„Putin droht“Welche Länder die Tiraden des Kremlherrschers treffen

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Putin Pult Russlandfahne dpa

Der russische Präsident Wladimir Putin hält eine Rede.

  • Zwei Worte, mit denen seit Monaten viele Nachrichten beginnen: „Putin droht …“.
  • Wir haben mal nachgezählt und kamen auf mindestens 17 Länder, denen der russische Herrscher oder sein Umfeld zuletzt drohten – zumeist mit militärischer Gewalt, manchmal mit Zerstörung, zumeist aber ohne konkret zu werden.
  • Dass es bei Drohungen gegen Staaten nicht bleibt, weiß die Welt seit dem 24. Februar.

Moskau – „Putin drohte mit Gegenmaßnahmen nach einem Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens – und behauptete erneut, die russische ‚Spezialoperation‘ in der Ukraine laufe nach Plan“, heißt es in einer Meldung der Nachrichtenagentur vom Donnerstag. Wer im Nachrichtengeschäft arbeitet, nimmt es kaum noch wahr – doch beinahe täglich fangen Meldungen mit diesen beiden Worten an: „Putin droht …“, lediglich variiert durch „Kreml droht“ oder „Russland droht“.

Für die betroffenen Länder, zumal wenn sie klein sind, sind solche Drohungen kein Spaß, weil Angst eine oft unterschätzte psychologische Wirkung hat, Angst macht krank, lähmt, kann ganze Gesellschaften paralysieren. Wir haben all diese Drohungen der vergangenen Zeit einmal aufgelistet. Wem Putin so alles droht – hier eine Auswahl:

Schweden und Finnland

Für den Fall des Nato-Beitritts von Finnland und Schweden ergreife man militärische Gegenmaßnahmen, kündigte Russlands Präsident am Donnerstag in der turkmenischen Hauptstadt Aschgabat an. „Sie müssen sich klar und deutlich vorstellen, dass es für sie früher keine Bedrohungen gab – aber werden dort jetzt Truppen stationiert und Infrastruktur eingerichtet, so werden wir gespiegelt antworten müssen und dieselben Bedrohungen für das Territorium schaffen, von dem aus wir bedroht werden.“

Litauen

Russland kündigte eine Reaktion auf das litauische Transitverbot für bestimmte Waren in seine Exklave Kaliningrad an. „Russland wird mit Sicherheit auf solche feindlichen Handlungen reagieren. Entsprechende Maßnahmen werden derzeit im ressortübergreifenden Format ausgearbeitet und in naher Zukunft ergriffen“, hieß es vor einer Woche vom Sekretär des russischen Sicherheitsrats, Nikolai Patruschew. Und Putins Sprecher Peskow: „Die Situation ist mehr als ernst … wir brauchen eine ernsthafte, gründliche Analyse, um unsere Antwort zu erarbeiten.“

Kasachstan

Sogar dem Verbündeten Kasachstan wurde gedroht: Die ganze ehemalige Sowjetunion sei historisch gesehen russisch, hatte Präsident Putin jüngst in einer Diskussion am Rande des Petersburger Wirtschaftsforums gesagt. Woraufhin der kasachische Autokrat Kasym-Schomart Tokajew, eigentlich ein Verbündeter, offen widersprach: Zwischen Gewährleistung der territorialen Integrität von Staaten und dem Recht auf Selbstbestimmung von Völkern gebe Kasachstan Ersterem den Vorzug.

Daher werde er auch die „pseudostaatlichen“ Separatistengebilde Donezk und Luhansk nicht als unabhängige Staaten anerkennen – eine Ansage, dass Kasachstan Russlands Krieg gegen die Ukraine missbilligt. Woraufhin der bekannte Journalist und Putin-Vertraute Tigran Keosajan in Anwesenheit Putins Kasachstan mit einem „Ukraine-Szenario“ drohte.

Norwegen

Wegen einer angeblichen Blockade der Versorgung russischer Bergarbeiter auf Spitzbergen hat Russland am Mittwoch Norwegen mit Gegenmaßnahmen gedroht. Der norwegische Vertreter in Moskau sei deshalb ins Außenministerium einbestellt worden. „Wir haben betont, dass unfreundliche Handlungen gegenüber Russland zu Vergeltungsmaßnahmen führen“, hieß es aus dem Kreml.

Moldau

Als die ehemalige Sowjetrepublik, längst zwischen die Fronten des Ukraine-Krieges geraten, Ende April prorussische Kriegssymbolik im Land verbot, drohte der russische Senator Alexej Puschkow der Präsidentin Maia Sandu, sie könne im „Mülleimer der Geschichte“ landen. „Sie sollte sich vorsichtiger gegenüber Russland und seinen Symbolen äußern.“

Österreich

Österreich hielt sich lange zurück, verwies aber dann Anfang April und mehr als eine Woche nach Kriegsbeginn russische Diplomaten und Diplomatinnen des Landes und protestierte gegen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Die Antwort Russlands ließ nicht lange auf sich warten: Es sei bedauerlich, dass Vertreter und Vertreterinnen der österreichischen politischen Klasse ein so kurzes historisches Gedächtnis hätten. „Das unverantwortliche Handeln der österreichischen Behörden wird nicht ohne Folgen bleiben. Gegenmaßnahmen von Moskau werden nicht lange auf sich warten lassen.“

Lettland, Litauen, Estland und Polen

„Wenn ich wollte, könnten russische Truppen in zwei Tagen nicht nur in Kiew, sondern auch in Riga, Vilnius, Tallinn, Warschau oder Bukarest sein“, drohte Wladimir Putin laut „Süddeutscher Zeitung“ bereits 2014 in einem Telefonat mit dem damaligen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko.

