Heftige Kritik an Spritztour vor KrankenhausPräsident Trumps bizarre Corona-Parade

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Trump Corona Tour

US-Präsident Donald Trump winkt seiner Gefolgschaft zu.

  • Trotz seiner Covid-Erkrankung und schwerer medikamentöser Behandlung floh der US-Präsident am Sonntag für eine Spritztour aus dem Krankenhaus.
  • Mediziner sind empört und fordern, den prominenten Bettflüchter auf seinen Geisteszustand zu untersuchen.

Washington – Die Sonne über dem Walter-Reed-Krankenhaus war noch nicht aufgegangen, als der prominente Patient in seiner Sechs-Zimmer-Suite akutes politisches Herzrasen verspürte. „Recht und Ordnung! Wählen“, twitterte er oder ein Mitarbeiter um kurz nach sechs Uhr. Es folgte eine Tirade von 15 weiteren Kurznachrichten mit knappen Slogans. „Pro Life (gegen Abtreibung)! Wählen!“, hieß es da und: „91 Prozent Zustimmungsrate! Wählen!“

Trotz der knappen Sprache war die Botschaft klar: Donald Trump mag mit dem Covid-Virus infiziert sein. Aber die Show geht weiter. Von Anfang an hat der Präsident mit seinen PR-Helfern die lebensbedrohliche Erkrankung fürs Fernsehen inszeniert.

Und da gibt es nichts Wichtigeres als Bilder. Gerade einmal 24 Stunden war der einstige Reality-TV-Star in der Klinik, als er sich mit einem ersten Video zu Wort meldete. Er hatte gerade einen experimentellen Antikörper-Cocktail und das Ebola-Medikament Remdesivir bekommen und – wie man inzwischen weiß – ein paar Stunden zuvor so ernste Atemprobleme gehabt, dass ihm Sauerstoff zugeführt werden musste. „Mir geht es gut. Ich werde bald zurück sein und freue mich, den Wahlkampf abzuschließen“, verkündete er. Tags darauf veröffentlichte das Weiße Haus zwei Fotos, die den Präsidenten in verschiedener Kleidung und unterschiedlichen Positionen scheinbar bei der Arbeit zeigten – auch dies ein Zeichen für „business as usual“. Tatsächlich waren die Aufnahmen im Abnstand von zehn Minuten gemacht worden, und bei genauem Hinsehen konnte man erkennen, dass der Patient lediglich seinen Namen auf ein weißes Blatt Papier schrieb. Doch Schwäche zeigen gilt in Trumps narzisstischer Macho-Welt als Todsünde. Das Publikum muss bei Laune und das Selbstbild vom Supermann kultiviert werden. Exakt vier Jahre ist es her, dass bei der damaligen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton eine Lungenentzündung diagnostiziert wurde.

Im Netz kursiert ein Video, wie Trump seine politische Gegnerin damals mit hängenden Schultern und Grimassen karikierte. Im aktuellen Wahlkampf hat er sich immer wieder über „den schläfrigen Joe Biden“ und „Niedrigenergie-Joe“ lustig gemacht. Da darf er sich nicht von einem Virus unterkriegen lassen, schon gar nicht, wenn es aus China kommt. Also stellte Trump am Sonntagnachmittag ein neues Video ins Netz. Wer ernsthaft geglaubt hatte, der Mann, der die Corona-Pandemie seit Monaten heruntergespielt und sämtliche Vorsichtsmaßnahmen im persönlichen Umfeld abgelehnt hatte, werde durch die Erfahrung der eigenen Verwundbarkeit vielleicht geläutert, wurde eines Schlechteren belehrt.

Trump erschien wie aufgeputscht

Kein Wort zu dem enorm hohen Ansteckungsrisiko oder zur Notwendigkeit, eine Maske zu tragen. Stattdessen die übliche Ego-Show. Inzwischen hatten die Ärzte dem Patienten zusätzlich das Steroid Dexamethason verabreicht, das aufputschend wirken soll. Diesen Effekt hatte es bei Trump offensichtlich.  

Wie ein Entertainer im Raum stehend berichtete der 74-Jährige, er habe in den vergangenen Tagen seines Klinikaufenthalts viel über Covid-19 gelernt: „Darüber werde ich Sie noch informieren.“ Wie leicht das Virus zu übertragen ist, hat er offenbar nicht kapiert. „Ich habe noch eine kleine Überraschung für die vielen Patrioten, die draußen auf der Straße stehen“, kündigte er nämlich an.

Kurz darauf rollte sein schwarzer Suburban über die Straße vor der Klinik, auf deren Bürgersteigen seit Freitag ein paar Dutzend Hardcore-Fans mit Fahnen und Plakaten stehen. Die Menge jubelte und schwenkte ihre Trump-Flaggen. Trump saß mit einer Maske hinter der geschlossenen Scheibe und genoss die Parade.

Nach einer halben Stunde war der prominente Bettflüchter wieder zurück auf der Station. Seine Anhänger waren glücklich. Das Fernsehen hatte surreale Bilder. Außerhalb seiner Fangemeinde kam die bizarre Spritztour freilich weniger gut an. 

Trump Corona Tour

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Heftige Kritik für Trumps Bad in der Menge

Viele Kritiker wiesen auf das Risiko hin, dem Trump den Fahrer und den Beifahrer vom Secret Service ausgesetzt hat, die beide Schutzanzüge und Masken zu tragen schienen. Wegen der luftdichten Abdichtung des gepanzerten Fahrzeugs gegen mögliche chemische Attacken sei das Risiko einer Infektion drinnen so hoch wie nirgendwo außerhalb des OP-Saals, empörte sich James Phillipps, der als Notarzt am Walter-Reed-Krankenhaus arbeitet. Die anderen Insassen „können krank werden. Sie können sterben“, twitterte der Mediziner: „Für politisches Theater. Das ist krank!“

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Harte Worte fand auch Medizinprofessorin Leana Wen von der renommieren George-Washington-Universität in der Hauptstadt: „Wenn Donald Trump mein Patient wäre und in instabiler Verfassung mit einer ansteckenden Krankheit plötzlich das Krankenhaus für eine Spritztour verließe, die ihn und andere gefährdet, würde ich den Sicherheitsdienst rufen und dann eine psychiatrische Untersuchung seiner Urteilsfähigkeit vornehmen“, erklärte die Professorin.  

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