Bayer 04 LeverkusenJonas Boldt ist der Mann, der die Spieler holt

Mann im Stadion: Jonas Boldt, Manager Sport bei Bayer 04 Leverkusen
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Leverkusen – Das entscheidende Jahr in der Karriere von Jonas Boldt war 2007. Damals lebte der junge Deutsche in Buenos Aires, um zwei Dinge zu tun. Erstens: Die spanische Sprache zu studieren. Zweitens: Für seinen Verein Bayer 04 Leverkusen nach geeigneten Spielern Ausschau zu halten. Der Sohn eines Lufthansa-Managers, damals 25, hatte den Werksklub schon von innen kennengelernt. Und er hatte sich als Praktikant und freier Mitarbeiter so tüchtig angestellt, dass der frühere Manager Michael Reschke ihm riet, doch Kontakt zur aufstrebenden TSG Hoffenheim zu suchen. „Er sagte mir: ,Jonas du kannst was, aber mit der Festanstellung, das wird schwer hier, denn hier wird gerade nicht eingestellt. Du kommst doch aus Heidelberg und die haben einen guten Plan und einen reichen Mäzen. Das wäre eine super Adresse'.“ Aber dann entdeckte Boldt bei der südamerikanischen Qualifikation zur U-20-WM den Chilenen Arturo Vidal und war gegen interne Widerstände maßgeblich an der Verpflichtung des Spielers beteiligt. Der Rest ist bekannt. Vidal wurde bei Bayer 04 zum Star und bei Juventus Turin zum Superstar. Und Boldt bekam die Festanstellung. „Ich wollte nie etwas anders“, sagt er, „denn das hier ist mein Klub.“
Seit Michael Reschke im Sommer 2014 zum FC Bayern wechselte, ist Jonas Boldt (32) der jüngste Manager der Fußball-Bundesliga. Und seine erste Amtshandlung war es, den heiklen Wechsel von Hakan Calhanoglu vom HSV zu Bayer 04 für 14,5 Millionen Euro auf die sichere Seite zu bringen. „Hinterher sagte mir jemand, dass mein erster Transfer der teuerste der Vereinsgeschichte war“, sagt Boldt kurz vor Beginn der Rückrunde gegen Borussia Dortmund, „aber ich habe das nicht so empfunden, ich habe einfach nur meine Arbeit gemacht.“
Flieger für Calmund
Jonas Boldt ist ein strategischer Kopf, dem große Namen, große Zahlen und große Ideen keine Angst machen. Er war immer der Jüngste, der Unbekannteste und konnte weder eine Karriere als Spieler, noch eine Vita im Fußball, noch Beziehungen zu wichtigen Personen vorweisen. Sein einziger Verbindungsmann zu Bayer 04 war sein Vater, der dem früheren Vielflieger Reiner Calmund immer die richtigen Maschinen vermittelte. Heute ist er wichtigster Mitarbeiter und Vertrauensperson von Rudi Völler. „Jonas und ich arbeiten sehr eng zusammen“, erklärt der Sportchef, „er ist auch der Grund, warum wir den Wechsel von Michael Reschke zum FC Bayern relativ gelassen sehen konnten. Zwischen uns passt einfach die Chemie, das ist nicht nur eine geschäftliche Beziehung.“
Boldt ist Bindeglied zwischen der Klubführung, dem Lizenzspielerkader und der Nachwuchsabteilung. Am meisten gelernt hat er von Michael Reschke, „Er war mein größter Förderer und Ziehvater“, sagt der 32-Jährige, „er hat sich den Wechsel zum FC Bayern verdient, aber ich glaube, dass Michael eher der Bauchmensch ist und ich der Kopfmensch.“ Deshalb hat Boldt das interne System des Scoutings und Spieler-Managements mit Sportchef Rudi Völler und Geschäftsführer Michael Schade noch einmal ein wenig verändert. „Das ist das Gute an Bayer 04, wir sind ja nicht gerade ein Chaos-Klub, hier herrschen geordnete Verhältnisse. Ich habe etwas Funktionierendes übernommen.“
Die Bindung zu Trainer Roger Schmidt ist eng. Man ist vom eingeschlagenen Weg überzeugt. „Wir spielen jetzt einen anderen, attraktiveren Fußball. Das war eine große Veränderung, wir hätten auch eine Durststrecke erleben können. Das muss man würdigen“, meint Boldt. Trotzdem wird der Werksklub dem Trainer nicht jeden Wunsch erfüllen.
Causa Kampl
Ein Beispiel dafür war der Spieler Kevin Kampl, der bei Bayer 04 ausgebildet wurde und unter Roger Schmidt in Salzburg zum Klassespieler reifte. „Der Trainer wollte ihn unbedingt haben. Das kann ich verstehen, denn Kampl ist irgendwie sein Spieler“, sagt Boldt, der dann mit Bayer 04 Wege sondiert hat, den Slowenen zurückzuholen. „Wir hatten da auch schon Modelle, wie das zu finanzieren ist. Aber dann hat Dortmund in der Not das Geld einfach auf den Tisch gelegt und Kevin war plötzlich schon immer Dortmund-Fan. Da konnten wir dann nichts machen.“
Denn es gab parallel eine wichtige Baustelle zu schließen. Die fixe Verpflichtung des 19-Jährigen Supertalentes Tin Jedvaj vom AS Rom ging vor. Bayer 04 hatte zwar die Chance, den Kroaten 2016 für eine Summe zu verpflichten, aber die Italiener hatten ein Rückkaufsrecht. Und da sie aktuell gerade an Bargeld interessiert waren, hat Bayer 04 die Transferrechte an Jedvaj erworben. Boldt: „Das war eine strategische Entscheidung, aber sie ist auch im Sinne des Trainers. Sonst hätte er uns vielleicht in eineinhalb Jahren gefragt, warum es uns nicht gelingt, diesen Spieler zu halten.“
Entscheidungen von solcher Tragweite fallen bei Bayer 04 nicht mehr ohne Jonas Boldt. „In Hierarchien muss es so sein, dass an einer Stelle jemand die Dinge zusammenführt und etwas entscheidet“, sagt er, „und das geschieht bei uns auf dieser Ebene mit Michael Schade, Rudi Völler und mir. Am Ende ist es immer eine Leistung des gesamten Teams, das dahinter steht. Anders geht es nicht.“