Erstes Verfahren gegen Ex-PräsidentenDas erwartet Donald Trump im Fall einer Anklage

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Anti-Trump demonstrators protest outside the Manhattan District Attorney's office in New York City on March 21, 2023

Davon träumen Trumps Gegner (hier bei einer Demonstration in New York). Doch so schnell wird der Ex-Präsident nicht hinter Gittern landen.

Das Verfahren gegen Trump ist beispiellos in der amerikanischen Geschichte. Doch eine spektakuläre Festnahme mit Handschellen wird es wohl nicht geben.

Der Mann wird von Polizeibeamten gepackt und zu Boden geworfen. In Handschellen wird er abgeführt. Später sitzt er einsam in einem orangefarbenen Häftlingsanzug in einer Gefängniszelle. So sieht es auf den täuschend echt gefälschten Bildern aus, die Gegner und Gegnerinnen oder Anhängerinnen und Anhänger von Donald Trump ins Netz stellen, seit der Ex-Präsident für den gestrigen Dienstag seine Verhaftung ankündigte.

Tatsächlich ist Trump am Dienstag nicht festgenommen worden. Doch seine Anklage in Manhattan scheint unmittelbar bevorzustehen. Es wäre das erste Strafverfahren gegen einen ehemaligen Präsidenten in der US-Geschichte. Entsprechend groß ist die Aufmerksamkeit, die von Trump mit zweideutigen Protestaufrufen politisch aufgeheizt wird. Aber das Verfahren wird wahrscheinlich anders ablaufen, als es die mit künstlicher Intelligenz erstellten Deepfakes in den Onlinemedien suggerieren.

Die Arbeit der Grand Jury ist praktisch abgeschlossen

Nach amerikanischen Medienberichten steht die 23-köpfige Grand Jury, die über die Eröffnung des Prozesses entscheiden muss, kurz vor dem Abschluss ihrer Arbeit. Der Bezirksstaatsanwalt von Manhattan, Alvin Bragg, hat den Geschworenen seine Beweise vorgelegt und Zeuginnen und Zeugen vernehmen lassen. Das Gremium tagt dreimal in der Woche – montags, mittwochs und donnerstags – am amerikanischen Nachmittag. Angeblich soll am heutigen Mittwoch noch ein letzter Zeuge gehört werden. Danach könnte Bragg die Jury zur Abstimmung auffordern. Votiert eine Mehrheit dafür, wird offiziell Anklage gegen Trump erhoben.

Bei dem bevorstehenden Verfahren geht es weder um die massiven Versuche des Ex-Präsidenten, das Ergebnis der Präsidentschaftswahl 2020 zu manipulieren, noch um das Beiseiteschaffen von geheimen Regierungsunterlagen aus dem Weißen Haus beim Ausscheiden aus dem Amt ein paar Wochen später. Diese Vorgänge werden von einer Staatsanwältin in Georgia und einem Sonderermittler des Justizministeriums separat verfolgt. Im Zentrum des möglichen Prozesses in Manhattan steht die vergleichsweise nebenrangig erscheinende Schweigegeldzahlung an die Pornodarstellerin Stormy Daniels im Wahlkampf 2016.

Eine verhängnisvolle Affäre kurz nach der Hochzeit mit Melania

Unstrittig ist, dass Trumps damaliger persönlicher Anwalt Michael Cohen an Daniels 130.000 Dollar zahlte, damit sie während des Wahlkampfes keine Details über ihre Affäre mit dem damals frischverheirateten Trump bei einem Golfturnier zehn Jahre zuvor veröffentlichte. Cohen stellte Trump den Betrag später in Rechnung, der einen Scheck über die Summe unterschrieb. Die Ausgabe verbuchte er als Anwaltskosten.

