Notwendig oder übergriffig?Aufregung über Habecks geplante Energiesparpflichten

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Robert Habeck 

  • Raumtemperatur, Heizungen, Warmwasser und Beleuchtung: Wirtschaftsminister Robert Habeck hat zwei Verordnungen über weitere Energiesparmaßnahmen entworfen, die nun vom Kabinett, von Verbänden und Experten geprüft werden.
  • Schon loben Umweltschützer die Pflicht zur Energieeffizienz – und Wirtschaft und Opposition schimpfen über Regelungswut.

Berlin – Es sind zwei Listen mit jeweils einem guten Dutzend Seiten, mit denen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Deutschland dazu bringen will, ernst zu machen mit dem Energiesparen: Unternehmen, öffentlicher Dienst und auch Privatverbraucher – die Zeit der Appelle und Tipps, wie Heizgas und Wärme im Herbst und Winter gespart werden sollen, ist vorüber, wenn es nach Habeck geht.

Zwei Verordnungen haben Habecks Beamte deshalb entworfen: eine mit Verpflichtungen zum kurzfristigen Energiesparen, die das Bundeskabinett bereits in der kommenden Woche beschließen soll, und eine mit langfristigen Maßnahmen.

Erste Schritte schon ab September

Die kurzfristigen Schritte sollen bereits zum 1. September greifen und für Einsparungen bis zum kommenden Februar sorgen. Habeck braucht bis dahin – weil es eben kein Gesetz, sondern eine Verordnung ist – nur einen Kabinettsbeschluss.

Ab Oktober soll ein zweites Paket für öffentliche, private und Firmengebäude in Kraft treten und zwei Jahre lang gelten. Hierzu müssen Kabinett und Bundesrat zustimmen.

Seit der Grüne die Papiere vor einer guten Woche in Ressortabstimmungen mit den anderen Ministerien gegeben hat sowie zur vorgeschriebenen Begutachtung durch Experten und Verbände, kursieren die Habeck-Listen – sie liegen auch dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vor – und sorgen bereits für Aufregung: vom Lob der Umweltverbände bis zur Empörung in Wirtschaft, Opposition und Boulevardmedien.

Lob und Kritik

So lobte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): „Endlich bringt die Bundesregierung das Energiesparen in Deutschland durch konkrete politische Beschlüsse voran“ – und begrüßte, dass verpflichtende Schritte zu mehr Energieeffizienz geplant sind.

Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion der CDU schimpfte dagegen in der „Bild“-Zeitung über Vorgaben wie das Verbot für Einzelhändler, ihre Türen dauerhaft geöffnet zu halten, damit keine Heizwärme „unkontrolliert entweichen“ kann: „Die Betriebe sparen schon Energie, wo sie können. Sie brauchen keine Diktate, sondern eine Regierung mit gesundem Menschenverstand.“

Kritik vom Wirtschaftsrat der CDU

Auch der CDU-Wirtschaftsrat kritisierte die Pläne als „kleinteilige und völlig überzogene Regelungsflut“: „Der Verordnungsentwurf verdeutlicht, dass die Bundesregierung keinem geordneten Plan folgt, der Bürger und Wirtschaft für die nächsten Jahre zuverlässig mit Energie versorgt und Energie wieder bezahlbar macht“, sagte der Generalsekretär des Vereins, Wolfgang Steiger, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Anstatt das Problem mit längeren Atomlaufzeiten und langfristigen Gasverträgen zu lösen, „ergeht sich der Bundeswirtschaftsminister in exzessivem Mikromanagement und will dezidiert vorgeben, wann Türen im Einzelhandel geschlossen, Handwaschbecken nur mit kaltem Wasser betrieben und Poolheizungen ganz verboten werden“. „Es wird nur mit Schnellschüssen aus der ideologischen Mottenkiste auf die Energieknappheit reagiert, die nur einen minimalen quantifizierbaren Effekt zeigen und setzen unseren Industriestandort fahrlässig auf Spiel setzen“, sagte Steiger.

