Ohne Mittagessen können Kinder und Jugendliche sich nicht richtig konzentrieren. Nicht alle Eltern können sich die Mahlzeiten aber leisten.
„Viele Kinder sind hungrig“Kölner Lehrer beklagt teures Schulessen – Petition gestartet

Eine Schülerin an der Theke einer Schulkantine (Symbolfoto)
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Statt eines warmen Mittagessens holen sich die Kinder und Jugendlichen einen Snack beim Bäcker oder einem benachbarten Kiosk. Oder essen einfach den ganzen Vormittag gar nichts. Numan Sarrac (42), Lehrer an der Höhenberger Katharina-Henoth-Gesamtschule, kennt Jugendliche, die den Tag über an Salzstangen knabbern, um den Hunger zu unterdrücken.
Damit das anders wird, will die Schule eine Petition an den Petitionsausschuss des Landtages NRW richten, in der gefordert wird, landesweit kostenlose Schulessen einzuführen. Bislang haben gut 11.600 Menschen unterschrieben. Ziel ist es, bis zum 28. November 30.000 Unterschriften einzusammeln.
Die Katharina-Henoth-Gesamtschule gilt als eine Brennpunktschule, weist mit der Indexstufe 9 den höchsten möglichen sozialen Belastungsfaktor auf, sagt Sarrac. 80 Prozent der Kinder hätten einen Migrationshintergrund, viele Familien seien auf Bürgergeld angewiesen. Da gebe es Väter, die drei Jobs haben, um die Familien über die Runden zu bringen, und alleinerziehende Mütter, die schon morgens früh zur Arbeit müssen und den Kindern kein Frühstück zubereiten können. Und manche Familien könnten sich das Mittagessen in der Schule nicht leisten. „Viele Kinder sind hungrig oder essen nur Mist den Tag über“, so Sarrac.
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Kein gutes Essen, keine guten Noten
Kein gutes Essen, keine guten Noten. Wer nicht richtig zu Mittag isst, könne spätestens am Nachmittag nicht mehr dem Unterricht folgen, so Sarrac. Die Schule habe bereits einiges getan: Mithilfe von privaten Spenden sei ein kostenloses Frühstück eingerichtet worden. Und um das Bewusstsein der Kinder und Jugendlichen für gutes Essen zu stärken, hat die Schule jüngst den TV-Koch Sebastian Lege eingeladen, der mit einigen Schülern vor Ort Asia-Waffeln als Alternative zu asiatischen Instant-Nudel-Suppen zubereitete. „Das schmeckt auf jeden Fall mit besser als sonst“, sagte einer der Schüler in der ZDF-Doku „Besseresser goes Schule“.

Die Katharina-Henoth-Gesamtschule
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Die Katharina-Henoth-Schule ist nur ein Beispiel von vielen. Fast ein Viertel der armutsgefährdeten Haushalte mit Kindern im Alter zwischen ein und 17 Jahren in Deutschland ist von Ernährungsunsicherheit betroffen, so das Ergebnis der Mega-Kids-Studie. „Ihr Zugang zu Lebensmitteln ist aufgrund von Geldmangel deutlich eingeschränkt“, sagt Wiebke Kottenkamp, Leiterin des Bundeszentrums für Kita- und Schulverpflegung. Mehr als die Hälfte der Kinder und Jugendlichen aus diesen Haushalten habe in der Kita oder Schule die Möglichkeit einer warmen Mittagsmahlzeit. Dies nähmen aber knapp 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen nicht in Anspruch, da es zu teuer sei.
Der vom Deutschen Bundestag eingesetzte Bürgerrat „Ernährung im Wandel“ empfiehlt daher ein kostenloses Schulessen. Ulrike Arens-Azevêdo von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg verwies in einem Papier des Bürgerrats auf internationale Studien aus Schweden, Finnland und den USA, welche die positiven Effekte eines kostenlosen und gesunden Mittagessens für alle Kinder zeigten.
Es führe langfristig zu mehr Lernerfolgen und verbessere damit auch die Chancen in Ausbildung und Beruf. Zudem entlaste es die Familien, insbesondere solche mit geringem Einkommen. Ernährungsmediziner Berthold Koletzko betonte, dass „in Deutschland ein großer Teil von Kindern und Jugendlichen die Ernährungsempfehlungen nicht einhalte, was unter anderem zu Mangelversorgung mit Vitaminen und Nährstoffen und Übergewicht führen könne“.
Diskussion im Düsseldorfer Landtag: Haushalt derzeit zu sehr belastet für kostenloses Schulessen für alle
Auch im Düsseldorfer Landtag wurde über das Thema bereits diskutiert. Im Juli forderte die SPD in einem Antrag, in NRW kostenlose Mahlzeiten für Kinder und Jugendliche in Kindertagesstätten und Schulen einzuführen. Auch in NRW gebe es „Kinder und Jugendliche, die morgens kein Schulbrot dabeihaben und nicht jeden Tag ein warmes Essen bekommen, weil schlichtweg das Geld dafür fehlt“, heißt es in dem Papier. Kostenlose Mahlzeiten in der Schule würden Eltern maßgeblich finanziell entlasten, sagt Dennis Maelzer, Sprecher für Kinder, Jugend und Familie der SPD im Landtag, im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Schüler und Schülerinnen beim Mittagessen (Symbolfoto)
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„Die Frage ist aber, wer bezahlt das“, entgegnet Norwich Rüße, Sprecher für Landwirtschaft, Tier- und Verbraucherschutz der Grünen im Landtag. Würde ein kostenloses Mittagessen für alle Schüler in NRW eingeführt, belaste dies den Landeshaushalt mit etwa zwei Milliarden Euro. Daher plädierten die Grünen für einen Zuschuss zum Schulessen – um ein oder zwei Euro pro Tag und Kind. Allerdings: Auch dieser Zuschuss sei derzeit finanziell kaum zu stemmen. Daher werde es wohl in dieser Legislaturperiode keinen Vorstoß zu diesem Thema geben.
Wir wollen, dass niemand hungrig in der Schule sitzt
„Wir wollen, dass niemand hungrig in der Schule sitzt“, sagt Florian Braun (CDU), Vorsitzender des Schulausschusses des Landtages und stellvertretender Kölner CDU-Parteichef. Viele Familien seien aber nicht auf kostenlose oder ermäßigte Schulessen angewiesen. „Mit gezielten Programmen erreichen wir mehr, als wenn wir das Geld mit der Gießkanne ausschütten.“ Familien mit einem geringen Einkommen könnten bereits jetzt schon Unterstützung aus dem Bildungs- und Teilhabepaket oder dem Härtefallprogramm „Alle Kinder essen mit“ des Landes erhalten. Zudem gebe es zahlreiche Initiativen wie „Brotzeit“ oder die Katholische Jugendagentur, die Familien und Schulen unterstützten.
Hier geht es zur Petition „Kostenfreies Schulessen für alle Kinder“.

