Scharfe Kritik der ÄrzteSpahn ruft erstmals alle Bürger zu Booster-Impfungen auf

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Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bekommt eine Auffruischungsimpfung gegen das Corona-Virus.

Berlin – Angesichts stark steigender Infektionszahlen hat der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) einen Strategiewechsel vollzogen: Spahn rief am Freitag nicht nur Ältere und Immungeschwächte Menschen zu einer Auffrischimpfung auf, sondern erstmals auch alle übrigen Bürgerinnen und Bürger – sofern deren erste Impfserie länger als sechs Monate zurückliegt. „Jeder, der sich boostern lässt und das mit seinem Arzt bespricht, tut etwas dafür, dass wir sicher durch den Winter kommen“, sagte Spahn am Freitag.

Mit Auffrischimpfungen lassen sich die vierte Welle brechen, weil die Immunisierten dann auch weniger ansteckend seien. Das hätten Erfahrungen aus Israel gezeigt. Dort werden bereits seit Juli Auffrischimpfungen vorgenommen, die schrittweise auf alle Personen über zwölf Jahren ausgeweitet wurden. „Wir haben genug Impfstoff für alle“, versicherte Spahn im RBB-Inforadio.

Bisher empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) Auffrischungen für Menschen ab 70 Jahren, für Bewohnerinnen und Bewohnern in Pflegeheimen, Menschen mit einem geschwächten Immunsystem und für Pflegepersonal. Laut Empfehlung soll zur ersten Impfserie ein Abstand von sechs Monaten eingehalten werden. Für Menschen, die mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson geimpft wurden, sollte laut Stiko Empfehlung vier Wochen nach der Impfung eine weitere Immunisierung mit einem mRNA-Impfstoff erfolgen. Das gilt auch für jüngere Menschen.

Stiko empfiehlt Auffrischimpfung für alle ab 70 Jahren

Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern empfehlen Auffrischungsimpfungen zudem für Menschen ab 60 Jahren nach individueller Abwägung und ärztlicher Beratung. Eine Booster-Impfung wird zudem allen Personen ans Herz gelegt, die ihre vollständige Impfserie mit dem Vakzin von Astrazeneca bekommen haben sowie Personen, die nach einer Coronavirus-Infektion eine Impfdosis eines Vektor-Impfstoffs erhalten haben.

Rein rechtlich können unabhängig von diesen Empfehlungen alle Erwachsenen eine Auffrischimpfung in Anspruch nehmen. Die Ärzte können einem Impfwunsch folgen, müssen es aber nicht, da es ihrer medizinischen Einschätzung überlassen bleibt.

Der Vorstoß von Spahn sorgte bei den Ärzten für scharfe Kritik: „Für die Notwendigkeit von Auffrischimpfungen für Menschen jeglichen Alters gibt es bisher keine ausreichende wissenschaftliche Evidenz“, sagte Ärztepräsident Klaus Reinhardt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Bei älteren Menschen könne die Booster-Impfung hingegen das Infektionsrisiko erheblich reduzieren. Denn im höheren Alter falle die Immunantwort häufig schwächer aus und es könne zu sogenannten Impfdurchbrüchen kommen. Deshalb empfehle die Stiko ja auch eine Covid-19-Auffrischimpfung für alle Menschen ab 70 Jahren.

Aufklärung über Booser-Impfung gefordert

Reinhardt sagte, es sei jetzt eigentlich Aufgabe der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung über die Booster-Impfung für ältere Menschen zu informieren und endlich auch mit den Falschinformationen in den sozialen Netzwerken aufzuräumen. „Diese Fake News sind doch maßgeblich dafür verantwortlich, dass wir heute eine Pandemie der Ungeimpften haben“, so Reinhardt. „Da sehe ich ein klares Versäumnis der Politik. Das kann und muss man besser machen“, so der Mediziner.

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Auch die Hausärzte äußerten sich kritisch. „Wir sind verärgert, dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn Erwartungen schürt, Booster-Impfungen seien für alle möglich“, sagte das Bundesvorstandsmitglied des Hausärzteverbands, Armin Beck, dem RND. „Die Hausärzte folgen der Empfehlung der Ständigen Impfkommission und diese empfiehlt aktuell Drittimpfungen nur für über 70-Jährige und wenige andere Gruppen“, betonte er.

Derzeit könne man diese Auffrischimpfungen stemmen, so Beck. Auch durch die Äußerungen von Spahn werde nun aber der Aufklärungs- und Diskussionsbedarf in den Praxen größer. Erst wenn die Stiko ihre Empfehlung ausweite, würden die Hausärzte auch andere Personengruppen impfen, kündigte er an.

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