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Platz, Küchen, VerpflegungRecht auf Ganztagsbetreuung für Erstklässler stellt Stadt vor Probleme

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Die offene Ganztagsbetreuung der neu eingezogenen Grundschule am Niehler Kirchweg in Nippes hat bereits ausreichend Plätze - das ist nicht überall in Köln der Fall (Symbolbild).

Die offene Ganztagsbetreuung der neu eingezogenen Grundschule am Niehler Kirchweg in Nippes hat bereits ausreichend Plätze – das ist nicht überall in Köln der Fall. (Symbolbild)

Die Stadt Köln steht vor der großen Herausforderung, bis kommenden Sommer weitere Plätze im Offenen Ganztag an Grundschulen bereitzustellen. Dann gibt es einen Rechtsanspruch für Erstklässler.

Es geht um Geld, Platz und vor allem um Kinder. Wenn zum kommenden Schuljahr der Rechtsanspruch für einen Platz im Offenen Ganztag für Erstklässler kommt, stehen Schulen und die Stadt vor einer Herkulesaufgabe. Nach einer Abfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ in einigen Grundschulen fehlen in manchen Einrichtungen noch Plätze, um weitere Kinder zu betreuen. „Wir können nicht alle Kinder unterbringen, wenn wir die Kinder nicht nur verwahren wollen“, sagte eine Schulleiterin, die nicht namentlich genannt werden will. Bartosz Dowhan, Schulleiter an der Blumenberger Grundschule Ernstbergstraße, sagt: „In vielen Schulen fehlt es Betreuungsräumen, Mensen und finanziellen Ressourcen.“

Mit dem Ganztagsförderungsgesetz hatte der Bund 2021 beschlossen, stufenweise den Anspruch auf eine ganztägige Förderung für Kinder in Grundschulen im Jahr 2026 einzuführen. Er gilt zunächst für die erste Klasse und wird bis zum Schuljahr 2029/30 jährlich um je eine Klassenstufe ausgeweitet, sodass dann alle Grundschulkinder einen Platz erhalten sollen. Das Landeskabinett NRW verabschiedete im Juli 2024 einen Erlass, der die Details ab dem 1. August 2026 regelt, wobei die Kommunen vor Ort die konkrete Ausgestaltung übernehmen.

In vielen Schulen fehlt es Betreuungsräumen, Mensen und finanziellen Ressourcen
Bartosz Dowhan, Schulleiter an der Blumenberger Grundschule Ernstbergstraße

Vor allem die Mittagsmahlzeiten bereiten einigen Schulen Probleme. Schon bislang sei der Platz in ihrer Einrichtung so knapp bemessen, dass die Kinder nicht in einer Mensa, sondern nur in Speiseräumen essen könnten, sagte die Schulleiterin. Platz für eine Küche gebe es auch nicht, die Speisen müssten von einem Caterer geliefert werden. Künftig könnte es noch enger werden: Denn bislang könnten nur 220 der 300 Kinder am Offenen Ganztag teilnehmen. „Ich hoffe, dass ich nicht alle aufnehmen muss.“

Explizit lobt die Schulleiterin die Stadt. Man habe die Not erkannt und versuche, zu machen, was geht. Dem schließt sich eine andere Schulleiterin an. „Die Stadt leistet Unglaubliches, das Land macht aber nichts.“ Sie bemängelt, dass das Land im Erlass keine Qualitätsstandards festgeschrieben habe. Zum Beispiel sei es künftig möglich, den Ganztag 20 statt bislang 30 Tage, etwa in den Ferien, zu schließen. „Dafür gibt es aber nicht mehr Geld.“

Heike Berger, Prokuristin und Fachbereichsleiterin Bildung beim Sozialverband In Via, Träger von 23 Offenen Ganztagen an städtischen Grundschulen, glaubt zwar, dass an diesen Standorten der Rechtsanspruch grundsätzlich bewältigt werden kann. Allerdings hapere es in manchen Schulen an der Bausubstanz und am Platz. Die Küchen seien in die Jahre gekommen und es fehle etwa an adäquater Ausstattung wie Spülstraßen. „Wir gehen an den Grundschulen desolat in den Rechtsanspruch“, sagt Berger.

