Vorstoß Mario DraghisItalien lockert die Corona-Restriktionen

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Mailand – Das Kino Beltrade in Mailand war das erste, das seine Türen nach Monaten der Schließung wieder geöffnet hat – schon um 6 Uhr in der Früh. Und siehe da: Trotz der noch fast nachtschlafenden Stunde stellten sich etwa hundert Mailänderinnen und Mailänder an, die den Film „Caro Diario“ („Liebes Tagebuch“) von Nanni Moretti sehen wollten. Aufgrund der Platzbeschränkungen erhielten nur 84 von ihnen ein Eintrittsticket.

Nur noch wenige Gebiete sind „rote Zonen“

Rund 50 der 60 Millionen Einwohner Italiens befinden sich seit gestern wieder in einer „gelben“ Zone, der zweittiefsten Gefahrenstufe des italienischen Ampelsystems mit den Farben weiß, gelb, orange und rot. Die meisten von ihnen befanden sich zuvor in der orangen Zone, der nach wie vor die Regionen Basilicata, Kalabrien, Apulien, Sizilien und das Aosta-Tal zugeteilt sind.

Die einzige rote Region ist derzeit Sardinien – das noch vor wenigen Wochen die einzige weiße Region gewesen war. Die weitgehende Öffnung, gepaart mit der übertriebenen Sorglosigkeit der Bevölkerung, war der Insel nicht gut bekommen.

Der prompte Anstieg der Fallzahlen in Sardinien hat der Regierung von Mario Draghi als Warnung gedient: Die gestern in Kraft getretenen Lockerungen sind äußerst vorsichtig und im Alltag der Bürgerinnen und Bürger kaum wahrnehmbar. Die teilweise Öffnung der Kinos ist noch die am weitesten gehende von allen. In den gelben Zonen dürfen nun die Restaurants auch abends Gäste bedienen (vorher nur am Mittag), aber lediglich im Freien. Und man darf auch wieder von einer gelben Region in eine andere fahren.

Ausgangssperre trotz weiterer Öffnungen

In den orangen Zonen, die nun gelb wurden, waren auch die Geschäfte längst geöffnet gewesen; auch Coiffeurbesuche waren erlaubt. In den Einkaufsmeilen herrschte insbesondere an den Wochenenden reger Betrieb – die Neueinteilung in die gelben Zonen wird also nichts ändern. Vor allem aber bleibt die nächtliche Ausgangssperre von 22 bis 5 Uhr in Kraft – was in Deutschland von vielen als staatlich verordnete Freiheitsberaubung wahrgenommen wird gilt in Italien seit Monaten.

Auch die Maskenpflicht im Freien sowie die Distanzregelungen bleiben in Kraft – genauso wie der Ausnahmezustand, den die Regierung bis Juli verlängert hat und der es der Exekutive erlauben würde, umgehend auf eventuell wieder ansteigende Fallzahlen zu reagieren.

Impfkampagne in Italien macht Fortschritte

„Wir gehen ein kalkuliertes Risiko ein“, sagte Draghi, als er die Lockerungen in ankündigte. Tatsächlich sind die Fallzahlen in Italien seit fünf Wochen rückläufig – allerdings langsam und immer noch auf hohem Niveau. Etwa eine halbe Million Italiener sind derzeit offiziell mit dem Coronavirus infiziert, täglich werden um die 15 000 Neuinfektionen registriert. Mit 17 Millionen verabreichten Dosen relativ weit gediehen ist die Impfkampagne; hinzu kommen vier Millionen Genesene, die ebenfalls immunisiert sind. 81 Prozent der über 80-Jährigen haben zumindest ihre erste Impfdosis erhalten.

Trotz der nur zurückhaltenden Lockerungen sind viele Virologen und Ärzte skeptisch. Sie fürchten den psychologischen Effekt, den die neuen Freiheiten mit sich bringen könnten. „Wir werden für diese Lockerungen einen Preis bezahlen: Die Fallzahlen werden zwangsläufig wieder ansteigen“, prophezeit der Virologe Fabrizio Pregliasco. Wenig zu seiner Beruhigung trug gestern bei, dass der Präsident von Venetien, Luca Zaia, die ersten zwei Fälle der „indischen Variante“ in seiner Region meldete.

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Die Regierung hält indessen an ihrer Linie fest – und hat für Mitte Mai die nächsten Lockerungen in Aussicht gestellt. Die Bewegungsfreiheit soll weiter vergrößert werden; vorgesehen ist dazu ein nationaler Impfpass, dank dem unabhängig von der jeweiligen Farbeinteilung das Verlassen der eigenen Region ermöglicht werden soll. Den Pass kann erwerben, wenn man entweder geimpft oder von einer Corona-Infektion genesen ist. (RND)

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