Handball-WMJuri Knorr glänzt für Deutschland und erwartet „größtes Spiel der Karriere“

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Deutschlands Juri Knorr wirft auf das Tor.

Deutschlands Juri Knorr wirft auf das Tor.

Rückraumspieler Juri Knorr ist die Entdeckung der Handball-WM und hat dem deutschen Offensivspiel neues Leben eingehaucht.

Das lange Haar zum Zopf gebändigt, wischt sich Juri Knorr den Schweiß von der Stirn. Ein Moment der Stille. Kameras, Mikros und Handys schieben sich vor sein Gesicht. Während der Rest des Teams unter der Dusche steht, fliegen ihm die Fragen der Journalisten entgegen. Schließlich ist er die Entdeckung der Handball-WM. Er ist der, der dem deutschen Offensivspiel neues Leben eingehaucht hat, mit 37 Toren bester Werfer ist. Wenn er mit tänzerischer Leichtigkeit seinen Gegenspieler narrt, Pirouetten drehend den finalen Pass setzt, mit riesigem Ausfallschritt zum Siebenmeter antritt oder ansatzlos seine Wurfarm knallen lässt, hat das etwas von Kunst. Kunst, die Handball-Deutschland lange nicht gesehen hat. Doch die Kratzer am Arm zeigen auch, dass Kunst wehtut. Jetzt soll Knorr Deutschlands Handballer am Mittwoch in Danzig ins WM-Halbfinale führen – gegen Frankreich, den Rekord-Weltmeister, den Olympiasieger (20.30 Uhr, ZDF).

Dabei ist er erst 22 Jahre, der Jüngste im Team. „Von diesem Spiel haben wir geträumt“, sagt Knorr, „und ja, es ist das größte meiner Karriere. Um eine Medaille mitzuspielen, so eine Chance hatte ich noch nicht. Wir werden alles reinhauen, müssen um unser Leben spielen.“ Er weiß: „Wir brauchen einen Supertag.“ Frankreich ist die Handball-Nation mit den großen Erfolgen und Namen. Besonders Nikola Karabatic, Knorrs Gegenpart. Er ist 38, vor 20 Jahren startete er seine Nationalmannschaftskarriere. Da war Knorr zwei. Karabatic hat 24 Turniere gespielt, ist Olympiasieger, Weltmeister, Welthandballer. „Das sind Vorbilder, da ist man in gewisser Weise auch Fan, aber nicht in den 60 Minuten“, sagt der Flensburger Johannes Golla. WM-Viertelfinale, Frankreich und Knorr – das gab es schon mal. 2001 in Albertville. Vater Thomas war als „Notnagel“ direkt vom Schreibtisch in der Bank nachnominiert worden. Und Knorr hatte mit geliehenen Socken erst Deutschland in die K.-o.-Runde, gegen Frankreich dann sechs Tore geworfen. Doch es reichte nicht (23:26). Juri Knorr kennt die Spiele. Er hat die Videos als Kind gern aus dem Schrank geholt.

Sein Vater, ehemaliger Nationalspieler, Meister und Pokalsieger, war für ihn Mentor, Trainer und Ratgeber. Dabei wäre aus Knorr junior um ein Haar ein Topffußballer geworden, als er kurz beim HSV trainierte. Doch im Handball lebt er seine Passion, seine Extravaganz und Unberechenbarkeit aus. Das war schon früher so, in der Jugend des VfL Bad Schwartau oder später, als er zum Männer-Drittligisten HSG Ostsee wechselte – mit 16 Jahren. Knorr war schon immer seiner Zeit voraus. Sein Vater war auch der, der ihm den Weg nach Spanien zum FC Barcelona ebnete. „Dass Handball jetzt der prägende Teil meines Lebens ist, daran musste ich mich erst gewöhnen. Ich habe anfangs sogar die Schule vermisst“, erzählte Knorr, der damals 17 war. Er hat schon immer über den Tellerrand geschaut. Er meditiert, studiert nebenbei Wirtschaftspsychologie, sieht sich als „Kopfmensch“.

Einer, der reflektiert, hinterfragt. So etwa die Erwartungshaltung in Deutschland, die zum „Sensationsfanatismus“ wird. Oder die Zeit, als sein Impfstatus plötzlich wichtiger war als das, was auf dem Feld passierte. „Das war keine einfache Phase für mich, aber da habe ich mich rausgearbeitet“, sagt er. Und jetzt ist er Deutschlands Handball-Versprechen für die Zukunft. Auch, weil er „selten nach einem Spiel richtig zufrieden ist“, wie sein Trainer bei den Rhein-Neckar Löwen, Sebastian Hinze, sagt. „Er strebt immer danach, der beste Juri zu sein, den es gibt. Das macht ihn stark und motiviert ihn jeden Tag aufs Neue.“ Was ihm zur Weltklasse noch fehle, sagt Hinze, ist die internationale Erfahrung. Die, die Nikola Karabatic schon hat. (rnd)

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