Bayer 04 sucht einen Nachfolger für Erik ten Hag, der sich mehrere Verfehlungen geleistet hat. Einige Kandidaten hat man im Blick.
Wirbel bei Bayer 04Warum ten Hag gefeuert wurde und wie die Trainersuche läuft

Bayers Sportgeschäftsführer Simon Rolfes (l.) und Ex-Trainer Erik ten Hag beim Testspiel in Bochum im Juli.
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Eigentlich war die Länderspielphase für Simon Rolfes als Zeit der Erholung angedacht, den Akku nach einer anstrengenden wie bemerkenswerten Transferphase aufladen. Doch daraus wird nichts – selbstverschuldet. Die jähe Entlassung von Erik ten Hag sorgt dafür, dass der Sportgeschäftsführer von Bayer 04 auch die kommenden Tage durcharbeiten muss. Ein neuer Cheftrainer wird gesucht. Bis er vorgestellt wird, kann es allerdings noch eine Weile dauern.
Am Montagabend, einige Stunden nach seiner Beurlaubung in der Bay-Arena, meldete sich ten Hag zu Wort. Dem Niederländer war daran gelegen, schnellstmöglich seine Version der Geschichte zu erzählen, um seine Reputation so gut es geht, zu retten. „Die Entscheidung der Verantwortlichen von Bayer Leverkusen heute Morgen, mich zu beurlauben, kam völlig überraschend. Sich nach nur zwei Ligaspielen von einem Trainer zu trennen, ist beispiellos“, hieß es in einem Statement, das der 55-Jährige über seine Agentur SEG verbreiten ließ. „Ich habe diese Stelle mit voller Überzeugung und Energie angetreten, aber leider war das Management nicht bereit, mir die nötige Zeit und das nötige Vertrauen zu schenken, was ich zutiefst bedauere. Ich habe das Gefühl, dass dies nie eine Beziehung war, die auf gegenseitigem Vertrauen basierte“
Aus Leverkusener Sicht stimmt das alles nicht ganz, dort wird es eher als rapider Vertrauensentzug in kurzer Zeit gewertet, den sich ten Hag komplett selbst zuzuschreiben hat. Bereits im Trainingslager in Brasilien, wenige Wochen nach Jobbeginn, zeigten sich die Verantwortlichen nach Informationen dieser Redaktion enttäuscht vom Nachfolger von Meistercoach Xabi Alonso. Die Qualität der Trainingseinheiten und die fehlende Emotion beim Teambuilding wurden mit großer Verwunderung wahrgenommen. Bei der Arbeit auf dem Platz, bei internen Besprechungen, bei der Öffentlichkeitsarbeit – überall hinterließ ten Hag bei den anderen Leverkusener Angestellten Kopfschütteln.
Keine Teamansprache vor Bundesligaspiel
Der Eindruck des Zweifels hatte sich dann auch in den Folgewochen nicht gebessert, im Gegenteil: Er wurde noch verstärkt. Ten Hag wird als beratungsresistent beschrieben, wollte sich auch immer wieder entgegen vorheriger Absprachen in die Kaderplanung einmischen, schlug dabei auch vermehrt Spieler „seiner“ Agentur SEG vor. Der ehemalige Trainer von Ajax Amsterdam und Manchester United soll zudem keinen Draht zur Mannschaft gefunden und ohne Emotionen gecoacht haben. Kurz vor dem Spiel gegen Hoffenheim hatte der Trainer keinerlei Ansprache ans Team gehalten und sich danach gar überrascht gezeigt, dass es so ruhig in der Kabine gewesen sei. Einige Spieler konnten es nicht fassen.
