Giorgia MeloniItaliens Königin der Rechten und das Erbe des Duce

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Giorgia Meloni in der Nacht auf Montag.

Rom – Die Ministerlisten waren längst fertig, die Umfragen haben es schon länger vorhergesehen: Giorgia Meloni hat mit ihrer Fratelli die Parlamentswahl in Italien gewonnen. Prognosen und ersten Hochrechnungen zufolge ist die Partei stärkste Kraft wurden und hat sich im Vergleich zu 2018 erheblich verbessert.

Meloni sieht den Regierungsauftrag beim rechten Lager unter Führung ihrer Partei, wie sie am frühen Montagmorgen in Rom sagte. „Italien hat uns gewählt.“ Sie sprach von einer „Nacht des Stolzes“.

Die temperamentvolle Politikerin, die im Rechtslager beim Sturz Draghis im Hintergrund die Fäden zog, hat aus ihrer Sicht in den letzten Jahren alles richtig gemacht. Nach den von der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der fremdenfeindlichen Lega gewonnenen Parlamentswahlen im Jahr 2018 war sie von Beginn an in die Opposition gegangen.

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Jubelnde Anhänger der Fratelli d'Italia.

Diese Strategie zog sie bis heute durch – nach der Einsetzung von Draghis Regierung der nationalen Einheit waren die Fratelli d‘Italia die einzige verbliebene Oppositionspartei mit Gewicht. Auf diese Weise leitete sie den Unmut aller Rechtswähler, die mit Draghi und den beiden Regierungsparteien Lega und Forza Italia unzufrieden waren, auf ihre eigenen politischen Mühlen.

100 Jahre nach Benito Mussolini

Genau hundert Jahre nach Benito Mussolinis Marsch auf Rom und seiner Machtergreifung am 30. Oktober 1922 wird also wahrscheinlich eine Persönlichkeit die Regierung übernehmen, die ihre gesamte politische Karriere im Dunst der verschiedenen postfaschistischen Parteien und Gruppierungen aufgebaut hat.

Aufgewachsen im „roten“ Römer-Arbeiterquartier Garbatella war Giorgia Meloni schon im Alter von 15 Jahren der Fronte della Gioventù („Jugendfront“) des Movimento Sociale Italiano (MSI) beigetreten.

Später politisierte sie in der Alleanza Nazionale von Gianfranco Fini, der die Postfaschisten auf die Demokratie verpflichtet und regierungsfähig gemacht hatte. Im Jahr 2008 wurde Meloni unter Silvio Berlusconi im Alter von 31 Jahren Jugend- und Sportministerin.

Zu ihren Sympathisanten zählen Duce-Nostalgiker und ehemalige neofaschistische Schläger; an ihren Wahlkampfauftritten ist regelmäßig der „römische Gruß“ zu sehen, der dem Hitlergruß in Nazideutschland entspricht. Meloni selber gibt sich dagegen als moderne und emanzipierte Frau und Mutter, die mit den ewiggestrigen Mussolini-Anhängern wenig gemein hat und mit beiden Füssen auf dem Boden des demokratischen Rechtsstaates steht.

Geeint: Giorgia Meloni, Silivio Berlusconi und Matteo Salvini

Aber so richtig distanzieren mag sie sich von der Vergangenheit nicht: „Bei den Fratelli d‘Italia gibt es keinen Platz für Rassisten, Antisemiten und Neonazis“, erklärte sie unlängst. In der Aufzählung der Unerwünschten fehlen nicht zufällig die Faschisten, die eben sehr wohl Platz haben. Zum Faschismus sagt sie bloß, dieser müsse „im Kontext der Geschichte gesehen werden“.

Zu den Stärken Melonis zählt eine gewisse politische Gradlinigkeit: Sie ändert, im Unterschied zu ihren Bündnispartnern Salvini und Berlusconi, ihre Positionen nicht mit jeder neuen Umfrage. Dies zeigte sich etwa beim Angriff Russlands auf die Ukraine: Die Trump-Verehrerin Meloni war schon vor dem Krieg eine überzeugte Atlantikerin, und sie blieb es auch, als in Italiens Bevölkerung die ersten Zweifel an den Sanktionen und an den Waffenlieferungen aufkamen.

Im Fall eines Wahlsiegs der Rechten sind diesbezüglich Konflikte mit den beiden Putin-Freunden Salvini und Berlusconi unvermeidlich. Konsequent ist Meloni freilich auch bei ihrer chauvinistisch geprägten Rhetorik gegen die EU – in diesem Punkt wird in der künftigen Regierung große Harmonie herrschen.

Giorgia Meloni vor dem Einzug in den Palazzo Chigi

Eine weitere Waffe Melonis ist ihr geschliffenes Mundwerk – auch wenn sie gelegentlich verbissen wirkt und ihre Stimme mitunter einen Tick zu schneidig wird. Das ist ihr auch in diesen Tagen wieder passiert, nachdem Salvini und Berlusconi Draghi im Senat das Vertrauen entzogen hatten: In ihrer Freude und ihrem Triumph wurde Meloni besserwisserisch: Sie habe ja immer gesagt, dass eine Regierung der nationalen Einheit nicht funktionieren könne und nichts auf die Reihe bekomme.

Als wir die Opposition wählten, sagten uns alle: Wir werden in der Gosse landen, und jetzt …“ Die Vollendung des Satzes konnte sie sich verkneifen. Sie hätte gelautet: Und jetzt wartet der Palazzo Chigi, der Sitz des Ministerpräsidenten, auf uns.

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Nach dem Wahlsieg hat Meloni, den Auftrag zur Regierungsbildung für sich reklamiert. „Italien hat uns gewählt“, sagte Meloni in der Nacht zum Montag in der Zentrale ihrer Partei im Rom. Man werde das Land nicht verraten. Sollte sie mit der Bildung der nächsten Regierung beauftragt werden, werde sie danach streben, das Land zu einen, erklärte Meloni. In Deutschland freuten sich Politikerinnen und Politiker der AfD über das Ergebnis, außerdem europäische rechtskonservative Politiker.

„Wenn wir dazu aufgerufen werden, diese Nation zu regieren, dann werden wir es für alle tun, wir werden es für alle Italiener tun und wir werden es mit dem Ziel tun, die Menschen (dieses Landes) zusammenzubringen.“ Dies sei die Zeit, verantwortungsbewusst zu sein, ergänzte Meloni. Für Italien und die Europäische Union sei die Lage aktuell „besonders komplex“.

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