Kommentar zur WMDer Fußball funktioniert, doch die Probleme bleiben

Ein Kommentar von
Lesezeit 3 Minuten
Fifa-Präsident Gianni Infantino spricht auf einer Pressekonferenz des Fußball-Weltverbands in Katar.

Gianni Infantino adelte die Weltmeisterschaft in Katar erwartungsgemäß als „beste aller Zeiten“.

Es war richtig, die Menschenrechtslage in Katar zu kritisieren, auch als der Ball rollte. Dennoch machten die Deutschen keine gute Figur.

Gianni Infantino hat pünktlich zum Finalwochenende den erwartbaren Superlativ formuliert und von der „besten WM aller Zeiten“ gesprochen. Die Menschen seien in Katar zusammengekommen, um „die Probleme zu vergessen und Spaß zu haben“, erklärte der Fifa-Präsident. Als sei es das ultimative Ziel unserer Zivilisation: vergessen und Spaß haben dabei.

Das Turnier an sich war aber wohl tatsächlich ein Erfolg. Die Stadien waren besser gefüllt als erwartet, der Fußball vor allem athletisch auf erstaunlichem Niveau. Und im Finale stehen sich die besten Spieler unserer Zeit gegenüber: Lionel Messi schreibt als 35-Jähriger ein epochales Fußballmärchen, während Frankreichs Kylian Mbappé das Wunder vollbringen könnte, sich im Alter von 23 Jahren zum Doppel-Weltmeister zu machen und damit auf Pelés Spuren zu wandeln.

Dass beide Superstars bei Paris St.-Germain spielen, Katars Staatsklub, ist eine Fußnote der Geschichte, die bei der Deutung dieses großen Endspiels keine Rolle spielen sollte. Katars Elf schied als erster Gastgeber der WM-Geschichte als Gruppenletzter nach der Vorrunde aus. Offenbar gibt es Dinge, die man nicht kaufen kann.

Der Fußball funktioniert immer, das ändert jedoch nichts an der Gesamtlage

Dass organisatorisch alles funktionierte, darf keine Überraschung sein in einem Land, in dem dank endloser finanzieller Ressourcen an jeder Ecke jemand steht, der irgendwelche Dienste verrichtet. Sogar Dohas berüchtigter Verkehr floss: Die Schulen blieben geschlossen, es herrschte Pflicht zum Homeoffice. Derartige Eingriffe in die persönliche Freiheit wegen einer Fußball-WM wären hierzulande undenkbar. In Katar dagegen war man begeistert davon, wie reibungslos alles lief.

Und der Fußball funktioniert ja ohnehin immer. Dass die Stadien nun keine Baustellen mehr sind, ändert jedoch nichts daran, dass für ihre Errichtung Menschen ausgebeutet wurden und manche mit dem Leben bezahlen mussten.

Zumindest den deutschen Fußballern wäre dennoch zu wünschen gewesen, die Probleme dieser WM zumindest auf dem Fußballplatz hinter sich lassen zu können. Sie hatten genug damit zu tun, sich eben keine 20 Minuten wie im Spiel gegen Japan zu leisten, die sie das Turnier kosteten. Obgleich die Frage bleibt, ob diese deutsche Mannschaft, die seit einer gefühlten Ewigkeit keine relevanten Spiele mehr gewinnt, wegen der Debatte um die „One Love“-Binde ihre Siegermentalität verloren hat. Oder ob das nicht schon vor Jahren passiert ist.

Von Verbandsseite war es ein Musterbeispiel an Inkonsequenz: Wenn man zu einer Party eingeladen ist, deren Gastgeber man unerträglich findet, gibt es nur eine Möglichkeit: nicht hinzugehen. So ließ man die DFB-Spieler allein auf der größten Bühne ihres Sports.

Für die deutschen Sportler war das bitter. Doch wegen des Spotts derer, die uneingeschränkt Spaß hatten in Katar und die Probleme vergaßen, muss sich kein Nationalspieler schämen.

KStA abonnieren