Doch Einsparungen sind kein reines Ampelprojekt: In der EU besteht ein – allerdings freiwilliges – Energiesparziel von 15 Prozent für die Zeit von August bis April, gegenüber dem Schnitt der letzten fünf Jahre. Habeck will das mit seinen Paketen allerdings sogar übertreffen. Kein Wunder: Sein Ministerium hat errechnet, dass Deutschland etwa 20 Prozent Gas einsparen muss, um einen Mangel abzuwenden. Bislang liege die Einsparung erst bei 5 bis 8 Prozent.

Kurzfristig soll für öffentliche Gebäude gelten:

Durchgangsbereiche wie Flure, Foyers oder Technikräume sollen nicht mehr geheizt werden – außer, es gibt dafür sicherheitstechnische Gründe.

Öffentliche Gebäude sollen nur noch bis höchstens 19 Grad geheizt werden. Bisher lag die empfohlene Mindesttemperatur laut Ministerium bei 20 Grad. Für Kliniken, Pflegeeinrichtungen oder andere soziale Einrichtungen soll die neue Regelung nicht gelten.

Boiler und Durchlauferhitzer sollen nicht mehr für die Warmwasserbereitung am Waschbecken genutzt werden – es sei denn, das ist aus hygienischen Gründen vorgeschrieben.

Die Beleuchtung von Gebäuden und Denkmälern aus rein ästhetischen oder repräsentativen Gründen soll ausgeschaltet werden.

Für Privat- und Gewerbebereich ist kurzfristig geplant: Klauseln in Mietverträgen, die eine bestimmte Mindesttemperatur vorsehen, sollen vorübergehend ausgesetzt werden.

Private Pools, ob drinnen oder draußen, sollen nicht mehr mit Gas und Strom geheizt werden dürfen.

Gasversorger und Besitzer größerer Wohngebäude sollen ihre Kunden beziehungsweise Mieter frühzeitig informieren müssen – über den voraussichtlichen Energieverbrauch, dessen Kosten und mögliche Einsparmöglichkeiten. Das soll spätestens zum Beginn der Heizsaison passieren.

Beleuchtete Werbeanlagen sollen von 22 Uhr abends bis 6 Uhr morgens ausgeschaltet werden.

Das zweite Maßnahmenpaket für die kommenden beiden Jahre soll ab Oktober den Gasverbrauch in öffentlichen, privaten und Firmengebäuden senken.

Vorgesehene Schritte sind:

Jährliche Heizungsprüfungen sollen für Gebäude mit Gasheizungen zur Pflicht werden. Dabei sollen die Anlagen zum Beispiel auf niedrigere Vorlauftemperaturen und eine Absenkung während der Nacht eingestellt werden.

Optimale Wasserverteilung

Auch der so genannte hydraulische Abgleich kann Heizungen effizienter machen, indem das Wasser optimal verteilt wird. Er soll verpflichtend werden für große Gebäude mit zentraler Wärmeversorgung durch Erdgas, falls er bislang nicht gemacht wurde.

Ineffiziente, ungesteuerte Heizungspumpen in Gebäuden mit Erdgasheizung sollen ausgetauscht werden müssen, weil sie laut Ministerium Energiefresser sind.

Für Firmen ist mittelfristig zudem geplant:

Unternehmen mit einem Energieverbrauch ab 10 Gigawattstunden (GWh) pro Jahr werden zu Energieeffizienzmaßnahmen verpflichtet, sofern sie bereits ein Energieaudit gemacht haben, bei dem Verbräuche und Einsparmöglichkeiten aufgeschlüsselt werden.

Ohne zusätzliche freiwillige Anstrengungen wird es aber nicht gehen, heißt es aus dem Ministerium. Man rechnet vor: Eine Absenkung der Raumtemperatur in Wohngebäuden und Arbeitsstätten um durchschnittlich zwei Grad könne den deutschen Gasverbrauch um etwa 3 Prozent mindern.

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