FlutkatastropheÜberlastete PCR-Labors verzögern Wiederaufbau in Rheinbacher Gemeinde

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Der Wiederaufbau läuft in der Kirchengemeinde St. Martin Rheinbach mit Verzögerungen. 

Rheinbach – „So langsam müsste es doch weitergehen. Warum passiert da nichts?“ Mit solchen Fragen haben es Verwaltungsleiter Rainer Lützen und Baukoordinator Günter Spittel von der katholischen Kirchengemeinde St. Martin in Rheinbach derzeit häufig zu tun. Sie bitten um Geduld, mehr als 20 Gebäude im Besitz der Pfarrei wurden durch die Flutkatastrophe beschädigt.

Hinzu kommen noch etwa zehn Gebäude in den katholischen Kirchengemeinden Meckenheim und Swisttal, von denen einige leicht, andere aber total beschädigt sind. Auch für deren Wiederaufbau ist Spittel im Auftrag des Erzbistums zuständig.

Der Baukoordinator erläutert im Jugendzentrum Live St. Martin, warum es nicht so schnell weitergeht, wie sich das manche Gemeindemitglieder wünschen: „In den ersten Wochen sah man schon im Vorbeigehen, dass gearbeitet wird.“ Böden, Estrich, Wandbeläge, Elektro- Heizungs- und Wasserinstallationen seien entfernt und entsorgt worden.

Die Ausräumarbeiten übernahmen zunächst eigene Mitarbeiter sowie freiwillige Helfer, später kamen ehrenamtliche Fachkräfte von Bauhöfen der Städte und Gemeinden im Landkreis Dahme-Spreewald in wechselnden Teams und erledigten den Hauptteil der Abrissarbeiten. Seitdem herrsche nach außen hin Ruhe.

Strenge Auflagen müssen respektiert werden

„Doch der Schein trügt“, sagt Lützen: Anders als im privaten Bereich unterlägen öffentliche Einrichtungen härteren Anforderungen an Hygiene und Sicherheit. Die Trocknung der Wände und des Bodens müsse etwa gemessen und nachgewiesen werden. Anhand einer Feinreinigung und Desinfektion der Räumlichkeiten müsse zudem sichergestellt werden, dass sämtliches belastetes Material vollständig entfernt worden und auch nachhaltig kein Schimmelbefall mehr zu erwarten sei.

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Der Kindergarten St. Ursula musste bis auf den Rohbau entkernt werden.

Erst eine Freimessung, die von zertifizierten Laboren durchgeführt und analysiert werden müsse, bestätige die erfolgreiche Reinigung. „Leider sind das die gleichen Labors, die derzeit die PCR-Tests im Rahmen der Corona-Pandemie durchführen. Da bleiben unsere Freimessungen schonmal einige Wochen liegen“, erklärt Spittel.

In dieser Zeit sei für den Passanten nichts von einem Baufortschritt erkennbar, weil vor dem Okay der Labors keine Arbeiten verrichtet werden dürften. So gingen mitunter Wochen oder gar Monate ins Land. „Je nach Lage und Bausubstanz ist allein die Trocknung ein entscheidender Faktor für die Einhaltung eines Bauzeitplans, so wie man sich das unter normalen Bedingungen gewünscht hätte“, schildert Spittel.

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Dennoch werde keine Hochzeit, keine Taufe und keine Beerdigung ausfallen, versprach Lützen, wies aber zugleich auch die sozialen Auswirkungen der Flutkatastrophe hin: „Alle reden immer nur über die Gebäude, aber was macht das mit den Menschen, die sich hier immer getroffen haben?“

„Jeden Tag neue Hiobsbotschaften“

Wenn es um den Baufortschritt geht, spielen jedoch nicht nur bautechnische Gründe eine Rolle. „Jeden Tag gibt es neue Hiobsbotschaften“, bedauert Spittel. Gerade in historischen Gebäuden wie Kirchen seien oftmals denkmalschutzrechtliche Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen. Historische Kunstgegenstände wie aus Holz geschnitzte Figuren seien ebenso empfindlich wie Gemälde oder Kirchenorgeln.

Gerade in den Wintermonaten müssten sie die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit in diesen Gebäuden überwachen und steuern. „Das ist ein fast nicht zu bewältigendes Unterfangen, wenn die Heizung vom Wasser zerstört wurde und die Installation einer Ersatzanlage Monate in Anspruch nimmt“, beschreibt Lützen.

In dieser Zeit überwachen Restauratoren den Zustand der zu schützenden Gegenstände. „Schnell hat sich Schimmel auf den Oberflächen gebildet, der mit erheblichem Aufwand fachgerecht beseitigt werden muss.“

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In rund 20 Gebäuden der katholischen Rheinbacher Kirchengemeinde St. Martin läuft der Wiederaufbau. 

Dennoch sind beide zuversichtlich, dass in der ersten Jahreshälfte vor allem die Schäden in kleineren Gebäuden behoben sein werden. Andere würden aus unterschiedlichen Gründen noch auf sich warten lassen. Lützen betont: „Allen, die sich bislang in Geduld üben mussten, sei versichert: Da passiert was, und es geht weiter!“

Pfarrkirche St. Martin

Die Krypta der Rheinbacher Pfarrkirche war erst im März 2021 nach aufwendiger Sanierung fertiggestellt worden. Das Wasser, das bei der Flut fast bis zur Decke stand, zerstörte die Einrichtung vollständig. Die neuen Böden mussten herausgerissen und die neue WC-Anlage vollständig ersetzt werden.

Kinder- und Jugendzentrum Im „Live St. Martin“ wurden Keller und Erdgeschoss total zerstört. Die Abrissarbeiten im Bereich der Kegelbahn laufen noch, erst danach könne mit dem Wiederaufbau begonnen werden. Mit der Fertigstellung sei in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen. Die Jugendarbeit wurde ausgelagert in die Räume der Pfadfinder in der Mozartstraße.

Kindergarten St. Ursula

Die Kindertagesstätte in Flerzheim musste den Betrieb komplett einstellen. Die Gruppen wurden von zwei kirchlichen Kitas in Rheinbach aufgenommen. Das Gebäude musste komplett entkernt und die Heizung, alle Wasser- und Stromleitungen, der Estrich und der Putz abgerissen werden.

Letztlich stand ein Rohbau aus Fenstern, Wänden und einem Dach da. Nach Gebäudetrocknung, Feinreinigung und Desinfektion sowie Freimessung begann der Wiederaufbau. Zurzeit arbeiten die Fliesenleger an den Sanitäranlagen, im Hausflur und in der Küche. Spittel hofft, dass die Kinder Anfang Mai in einen neuen Kindergarten zurückkehren. Bis dahin werde auch die beschädigte Außenanlage in weiten Teilen erneuert oder ausgebessert.

Öffentliche Bücherei

Durch einen Wassereinbruch im Untergeschoss der Bücherei St. Martin wurden mehr als 2200 Medien zerstört, alle Regale und weitere Einrichtungsgegenstände, Veranstaltungsmaterialien und ein Büroraum wurden unbrauchbar. Seit August ist das Angebot der Bücherei auf die Räumlichkeiten im Erdgeschoss beschränkt, wo auch ein Teil der Romane und Jugendmedien, die gerettet werden konnten, zur Ausleihe bereitstehen.

Ein größerer Teil des Bestandes wurde ausgelagert. Die Bücherei erhielt Buchspenden von der „Buchwunschliste Ersatz für ertrunkene Bücher“ und auch finanzielle Spenden unter anderem von anderen Büchereien und Privatpersonen.

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