„Nicht mehr zeitgemäß“Hätte eine Cannabislegalisierung Auswirkungen auf Fahrverbote?

Lesezeit 3 Minuten
Neuer Inhalt (2)

ILLUSTRATION - Eine Person raucht einen Joint. Die Ampel-Parteien wollen Cannabis für den Genuss legalisieren.

Hat die geplante Legalisierung von Cannabis auch Auswirkungen auf Fahrverbote? Dort gelten bislang strenge Grenzwerte. Diese seien nicht mehr zeitgemäß, kritisiert ein Experte – und fordert Reformen.

Herr Gottschling, Sie setzen seit mehr als 20 Jahren medizinisches Cannabis bei Patientinnen und Patienten ein. Begrüßen Sie die aktuellen Pläne, Cannabis zu legalisieren?

Ich habe die Befürchtung, dass die Versorgung von Patienten mit medizinischem Cannabis unter der neuen Regelung leiden könnte. Man muss unbedingt weiter dafür Sorge tragen, dass diese Menschen zuerst versorgt werden. Andererseits wird durch die Legalisierung die Sicherheit der Droge ganz erheblich erhöht. Der Schwarzmarkt für Cannabis ist momentan riesig und dort weiß niemand, was eigentlich genau drin ist.

Cannabis global betrachtet risikoärmer als Alkohol

Aber ist der Konsum von Cannabis nicht generell gefährlich?

Bei Cannabis handelt es sich um eine Droge und es gibt nun mal gewisse Risiken, die es zu beachten gibt. Trotzdem ist der Konsum von Cannabis global betrachtet risikoärmer als etwa der Konsum von Alkohol. Aber der ist gesellschaftlich nun mal akzeptierter.

Thema Autofahren: Wie ist dabei bislang die Grenze für den Cannabiskonsum?

Der Grenzwert nach dem Konsum von Cannabis liegt fürs Autofahren bei einem Nanogramm THC (Red.: Tetrahydrocannabinol) pro Milliliter Blutserum. Dieser Wert wurde vor Jahrzehnten festgelegt und etabliert – und er ist nicht mehr zeitgemäß. Eigentlich handelt es sich dabei um keine richtige Grenze, denn diese Zahl zeigte auf den alten Messgeräten schlicht den untersten Wert an, ab dem man Cannabis überhaupt feststellen konnte. Damals hat man einfach festgelegt, dass sobald man etwas messen kann, ist die Person nicht mehr fahrtauglich.

Grenzwerte müssten bundesweit angehoben werden

Was ist aus Ihrer Sicht das Problem daran?

Wer einen Joint geraucht hat, ist in der Regel nach vier bis fünf Stunden wieder fahrtüchtig. Bei einer Kontrolle ist es aber durchaus denkbar, dass noch drei Tage später ein Wert angezeigt wird, der höher ist als der momentane Grenzwert. Die Grenzwerte sind meiner Meinung nach zwar sinnvoll, man wird diese aber bundesweit anheben müssen – und das ist ja auch gerade in der Diskussion.

Meines Wissens sind aktuell neue Grenzwerte von drei bis zehn Nanogramm pro Milliliter im Gespräch. Und das ist auch richtig. Die Politik spricht immer von der Endkriminalisierung von Cannabis – dann müssen diese ganzen alten Regularien angepasst werden. Ich bin gespannt, was die Regierung konkret strickt – aber ich gehe stark davon aus, dass man auch die verkehrsrechtliche Lage anpassen wird.

Wer frisch Cannabis konsumiert hat, hat im Straßenverkehr allerdings eine verminderte Reaktionsfähigkeit.

Ich bin nicht dafür, dass sich jemand frisch zugekifft hinters Steuer setzt. Es gibt Hinweise darauf, dass es nach dem Konsum von Cannabis eine Einschränkung der Fahrtauglichkeit gibt. Die bewegt sich nach Studienlage im Vergleich ungefähr bei 0,2 bis 0,5 Promille Blutalkohol. Wer also frisch gekifft hat, hat eine ähnliche Einschränkung der Fahrtauglichkeit, wie jemand, der einen Blutalkoholspiegel von 0,2 bis 0,5 hat – natürlich immer davon abhängig, wie sehr man den Konsum gewohnt ist.

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Einschränkung ist also nicht riesig, aber im Vergleich zu einem nüchternen Fahrer hat man natürlich trotzdem ein höheres Verkehrsunfallrisiko. Wer sich aber vier oder fünf Stunden, nachdem er einen Joint geraucht hat, wieder ans Steuer setzt, hat in den meisten Fällen keine Einschränkung mehr – und sollte dann auch fahren dürfen.

Was wünschen Sie sich bei der Legalisierung von Cannabis im Bezug auf den Straßenverkehr?

Es ist auf jeden Fall sinnvoll, dass es für Fahranfänger eine Null-Toleranz-Grenze gibt – ebenso wie beim Alkohol.

KStA abonnieren