„Es sollte es eine blaue Welle geben“Große Enttäuschung für die Demokraten in Florida

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Lauderhill, Florida: Eine Mitarbeiterin der Wahlabteilung von Broward County wertet Stimmzettel aus. Für die Demokraten hat es hier nicht gereicht.

  • Hier sollte der Biden-Sieg besiegelt werden: Florida galt bei dieser Wahl als einer der wichtigsten Swing States.
  • Er ging wohl an Donald Trump. Das entscheidet noch nicht die Präsidentschaft – doch die Demokraten sind tief enttäuscht.
  • Nun droht ein heftiger politischer und juristischer Streit über den Ausgang der Präsidentschaftswahl.

Washington – Drinnen bei der Watch-Party im East Room des Weißen Hauses werden Mini-Burger, Chicken-Wings und Pommes Frites serviert. Draußen vor dem nördlichen Zaun um den Lafayette Square machen sich in einer kalten, klaren Nacht die ersten Menschen auf den Heimweg. Mit Plakaten, Lautsprechern und Trommeln haben sie sich vor dem Regierungsgebäude versammelt, um das Ende der vierjährigen Trump-Präsidentschaft zu feiern. Doch bald an diesem Wahlabend zeichnet sich ab, dass mit einem frühen Ergebnis nicht zu rechnen ist.

Zwei Stunden, nachdem die Wahllokale im Osten der USA geschlossen haben, gibt es durchaus positive Meldungen für den demokratischen Präsidentschaftsbewerber Joe Biden: In den Speckgürteln der großen Städte und auch unter weißen Arbeitern hat er nach ersten Zahlen offenbar besser abgeschnitten als seine Vorgängerin Hillary Clinton. Doch es ist klar, dass der Erdrutschsieg, von dem manch ein Beobachter geträumt hatte, eine Fata Morgana bleibt. Der sogenannte Sun Belt traditionell konservativer Staaten im Süden des Landes hat sich offenbar deutlich weniger von Donald Trump entfernt, als die Demokraten dies erhofft haben. 

Barack Obama unterstützte in Miami

Viel früher als andere Bundesstaaten melden die Offiziellen aus Florida erste Zahlen. Bei Präsidentschaftswahlen kommt dem Swing-State traditionell eine besondere Bedeutung zu. Vor vier Jahren hatte hier Trump gewonnen, doch in den Umfragen lag seit Wochen Joe Biden vorne. Ein früher Sieg wäre nicht nur ein psychlogisch wichtiges Signal gewesen, sondern auch ein mächtiger Schlag für die Trump-Kampagne: Ohne die 29 Wahlmänner aus Florida gab es für ihn keine realistische Chance auf eine zweite Amtszeit.

Joe Biden und Donald Trump haben sich im Wahlkampf hier mächtig hereingehängt. Am Abend vor der Wahl hat Ex-Präsident Barack Obama in Miami für seinen ehemaligen Vizepräsidenten geworben. Tatsächlich sehen die Zahlen am Wahlabend zunächst gut für die Demokraten aus. Doch anfangs werden vor allem Briefwahlstimmen ausgewertet. Je mehr Stimmzettel ausgezählt werden, die am Wahltag abgegeben wurden, desto deutlicher zeigt sich, dass Biden ein Problem hat: Ausgerechnet in der demokratischen Hochburg Miami hat der 77-Jährige deutlich schlechter als Hillary Clinton abgeschnitten. Offenbar punktete er bei älteren weißen Wählern, konnte aber die Latinos nicht ausreichend für sich gewinnen.

Blaue Welle? „Die Realität sieht wohl ein bisschen anders aus“

Beim rechten Sender Fox kann Trumps Lieblingsmoderator Tucker Carlson sein Glück kaum fassen. „In Florida sollte es eine blaue Welle geben“, lästert er mit Bezug auf die Parteifarbe der Demokraten: „Die Realität sieht wohl ein bisschen anders aus.“ Tatsächlich kann Trump sich Trump in der multiethnischen Metropole Miami verbessern. „Der Präsident, den sie als Rassisten diffamieren, kommt besser bei den Latinos an“, jubiliert Carlson.

Es ist nicht die einzige Enttäuschung, die linksliberale Amerikaner am frühen Abend einstecken müssen. Kurz darauf wird klar, dass der republikanische Mehrheitsführer Mitch McConnell seinen Senatssitz verteidigt hat. Das ist zwar nicht wirklich überraschend, aber McConnell ist als Trumps eiskalter Vollstrecker und Strippenzieher der Hauruck-Neubesetzung des Supreme Courts bei den Demokraten verhasst wie kaum ein anderer repulikanischer Parlamentarierer. Sie haben die aberwitzige Summe von 88 Millionen Dollar investiert, um die graue Eminenz in den Ruhestand zu schicken. Dass er in seinem Heimatstaat Kentucky die Herausforderin Amy McGrath mit zwölf Punkten Vorsprung deklassiert, ist ein echter Stimmungsdämpfer für die Demokraten.

Nervenkrimi mit schlechtem Ende für Joe Biden

Was folgt, ist ein Nervenkrimi der Gruselklasse. Nicht wenige Beobachter fühlen sich an 2016 erinnert, als Hillary Clintons Siegeschancen plötzlich schwanden. Doch die Wahl ist für Biden keineswegs gelaufen. Es wird allerdings länger dauern, bis das Ergebnis feststeht. Unter normalen Umständen wäre das kein Problem. Doch angesichts Trumps Drohung, Stimmen, die nicht am Wahltag ausgezählt sind, entgegen der Gesetzeslage nicht zu akzeptieren, erhöht sich damit das Potential für politische, rechtliche und schlimmstenfalls auch gewalttätige Auseinandersetzungen.

Es wäre elegant gewesen, wenn sich Biden dank der Südstaaten Florida, North Carolina, Georgia oder gar Texas früh auf den Spitzenplatz geschoben und die magische Zahl von 270 Delegiertenstimmen gesichert hätte. Daraus wird nichts. Also muss der Herausforderer wieder zu Plan A zurück und die ehemals demokratischen Staaten Wisconsin, Michigan und Pennsylvania gewinnen – den traditionell demokratischen Rostgürtel im Mittleren Westen des Landes also, den Trump 2016 erobert hatte. Die ersten Zahlen sehen nicht schlecht aus. Doch werten diese Staaten die Stimmzettel bei weitem nicht so schnell aus wie Florida. Pennsylvania beginnt überhaupt erst am Wahlabend damit, die Briefstimmen zu öffnen und zu sortieren. Drei Tage kann das dauern. In Wisconsin arbeitet man etwas schneller, doch mit dem Ergebnis wird auch hier nicht vor der amerikanischen Mittwochmorgen – also gegen Mittag in Deutschland – gerechnet.  

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