Diese Fehlbuchung steht im Mittelpunkt des Verfahrens. Sie könnte mit einer Haftstrafe bis zu vier Jahre geahndet werden, wenn das Gericht befindet, dass Trump die Buchhaltung fälschte, um ein anderes Verbrechen zu verdecken. Als dieses andere Verbrechen, unken Beobachterinnen und Beobachter, könnte Staatsanwalt Bragg einen Verstoß gegen die Transparenzgesetze zur Kampagnenfinanzierung präsentieren, da der damalige Kandidat die seinem Wahlkampf dienende Zahlung vertuschte.

Keine Festnahme im Morgengrauen

Die genauen juristischen Vorwürfe sind ebenso wie der Ablauf des Verfahrens noch unklar. Sollte die Jury zugunsten der Anklage entscheiden, würde sich nach Einschätzung amerikanischer Rechtsexpertinnen und -experten die Staatsanwaltschaft wohl mit dem Secret Service und den Anwälten von Trump in Verbindung setzen. Beobachterinnen und Beobachter rechnen nicht damit, dass das FBI im Morgengrauen bei Trumps Anwesen Mar-a-Lago in Florida vorstellig wird und den Ex-Präsidenten in Handschellen abführt. Als wahrscheinlich gilt eher, dass Trump sich freiwillig stellt, was einige Tage dauern könnte.

Dann würde er wahrscheinlich seine Privatmaschine in Florida besteigen und nach New York fliegen, wo er sich am Criminal Courts Building im Süden Manhattans melden müsste. Aus Sorge vor Demonstrationen und möglicherweise gewalttätigen Unruhen wurden die Sicherheitsvorkehrungen in der Millionenmetropole wie auch in der Hauptstadt Washington bereits massiv verstärkt und das Justizgebäude mit einem Zaun abgeriegelt.

Im Büro des Staatsanwalts müsste Trump dann wie jeder Angeklagte seine Fingerabdrücke abgeben. Auch würde ein Foto – der berüchtigte „Mug Shot“ – von ihm gemacht. Gewöhnlich werden den mutmaßlichen Straftätern dabei Handschellen angelegt. Expertinnen und Experten halten es für denkbar, dass man bei Trump darauf ebenso wie auf die zwischenzeitliche Unterbringung in einer Zelle verzichtet. Der Ex-Präsident würde weiter zum Gerichtssaal geführt, wo ihm die bis dahin versiegelte Anklageschrift vorgelesen wird. Offensichtlich möchten die Behörden einen „Medienzirkus“ vermeiden. Nach einem Bericht der „New York Times“ käme Trump eine Inszenierung als trotziges Opfer hingegen sehr gelegen.

Da Trump keine Gewaltverbrechen vorgeworfen werden und die Fluchtgefahr angesichts seiner erneuten Präsidentschaftskandidatur als eher gering gilt, wird er mutmaßlich anschließend das Gericht verlassen dürfen. Er könnte wohl noch am selben Tag nach Florida zurückkehren. Bis zur eigentlichen Verhandlung können Monate vergehen, während derer seine Anwälte versuchen dürften, das Verfahren zu torpedieren. Die Präsidentschaftskandidatur kann davon unberührt weiterlaufen.

Hälfte der US-Bevölkerung sieht politische Motivation hinter Trump-Verfahren

Völlig offen ist, ob Trump am Ende verurteilt wird. Er selbst behauptet, „keine Straftat irgendeiner Art“ begangen zu haben und bepöbelt den afroamerikanischen Staatsanwalt Bragg als „Rassisten“, Handlanger des Philanthropen George Soros und linksradikaler Aktivisten. Tatsächlich gilt der Jurist trotz seiner Zugehörigkeit zur demokratischen Partei als wenig interessiert an politischen Ränkespielen. Den Stormy-Daniels-Fall wollte er nach seinem Amtsantritt Anfang 2022 zunächst gar nicht weiterverfolgen. Unabhängige Beobachter halten die mutmaßliche juristische Argumentation noch immer für riskant. Der 49-jährige Chefermittler aber scheint sich seiner Sache inzwischen sicher zu sein.

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