Nach nur zwei Monaten im Amt hatte ten Hag auf allen Ebenen keinen Fürsprecher mehr im Klub. All das führte dazu, dass das Arbeitsverhältnis mit ten Hag nach 60 Tagen bereits wieder beendet wurde. Selbst ein Sieg in Bremen (3:3) hätte ihn nicht mehr gerettet, so schockiert war die Führungsetage. Es ist ein teures Fehlereingeständnis für Leverkusen: Die Abfindung soll nach Informationen der „Sport Bild“ bei festgeschriebenen 5 Millionen Euro liegen.
Rolfes hatte sich im Mai bei der Trainerentscheidung intern durchgesetzt, entschied sich – auch wegen des Zeitdrucks – für ten Hag und ignorierte die Warnsignale, die dem Coach besonders aus der Zeit bei Manchester United vorauseilten. Es ist ein Fehler, für den die Verantwortlichen gemeinsam zeichnen, doch Rolfes weiß, dass er als Hauptverantwortlicher den Kopf für Trainerentscheidungen hinhalten muss – in diesem Fall für beide. Die Einstellung und die schnelle Korrektur. Für Letzteres wird der 43-Jährige zu großen Teilen öffentlich zerlegt. Oberflächlich betrachtet eine logische Schlussfolgerung: Der neue Trainer soll eine nahezu komplett neu zusammengestellte Mannschaft formen und muss dann schon nach drei Pflichtspielen gehen – das wirkt unverständlich.
Doch Rolfes handelte einzig und allein nach der Überzeugung, was für den Klub am besten ist – die Außenwirkung war kein Kriterium. Es ist nur konsequent, eine falsche Entscheidung zu akzeptieren und zu korrigieren, anstatt – wie viele seiner Amtskollegen – darauf zu hoffen, dass sie sich mit der Zeit doch noch als richtig herausstellen wird. Dennoch ist Rolfes klar, wie wichtig es ist, dass der nächste Trainer liefert – von Beginn an. Große Experimente wird es daher nicht geben.
Am Dienstag leiteten die Co-Trainer Andries Ulderink und Rogier Meijer, die zusammen mit ten Hag gekommen waren, die Einheit an der Bay-Arena. Ein Spieler soll danach in der Kabine gesagt haben, es sei das beste Training der Saison gewesen. Ulderink (56) ist seit der Jahrtausendwende im Trainergeschäft, hat Erfahrungen als Co-Trainer unter Peter Bosz, Jaap Stam oder Mark von Bommel gesammelt und war auch bereits Chef bei De Graafschap, Ajax Amsterdam II und zuletzt Royal Antwerpen. Meijer (46) ist noch nicht so lange im Geschäft, arbeitete sich aber konsequent nach oben und war zuletzt fünf Jahre Cheftrainer beim niederländischen Erstligisten NEC Nijmegen. Es ist möglich, dass beide die Verantwortung beim kommenden Bundesligaspiel gegen Eintracht Frankfurt am übernächsten Freitag tragen werden.
Schnelle Entscheidung nicht erwartet
Doch Rolfes ist auf der Suche nach einem externen Cheftrainer. Dass es diese Woche noch zu einer Entscheidung kommt, gilt aber als sehr unwahrscheinlich. Einen Trainer von einem anderen Klub loseisen zu können, wird von den Verantwortlichen als unrealistisch betrachtet. Es wird somit aller Voraussicht nach auf einen Coach hinauslaufen, der derzeit ohne Anstellung ist. Bei der Suche gelten ähnliche Kriterien wie im April und Mai. Der neue Trainer muss Englisch sprechen können, soll einen attraktiven, technischen Fußballstil spielen lassen und eine Mannschaft in kürzester Zeit zu einem echten Team formen können.
Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ sind Edin Terzic, Domenico Tedesco, Ralph Hasenhüttl, Xavi oder Jose Mourinho kein Thema. Ein Name auf der Kandidatenliste ist hingegen Marco Rose (48), der bis März an der Seitenlinie bei RB Leipzig und zuvor bei Borussia Dortmund und Borussia Mönchengladbach unter Vertrag stand. Auch Kasper Hjulmand (53) gilt als Kandidat.