Ende Mai 2022 legte Putins Statthalter in Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, nach: „Das Thema Ukraine ist schon abgeschlossen. Ich bin mehr an Polen interessiert. Falls es einen Befehl geben sollte, werden wir zeigen, wozu wir in sechs Sekunden in der Lage sind“, verbreitete er auf seinem Telegram-Kanal.

Schweiz

Als es Anfang Juni um die Weitergabe von Waffen und Munition aus Schweizer Produktion an die Ukraine ging, schoss sich der Putin-nahe Sender Russia Today (RT) sehr direkt auf die Eidgenossen ein: „Mitmachen beim europäischen Selbstmord oder neutral bleiben?“, wurde als rhetorische Frage gestellt. Um dann eine Warnung hinzuzufügen: Lässt Bern es zu, dass aus der Schweiz stammende Munition für deutsche Gepard-Panzer an die Ukraine abgegeben werden darf, entscheide der Bundesrat „nicht über einen Rüstungsexport. Er entscheidet über die Zukunft der Schweiz.“

Japan

Russland droht Japan mit „Vergeltungsmaßnahmen“, meldete Ende April 2022 „Newsweek“. Falls das fernöstliche Land weiter an Übungen mit der US-Marine teilnehme. Im Ukraine-Krieg hatte Japan seine bis dato auf Verständnis zielende Politik zu Moskau aufgegeben – und sich Putins Zorn zugezogen, der umgehend alle Gespräche über die seit dem Zweiten Weltkrieg offene Frage der Kurilen-Inseln absagte.

Deutschland

Deutschland ist immer wieder Ziel von Anfeindungen und Drohungen des Kreml. Spektakulär äußerte sich zuletzt der bekannte russische Journalist und Kreml-Propagandist Wladimir Solowjow – er drohte mit einer Invasion, nachdem die Bundeskulturministerin Claudia Roth Mitte Juni in der ukrainischen Hafenstadt Odessa zwei Briefmarken mit proukrainischen Motiven entgegengenommen hatte. Anfang Mai war im staatlichen Nachrichtenkanal Rossija 1 mit einem Atomschlag gegen Berlin binnen 106 Sekunden gedroht worden.

Großbritannien

In einer Sendung des russischen Staatsfernsehens drängt Dmitri Kisseljow, Chef der staatlichen Nachrichtenagentur Rossija Sewodnja, Anfang Mai 2022 seinen Präsidenten, die gefährlichste Nuklearwaffe Russlands gegen Großbritannien einzusetzen und das Land von der Landkarte zu wischen – wegen der Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Aggressor Russland. Die Waffe, so Kisseljow, sei in der Lage, „Großbritannien in den Tiefen des Ozeans zu versenken“.

Dänemark

Nachdem die Ukraine nach Angaben des Verteidigungsministers Mitte Mai Harpoon-Raketen aus Dänemark erhalten hatte, kam es einen Monat später zweimal zu Störmanövern vor der Küste: Ein russisches Kriegsschiff drang am 17. Mai in der Nähe der Ostseeinsel Bornholm in dänische Hoheitsgewässer ein, teilte das dänische Militär mit. Das Vorgehen der Russen sei eine zutiefst unverantwortliche, grobe und völlig inakzeptable Provokation, schrieb Außenminister Jeppe Kofod auf Twitter.

Den Helfern und Helferinnen der Ukraine

Ende April wurde gemeldet, Putin habe eine scharfe Warnung an alle Länder gerichtet, die die Ukraine unterstützen. Putin drohte jenen, die sich in die Entwicklungen der Ukraine einmischen mit „blitzschnellen Gegenschlägen“. „Wir haben dafür alle Instrumente“, so Putin am 27. April in einer Rede in St. Petersburg. „Und wir werden nicht prahlen. Wir werden sie anwenden, wenn es nötig ist. Und ich will, dass alle das wissen.“ Die notwendigen Entscheidungen seien bereits gefällt.

Ukraine

Putin drohte Anfang Juni für den Fall einer Lieferung westlicher Raketen mit hoher Reichweite an die Ukraine mit schweren Angriffen auf das Land, sprach gar von „Vernichtung“. „Wenn sie liefern, dann werden wir daraus die entsprechenden Schlüsse ziehen und unsere Mittel der Vernichtung, von denen wir genug haben, einsetzen, um jenen Objekten Schläge zu versetzen, die wir bisher nicht angreifen“, sagte er in einem Interview des Staatsfernsehsenders Rossija 1.

USA

Hier heißt es, sich kurzfassen – weil das Angebot an Drohungen groß ist: Am 25. März 2022 drohte der Kreml den USA mit Abbruch der diplomatischen Beziehungen, weil US-Präsident Joe Biden den russischen Präsidenten Wladimir Putin als Kriegsverbrecher bezeichnet hatte.

Zuvor Anfang des Jahres hatte Putin den USA mit der Stationierung russischen Militärs auf Kuba und in Venezuela gedroht. Gedroht wurde auch mit Zerstörung der an die Ukraine gelieferten Hilfsgüter, mit der Todesstrafe gegen gefangene US‑Unterstützer und US‑Unterstützerinnen der ukrainischen Streitkräfte, mit Atomschlägen. (O‑Ton aus dem russischen Fernsehen: „Ganz New York wäre weg.“)

Dem Westen

Nach dem Test einer neuen nuklearen Interkontinentalrakete hat Putin Ende April dem gesamten Westen mit Atomschlägen gedroht: Die „wirklich einzigartige Waffe“, wie Putin die Sarmat genannte Rakete bezeichnete, werde „diejenigen, die in der Hitze einer aggressiven Rhetorik versuchen, unser Land zu bedrohen, zum Nachdenken bringen“. Russlands Gegner müssten sich ihr Verhalten gegenüber Moskau nun „zweimal überlegen“.

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