FC-Geschäftsführer Wehrle im Interview„Alles hängt von der Corona-Pandemie ab“

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Wehrle Bause

Geschäftsführer des 1. FC Köln im Gespräch: Alexander Wehrle

  • Der 1. FC Köln und andere Vereine sind aufgrund des Coronavirus in einer einmaligen Lage.
  • Im Interview spricht FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle über die Kompensation von finanziellen Einbrüchen, Leihe und Transfers und Geisterspiele.
  • Außerdem verrät Wehrle, ob er während der Pandemie nicht lieber bei einem Investoren- oder Werksklub wär.

Herr Wehrle, beim 1. FC Köln sind Sie der Herr über die Finanzen. In diesem Sommer müssen Sie mit vielen Unbekannten arbeiten, allein schon wegen der offenen Frage, ob Zuschauer zugelassen werden. Wie ist da eine seriöse Planung möglich? Wehrle: Es ist eine besondere Herausforderung in diesem Jahr. Es sind ja nicht nur die Zuschauer-Einnahmen, die fehlen. Es stellt sich ja auch die Frage, wie sich die Marketing-Erlöse entwickeln und ob die TV-Einnahmen stabil sein werden. Das alles hängt von der Entwicklung der Corona-Pandemie ab. Wir haben wie in den Vorjahren eine Basisplanung gemacht sowie einen Best- und einen Worst-Case aufgestellt. Innerhalb dieser Korridore bewegen wir uns. Da gibt es Wahrscheinlichkeiten und Einschätzungen, und in Abhängigkeit dieser Einschätzungen treffen wir Entscheidungen.

Einen schlimmsten Fall, also 17 Heimspiele ohne Publikum, hat es allerdings noch nie gegeben.

Richtig. Aber es liegt in unserer Verantwortung, genau für diesen Fall einen Plan aufzustellen, um auch darauf vorbereitet zu sein. Beim Fernsehgeld hängt es vor allem davon ab, ob wir die Saison spielen können – oder ob es vielleicht wieder eine Pause gibt.

Wie haben Sie die Geisterspiele empfunden?

Fußball ohne Zuschauer kann keine Normalität sein und soll auch keine werden. Das haben wir alle gespürt. Ohne Fans fehlt einfach etwas Essenzielles. Manchmal ist es vielleicht auch gut, etwas zu vermissen, das vorher völlig normal war, um zu merken wie wichtig es ist. Aber was wäre die Alternative gewesen? Wenn auch noch die TV-Einnahmen weggebrochen wären, wäre es aus meiner Sicht für die Hälfte der Liga zu existenziellen Herausforderungen gekommen. Es war extrem wichtig, den Restart Mitte Mai hinzubekommen. Hätten wir das nicht gewagt, müssten wir uns jetzt wahrscheinlich wieder mit der Frage auseinandersetzen, ob wir überhaupt anfangen.

Hätte der 1. FC Köln die Saison überstanden?

Ohne TV- und Zuschauer-Einnahmen? Das wäre sehr, sehr eng geworden.

Was würde jetzt eine vollständige Saison ohne Zuschauer bedeuten?

Wir nehmen pro Heimspiel etwa 1,8 Millionen Euro ein. Das muss man dann nur mal 17 nehmen, dann hat man den Betrag.

Wo kann man solche Summen in einem Fußballverein sparen?

Das ist der FC-Geschäftsführer

Alexander Wehrle ist seit Januar 2013 Geschäftsführer des 1. FC Köln. Der 45-Jährige wurde in Bietigheim-Bissingen geboren und absolvierte ein Studium zum Diplom-Verwaltungswissenschaftler sowie einen Master of Public Policy and Management in Konstanz und Limerick. Unter anderem war Wehrle als Referent des Vorstands beim VfB Stuttgart (2003 bis 2013) tätig. Seit August 2020 gehört er zudem dem Präsidium der Deutschen Fußball Liga an.

Das wird man niemals vollständig kompensieren können. Wir beschäftigen uns mit Sparprogrammen über alle Abteilungen hinweg und fragen uns, was die Mindestanforderungen sind, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Es hat uns sehr geholfen, dass viele Fans und Partner verzichtet und uns so in großem Maße unterstützt haben und das auch weiterhin tun. Dazu gibt es das Thema Gehaltsverzicht, das betrifft Management und Lizenzspieler in so einem Extremfall. Und wir haben die Stadionpacht, auch darauf hat die Frage Auswirkungen, ob es zumindest zu Teilöffnungen kommen wird.

Wie laufen die Gespräche mit der Sportstätten-GmbH?

