Bundesliga-AbstiegKramers Abrechnung mit Gladbach zeigt das Ausmaß der Tragödie

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Christoph Kramer und Kollegen nach dem 2:3 in Stuttgart

Köln – Der Gewinner des 25. Spieltag der Fußball-Bundesliga heißt VfB Stuttgart. Den Schwaben gelang ein 3:2-Sieg nach 0:2-Rückstand über Borussia Mönchengladbach. Hertha BSC ist nach dem 1:4 gegen Frankfurt in höchster Not. Die Gefahr eines weiteren Verlustes großer Traditionsvereine wird für die deutsche Eliteklasse immer realer, zumal Schalke 04 und der Hamburger SV durch ihre Niederlagen in der Zweiten Liga im Aufstiegsrennen weiter an Boden verloren. Und den besten Eindruck der Gefährdeten macht der VfB Stuttgart, der trotz des Sieges noch auf dem direkten Abstiegsplatz 17 steht.

Was ist den Gladbachern nach ihrer 2:0-Führung widerfahren, dass sie sich von einem zuvor eher depressiven Tabellenvorletzten in der zweiten Halbzeit an die Wand spielen ließen? Darauf suchten nachher alle Antworten. Und niemand fand überzeugendere als der Ex-Nationalspieler Christoph Kramer, der mit der Mannschaft, dem Trainerteam, der ganzen Organisation vor dem Sky-Mikrofon abrechnete, wie man es aus dem Mund eines Spielers noch selten gehört hat. Der Weltmeister von 2014 sagte: „Wir haben 1000 Baustellen.“ Er zählte die sportlichen wie auch die zwischenmenschlichen auf. Und bescheinigte den Kritikern, die der Borussia fehlende Einsatzbereitschaft, mangelndes taktisches Konzept und Grüppchenbildung vorwerfen: „Alle haben Recht.“ Längst sei man an einem Punkt angelangt, an dem es nicht mehr um fußballstrategische Fragen gehe: „Mit dem hohen Anlaufen tun wir uns schwer, mit dem tiefen Verteidigen tun wir uns schwer. Wir stehen hinten drin und haben keinen Zugriff. Dreierkette, Viererkette, das ist alles ganz egal. Wir müssen viele Dinge angehen.“

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Was sagt eine solch vernichtende Generalkritik über die Arbeit des Trainers Adi Hütter aus? Normalerweise so viel, dass ein Spieler, der sich so äußert, um seine künftige Nominierung bangen und mit einer Bestrafung wegen Unbotmäßigkeit rechnen muss. Über den Punkt ist man in Gladbach in der Zeit nach dem Abgang von Max Eberl längst hinaus. Weil die Borussen noch ein kleines Polster von fünf Punkten von den Abstiegsplätzen trennt, sagt Roland Virkus: „In erster Linie müssen sich die Jungs an die eigene Nase fassen. Es ist immer einfach, den Trainer zu hinterfragen.“

Wer ist Roland Virkus? Eigentlich ist Roland Virkus Leiter des Gladbacher Nachwuchsleistungszentrums. Nach Max Eberls Flucht muss er die Rolle des Sportdirektor spielen.

Berlins Geschäftsführer Fredi Bobic hatte noch in der Vorwoche garantiert, dass die Hertha mit Tayfun Korkut als Trainer die Saison beenden werde. Ist diese Garantie nach dem 1:4 gegen Frankfurt noch aufrecht zu erhalten? Nur dann, wenn der Hertha egal ist, in welcher Liga sie kommende Saison spielt. Stand jetzt steht sie mit einem Punkt Vorsprung auf Stuttgart auf einem Relegationsplatz. Tayfun Korkut hat mit neun Punkten aus zwölf Spielen weit weniger Erfolg als sein wegen Erfolglosigkeit freigestellter Vorgänger Pal Dardai (14 Punkte aus 13 Spielen). Die gemeinsame Zeit der einstigen Jugendspieler Bobic und Korkut bei den Stuttgarter Kickers trägt als Basis für Hoffnung bei der Hertha nicht mehr. Und Korkuts einzigartige Fähigkeit, Niederlagen ungerührt als Indizien für die Wirksamkeit seiner Arbeit zu erklären, stößt an ihre Grenzen, wenn es nur noch Niederlagen gibt.

Gibt es einen Grund, der dafür spricht, dass Mönchengladbach und Berlin nicht alle ausstehenden Spiele in dieser Saison verlieren? Ja, den gibt es. Sie spielen am kommenden Samstag gegeneinander.

Der SC Freiburg hat mit dem 1:1 bei RB Leipzig ein weiteres Beispiel für seine Zugehörigkeit zur Bundesliga-Spitze und seine Reife unter Druck geliefert, auch wenn das Gegentor durch Angelino erst in der 86. Minuten fiel. Trainer Christian Streich ordnete die Dinge wir gewohnt in ihrer ganzen Komplexität ein. „Ich finde diese Stadt außergewöhnlich toll. Ich komme wahnsinnig gerne her, auch zum Fußball spielen“, sagte der Trainer des SC Freiburg. Doch ein Makel bleibt: „Wahrscheinlich werde ich in meinen Leben hier nicht mehr gewinnen.“ Die Irritationen um einen militärisch anmutenden Salut-Jubel des Torschützen Ermedin Demirovic nach dem 1:0 in der 36. Minute moderierte Streich vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise weg: „Natürlich denken die Jungs nicht ans Militär, wenn sie das machen.“ Die solidarische Haltung der Liga, die sich symbolisch ganz in ukrainischen Farben präsentiert hatte, nahm daran keinen Schaden. Der FC Bayern ließ die Allianz-Arena nach dem 1:1 gegen Leverkusen ganz in Himmelblau und Weizengelb erstrahlen.

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