein Anwalt liest ein Gesetzesbuch und macht sich dabei Notizen. (Symbolfoto)
Copyright: Getty Images
Wenn Menschen Post nicht mehr öffnen und nicht mehr zur Arbeit gehen, dann ist das meist nicht strafbar. Ein Troisdorfer Rechtsanwalt wurde jetzt zum Fall für die Staatsanwaltschaft, weil er wichtige Akten nicht zurückschickte.
Der 43-Jährige, zwischenzeitlich mit Haftbefehl gesucht, saß nun angeklagt wegen „Verwahrungsbruchs“ vor dem Amtsgericht. Sichtlich nervös, erklärte er mit leiser Stimme seine Lage. Ihm sei schon seit längerem alles über den Kopf gewachsen, es gab private Schwierigkeiten, seine Mutter starb, er wurde Vater, seine Beziehung zerbrach. Er arbeitete nur noch sporadisch, bezahlte Rechnungen nicht mehr, die Schulden häuften sich.
Seit 2020 wiederholt Aktein einbehalten
Aktuell versuche er mit seinem Rechtsanwalt, das Chaos aufzuarbeiten. „Es ist gut, dass Sie sich heute der Sache stellen“, betonte Richterin Dr. Alexandra Pohl. Denn dem Angeklagten wurde bereits in einer ähnlichen Angelegenheit der Prozess gemacht, da er zur Hauptverhandlung nicht erschien, erging per Strafbefehl eine Geldstrafe über 90 Tagessätze. Erst ab einer Höhe von 91 Tagessätzen findet eine Strafe Eingang ins polizeiliche Führungszeugnis.
Seit September 2020 hatte er wiederholt Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft, die ihm als Verteidiger zur Akteneinsicht übersandt worden waren, behalten. Bei einer Durchsuchung fand die Polizei die Schriftstücke in seinen Räumen. Dazu Packen ungeöffneter Post, darunter Rechnungen von Rechtsanwälten. Er schäme sich, sagte der 43-Jährige. Wie und wo es weitergehen solle, wisse er nicht so recht. „Das Haus ist auf jeden Fall weg.“
Angeklagte möchte sich beruflich neu orientieren
Ärztliche Hilfe habe er noch nicht beansprucht, antwortete er auf die Fragen der Staatsanwaltschaft. „Es gibt Menschen, die morgens nicht mehr aus dem Bett kommen, eine Depression ist eine ernst zunehmende Krankheit“, erklärte sein Verteidiger. Die Richterin ergänzte: „Wegen einer Krankheit muss man sich nicht schämen.“ Er wolle wieder arbeiten, „aber nichts mit Jura und auch nichts am Schreibtisch“, sagte der Angeklagte.
Seine Zulassung als Rechtsanwalt sei ihm bereits entzogen worden, „dagegen habe ich mich nicht gewehrt“. Das Gericht sah in diesem besonderen Fall eine Freiheitsstrafe auf Bewährung nicht als zielführend an, der 43-Jährige müsse nicht von weiteren Straftaten abgehalten werden. Eine Geldstrafe habe angesichts der hohen Verschuldung ebenfalls keinen Sinn. Für die noch offene Geldstrafe will er Ratenzahlung beantragen.