NeubauSo lassen sich nachhaltige Häuser auch günstig errichten

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Berlin, Stuttgart – Bis spätestens 2050 soll der Gebäudebestand in Deutschland klimaneutral sein. Das ist das ein großes politisches Ziel. Das andere sieht im großen Stil die Schaffung von sozialem Wohnraum vor, der für Menschen mit geringen Einkommen erschwinglich ist. Doch sind diese beiden Anliegen überhaupt vereinbar? Führen hohe energetische und ökologische Anforderungen an Gebäude nicht unweigerlich zu hohen Wohnkosten?

Die Antwort darauf laute „Jein“, sagt Fabian Viehrig, Leiter Bauen und Technik beim Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW). Offensichtlich ist, dass die Baukosten seit Jahren stark ansteigen – insbesondere in Ballungsgebieten. Beliefen sich dort die durchschnittlichen Investitionskosten pro Quadratmeter Wohnfläche in einem Mehrfamilienhaus im Jahr 2000 noch auf rund 2200 Euro, waren es 20 Jahre später gut 3700 Euro. Die Folge: „Ein aktuell frei finanziert errichteter Wohnungsbau lässt eine Kaltmiete von unter circa 12,50 Euro nicht mehr zu“, schreibt die Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (Arge) in einer Studie.

Höhere Kosten durch energetische Anforderungen

Zwar ist die Preissteigerung vor allem auf die Verteuerung von Baumaterialien, Bauleistungen, Baustandards und Bauland zurückzuführen. „Aber auch die energetischen Anforderungen haben dazu beigetragen, dass die Baukosten gestiegen sind“, erklärt Viehrig. Je nachhaltiger und energieeffizienter gebaut werde, desto mehr müsse investiert werden, pflichtet ihm Jörg Schumacher, Referatsleiter Nachhaltigkeit bei der Bundesarchitektenkammer (BAK), bei. Andererseits führten die Investitionen zu geringeren Ausgaben insbesondere für Energie: „Baukosten und Betriebskosten können sich im Laufe des Lebenszyklus eines Gebäudes ausgleichen“, so Schumacher.

Die Rechnung gehe jedoch nicht zwingend auf, wenn besser als Effizienzhausstandard 55 gebaut werde, führt er weiter aus. Denn dann müssten weitere Energieeinsparungen mit einem überproportional großen Material-, Konstruktionsflächen und Kostenaufwand erkauft werden. Ein zu einseitiger Fokus auf die Energieeffizienz vernachlässige das eigentliche Ziel, nämlich die Klimaneutralität, erläutert Schumacher. Er warnt deshalb vor einem Überoptimieren der Ziele: „Wir sollten nicht das Maximum, sondern das Optimum anstreben.“

Mehr und komplexere Technik verbaut

Der Zentralverband Deutsches Baugewerbe sieht eine Verschärfung der bestehenden Anforderungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) kritisch: Mehrkosten, die dann beim Bau von Gebäuden anfielen, würden nicht durch geringere Energiekosten kompensiert, erklärt Andreas Geyer, Leiter der Hauptabteilung Wirtschaft.

Johannes Kreißig von der Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) kritisiert unter anderem, dass immer mehr komplexe und teure Technik verbaut werde: „Je hochtechnisierter der Bau, desto mehr Fehler sind möglich.“ So werden Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung mitunter falsch bedient. Außerdem müssen an vielen technischen Anlagen oft nach relativ kurzer Zeit Komponenten ausgetauscht werden. Laut Arge-Studie ergibt sich dadurch zusehends eine verkürzte Nutzungsdauer der Gebäude.

Kreißig plädiert deshalb für ein einfaches und robustes Bauen. Er fordert – ähnlich wie die Bundesarchitektenkammer – eine ganzheitliche Betrachtung, die die Kosten und die CO₂-Belastung bei der Herstellung von Materialien sowie für Transporte, den Bau des Gebäudes, seine Nutzung, seinen Werterhalt und seine spätere Entsorgung berücksichtigt. Dann schneiden seiner Überzeugung nach ökologische Baustoffe wie Lehm und pflanzliche Faserdämmstoffe im Vergleich zu herkömmlichen Materialien auch wirtschaftlich gut ab.

Ökologische Baustoffe fordern

„Baustoffe, die nicht aus der Hochleistungsindustrie stammen, sind allerdings teurer“, gibt Viehrig zu bedenken. Außerdem werde davon meist vergleichsweise viel benötigt, damit sie ähnlich effektiv sind wie herkömmliche Produkte. Die Politik müsse daher Anforderungen schaffen, die auch mit ökologischen Baustoffen zu erreichen seien. Zudem sollten diese gezielt gefördert werden, um Wettbewerbsnachteile auszugleichen, regt Schumacher an.

Die Bauwirtschaft ist zwar der Ansicht, dass die Ziele nachhaltiges Bauen und Schaffung von bezahlbarem Wohnraum in Konkurrenz zueinander stehen. Sie stellt beide aber nicht infrage. „Klimaschutz kostet Geld“, betont Tim-Oliver Müller, Geschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie. Damit höhere Investitionen nicht allein über Mieten refinanziert werden müssen, sieht er die Politik in der Pflicht. Gefordert werden staatliche Förderprogramme, die sowohl das klimaschonende Bauen unterstützen als auch Geringverdienende entlasten.

Kreißig mahnt an, die Förderlandschaft zu überarbeiten. Bis vor Kurzem sei vor allem der Stand der Technik gefördert worden. Das habe zu Mitnahmeeffekten geführt, ohne die Klimabilanz des Gebäudesektors durchgreifend zu verbessern, kritisiert er. „Alles, was wir jetzt bauen, muss klimaneutral sein“, so seine Forderung. Schumacher hofft, dass künftig das Geld vor allem in die Sanierung des Gebäudebestandes fließt, weil dort große Energieeinsparungen zu erreichen sind. Wer als privater Bauherr klimaneutral bauen möchte, wird nach Ansicht der Experten allerdings auch künftig vergleichsweise viel Geld bezahlen müssen.

Ressourcen schonen

Um die Kosten im Wohnungsbau zu senken und gleichzeitig die Umwelt zu entlasten, ist ein schonender Umgang mit Ressourcen sinnvoll. Material und Flächen sollten möglichst effizient eingesetzt werden. Das wird zum Beispiel erreicht, indem Grundrisse kleiner und flexibler geplant werden als bisher und mehr Fläche gemeinschaftlich genutzt wird. Außerdem sollte besser nachverdichtet werden, statt neue Flächen zu erschließen und zu versiegeln.

Bestandsgebäude zu modernisieren und weiterzunutzen ist in der Regel klimafreundlicher, als sie abzureißen und neu zu bauen. Großes Potenzial wird im seriellen und modularen Bauen und Sanieren gesehen: Dann werden Bauteile industriell vorgefertigt und vor Ort zusammengesetzt. Das spart Ressourcen und Produktionskosten.

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