Wir gehen an den Grundschulen desolat in den Rechtsanspruch
Heike Berger, In Via

Die Stadt weist darauf hin, dass die Versorgungsquote für Kölner Kinder an Ganztagsplätzen bei 88 Prozent liege, räumt aber ein, dass zum Beginn des Schuljahres 2026/2027 noch 249 weitere Plätze eingerichtet werden müssen. „Bis zum Schuljahr 2029/2030 sind in Köln nach heutigen Prognosen voraussichtlich noch einmal weitere 1000 bis 1200 Plätze in Offenen Ganztagsschulen erforderlich“, teilt eine Sprecherin mit. Die räumliche Situation stellt an einigen Schulen eine besondere Herausforderung dar, insbesondere der Küchen- und Mensabereich und die damit verbundene Verpflegungssituation. Mit Ganztagsträgern und den Schulleitungen werde derzeit daran gearbeitet, Übergangslösungen zu finden, wie zum Beispiel die vorübergehende Umstellung auf Warmverpflegung von Caterern. Geprüft werde auch, ob an Schulen mit Platzproblemen das Mittagessen in den Klassenräumen eingenommen werden könne. Möglich sei auch, die Mahlzeiten in Räumen nahe gelegener Sportvereine, Jugendeinrichtungen oder Pfarreien auszuteilen.

Kalk, Porz und Chorweiler haben zu wenig Ganztagsplätze

Während die Stadtbezirke Innenstadt, Lindenthal und Ehrenfeld eher gut mit Ganztagsplätzen versorgt seien, gebe es in Kalk, Porz und Chorweiler noch Defizite. „Eine der Ursachen für die variierenden Versorgungsquoten ist, dass in der Vergangenheit in sehr gut versorgten Stadtbezirken eine deutlich höhere Nachfrage nach OGS-Plätzen bestanden hat und hier deshalb bereits besonders viele Plätze geschaffen wurden“, schreibt die Stadt. Die Verwaltung fokussiere sich bei dem weiteren Ausbau insbesondere auf die Schulstandorte in Brennpunkten, um der Chancen- und Bildungsgerechtigkeit Rechnung zu tragen.

Die Kommune klagt selbst darüber, dass sie vom Land nicht auskömmlich finanziert werde, so die Sprecherin. So stemme die Stadt nicht nur ihren Pflichtanteil an der Ganztagsfinanzierung in Grundschulen von 20 Millionen Euro, sondern zahle darüber hinaus eine weitere Förderung von 40 Millionen Euro. Weil das Land den Rechtsanspruch angeordnet habe, müsse es auch mehr finanzielle Mittel bereitstellen. „Das Land NRW ist nach Auffassung der Stadtverwaltung verpflichtet, die Kommunen für die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung dauerhaft finanziell ausreichend und angemessen ausstatten.“

Stadtverwaltung reicht Klage ein

Um der Forderung Nachdruck zu verleihen, reicht die Stadt eine Musterklageschrift einer Initiative des Städtetages NRW beim Kölner Verwaltungsgericht ein. Dem stimmte der Stadtrat am Dienstag im nichtöffentlichen Teil seiner Sitzung zu. In der Begründung heißt es, der freiwillige Anteil der Stadt für die Finanzierung der OGS-Betreuung habe sich im Vorjahr und im laufenden Jahr „noch einmal exorbitant erhöht“, „mit dem Eintritt des Rechtsanspruchs werden die kommenden Haushaltsplanaufstellungen noch herausfordernder.“ Grund seien etwa hohe Tarifsteigerungen bei den Ganztagsträgern.

Die sogenannte Feststellungsklage soll zunächst den Rechtsanspruch klären. Anschließend soll eine Kommunalverfassungsbeschwerde zusammen mit anderen Kommunen klarstellen, ob ein Verstoß gegen das Konnexitätsprinzip besteht. Es besagt, dass die Ebene, die eine öffentliche Aufgabe beschließt, auch deren Kosten tragen muss. Mit einer ähnlichen Beschwerde will die Stadt Köln bereits mehr Geld für die Kita-Finanzierung erstreiten.

Köln schließt sich Initiative des Städtetags NRW an

Andere Kommunen wie Düsseldorf und Krefeld haben diesen Schritt bereits gemacht. „Eltern und Kinder brauchen Verlässlichkeit“, sagte der Vorsitzende des Städtetages NRW, Oberbürgermeister Marc Herter aus Hamm. „Dazu muss auch das Land seinen Beitrag leisten.“ Für die Städte sei das ein „echtes Problem, denn sie stecken ohnehin in einer katastrophalen Finanzlage“.

„Wer bestellt, bezahlt. Doch beim Ganztag wird nicht einmal geteilt – von einer fairen Lastenverteilung kann keine Rede sein“, sagt Düsseldorfs Oberbürgermeister Stephan Keller. „Wir Kommunen tragen bislang zu einem überproportional großen Teil die Kosten für die Umsetzung des Ganztagsangebots.“ Allein 2025 habe Düsseldorf für vorbereitende schulorganisatorische Maßnahmen 26 Millionen Euro bereitgestellt. „Diese erhebliche Mehrbelastung muss künftig durch Bund und Land getragen werden“, so Keller.