Wir hatten erste Gespräche mit den Kölner Sportstätten, jetzt folgen weitere mit der Stadt. Das lief bisher alles sehr konstruktiv und fair.

Würden Sie eine ganze Saison ohne Zuschauer über die Bühne bringen?

Das würden wir hinbekommen, denn wir haben Kreditlinien. Wir sind in Gesprächen, um im schlimmsten Fall zusätzlichen Spielraum zu bekommen und liquide zu bleiben. Unsere Aufgabe ist, auf jedes Szenario vorbereitet zu sein.

Sie müssten sich Geld leihen.

Das ist keine Frage, in einem solchen Fall bliebe keine andere Möglichkeit.

Haben Sie eine Vorstellung davon, wie die Saison verlaufen wird?

Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir noch in diesem Jahr Zuschauer im Stadion haben werden. Ich habe sogar eine kleine Hoffnung, dass wir das schon zum Saisonstart hinkriegen. Ende der Woche wissen wir mehr, wenn die Ministerpräsidenten getagt haben. Wir hatten mit unserem Gesundheitsamt sehr gute Gespräche, unser Konzept wurde als tragfähig bewertet. Sobald es ein Okay von der Politik gibt, werden wir das umsetzen. Daher kann ich mir gut vorstellen, dass wir das in diesem Jahr noch erleben werden.

Der deutsche Fußball hat sich mit dem frühen Restart exponiert. Haben Sie internationale Reaktionen darauf bekommen?

Definitiv, weltweit wurde das Konzept »Made in Germany« gelobt. Die DFL hat da sehr gute Arbeit geleistet. Hinzu kam, dass wir gemeinsam mit der Politik auch den Mut aufgebracht haben, es zu umzusetzen. Und es konnte nur so gut funktionieren, weil die Politik zuvor einen sehr guten Job gemacht hatte. Deswegen ist es jetzt so wichtig, Teilöffnungen gemeinsam mit der Politik zu planen und nicht einander öffentlich Forderungen zu stellen. Dennoch müssen wir sagen: Wenn andere Unterhaltungsindustrien wie Freizeitparks wieder Gäste empfangen dürfen, finde ich es völlig legitim, wenn wir mit einem tragfähigen Konzept den Dialog suchen.

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Horst Heldt muss nun mit leeren Taschen losziehen und Spieler besorgen. Wie sind da die Abläufe?

Wir beide stehen mit Markus Gisdol und Frank Aehlig im sehr engen Austausch über die Entwicklungen und haben einen Plan, wie wir vorgehen wollen. Wir haben eine ganz klare Zielsetzung, und ich bin mir absolut sicher, dass wir die auch erreichen werden. Die Schritte, die dorthin führen, müssen wir allerdings mit einer gewissen Flexibilität versehen (lacht). Unsere Planungen stehen bereits seit einiger Zeit und sind mit den Vereinsgremien abgestimmt. Es ist ja nicht so, dass wir einfach lustig drauflos laufen.

Das Budget für die Mannschaft steht?

Wir haben uns mit dem Vorstand darauf festgelegt und die Zustimmung des Gemeinsamen Ausschusses bekommen. Jetzt steht ein gemeinsames Budget, hinter dem alle stehen.

Wären Sie momentan nicht lieber ein Investoren- oder Werksklub?

Man sieht in dieser Phase, dass sich Vereine, die Anteile veräußert haben oder Investoren-geführt sind, jetzt leichter tun als mitgliedergeführte Vereine. Dass der Profifußball jetzt vielleicht weiter auseinanderdriftet, ist eine wahrscheinliche Entwicklung, je nachdem, wie lange die Pandemie anhält. Wir müssen unsere Wettbewerber natürlich genau im Auge behalten. Für den FC haben wir einen klaren Plan entwickelt mit dem Vorstand, und den ziehen wir jetzt auch so durch.

Wie weit sind Sie beim Thema Gehaltsverzicht?

Wir haben erste Gespräche geführt, werden die aber im Laufe des nächsten Monats intensivieren, wenn der Mannschaftsrat final steht.

In der vergangenen Saison hat die Mannschaft das Ziel am vorletzten Spieltag erreicht. Gibt es eine neue Zielsetzung – können Sie einschätzen, wie sich die Konkurrenz präsentieren wird?

Für uns wäre ein Klassenerhalt im zweiten Jahr nach dem Aufstieg wieder ein Erfolg. Letzte Saison war es am vorletzten Spieltag, wenn wir das diesmal noch etwas früher hinbekommen, hätte ich nichts dagegen.

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