Corona bei Athleten„Sportler haben teilweise drastische Leistungseinbrüche“

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Port Predel

Hans-Georg Predel, Professor an der Deutschen Sporthochschule Köln. 

  • Hans-Georg Predel ist Sportmediziner und Professor an der Deutschen Sporthochschule Köln.
  • Seit Frühjahr 2020 leitet er eine Studie zu den Auswirkungen einer Covid-Erkrankung bei Leistungssportlern
  • Ein Gespräch über die Schwächen eines sehr aktiven Immunsystems, „Long-Covid“ und wieso eine Sportpause auch bei asymptomatischen Verläufen sinnvoll ist.

Köln – Herr Professor Predel, Sie leiten eine Studie zu Corona-Folgen bei Leistungssportlern. Was zeigen Ihre Ergebnisse bisher?

Wir sehen, dass viele Athleten nach dem Infekt noch länger eingeschränkt sind. Viele zeigen eine generelle Fatigue, sie sind einfach müde und fühlen sich nicht wirklich belastbar. Das passiert oft nach viralen Infekten, aber hier ist das Phänomen besonders ausgeprägt. Die Fatigue zeigt sich noch Wochen, teilweise Monate nach der Akutphase der Erkrankung. Sportler haben teilweise drastische Leistungseinbrüche, obwohl Lunge, Herz und die anderen Organe alle okay sind. Das ist natürlich im Hinblick auf Olympia nicht gerade beruhigend für viele Athleten. Wir sehen aber auch, dass mit Wiederaufnahme des Trainings die meisten Athleten relativ schnell wieder an ihre Leistungsfähigkeit vor der Erkrankung anknüpfen können.

Eigentlich denkt man ja, dass gerade Sportler gute Chancen haben auf einen milden Corona-Verlauf. Halten sie diesen Optimismus für gerechtfertigt?

Sportler sind meist jung, fit und haben ein aktives Immunsystem. In einigen Fällen, allerdings, spielt es bei einer Corona-Infektion auch bei diesen jungen Menschen einfach verrückt, ist überaggressiv gegenüber dem Virus und kann so Schäden verursachen. Sportler haben außerdem oft Infekte der oberen Atemwege, weil sie viel und intensiv große Mengen an kalter Luft einatmen. Corona ist ebenfalls ein Infekt der Atemwege. Was weiterhin ganz wichtig ist: Athleten haben das berühmte „Open Window“. Nach einem intensiven Wettkampf oder Training haben sie ein bis zwei Stunden eine empfindliche Phase, in der sie sich schneller infizieren können. Nach unseren bisherigen Erfahrungen werden Athleten jedoch insgesamt eher schneller mit einer Corona-Infektion fertig. Die meisten haben nur ein paar Tage Einschränkungen, teilweise jedoch ganz erheblich.

Die Sportmedizinerin Anja Hirschmüller sagte, dass bei Sportlern häufiger als erwartet das Herz von der Infektion betroffen ist. Bestätigen ihre Studienergebnisse dies?

Bei viralen Infekten generell kann das Herz mit betroffen sein. Das passiert häufig in Form einer Myokarditis, einer Herzmuskelentzündung, die man oft gar nicht selbst registriert. Doch bisher haben wir bei unseren 30 bis 35 Studienteilnehmern bis auf einzelne, kleine Herzrhythmusstörungen keine Hinweise auf eine kardiale Mitbeteiligung gefunden. Dabei haben wir einige Athleten, die sich kürzlich infizierten, wirklich „auf links“ gedreht, was Herz und Lunge angeht. Stand heute lautet meine Prognose: Die Häufigkeit einer kardialen Mitbeteiligung wird so sein wie bei anderen bekannten viralen Infekten. Ich würde jetzt keine Panik verbreiten oder Alarmglocken aufschrillen lassen, dass jeder infizierte Athlet auch eine Myokarditis hat. Ich würde eher einen ganz vorsichtigen Optimismus verbreiten. Was neue Virusmutationen bringen, wissen wir natürlich nicht. Wir müssen sehr vorsichtig und wachsam bleiben!

Sollten asymptomatische Athleten in der Quarantäne weiter trainieren oder sehen Sie das als gefährlich an?

Sie können in der Quarantäne ein bisschen was tun. Aber sie dürfen auf keinen Fall ein intensives Training machen. Das ist ganz wichtig, weil die Gefahr einer Herzmuskelentzündung längst nicht vom Tisch ist und auch andere Komplikationen drohen können. Wir empfehlen den Athleten dringend, sich auch zwei bis drei Wochen nach Abklingen des akuten Covid-19 Infekts noch zu schonen. Das hören sie natürlich nicht gerne. Athleten sind sehr unruhig und wollen trainieren. Aber hier müssen wir derzeit noch mehr als bei anderen Infekten den Daumen drauf halten.

Welche Langzeitfolgen haben Sie bisher beobachtet?

Wir haben Teilnehmer, die nach dem Infekt noch die typischen Symptome des sogenannten „Long-Covid“ zeigen, beispielsweise die erwähnte Müdigkeit, trockener Reizhusten sowie Geschmacks- und Geruchsstörungen. Aber die würde ich noch nicht als Langzeitfolgen bezeichnen, denn Long-Covid dauert in der Regel vier bis sechs Monate. Eine typische Langzeitfolge, das ist etwas, das möglicherweise noch länger anhält und möglicherweise sogar chronisch ist. Gerade das untersuchen wir derzeit bei unseren Athleten, die Studie ist ja noch lange nicht abgeschlossen. Aber bis jetzt haben wir erfreulicherweise keine Hinweise auf chronische Organschäden, die regelhaft auftreten.

Man hat auch von Corona-Erkrankten gehört, die nun eine geringere Lungenkapazität haben. So etwas bedeutet für Olympia-Sportler das Karriere-Aus.

Natürlich habe ich davon gehört, es werden auch einige Fälle in der Literatur beschrieben. Wir sehen, dass in der unmittelbaren Frühphase nach der Infektion einige Sportler ein vermindertes Lungenvolumen haben. Nach unseren vorläufigen Befunden stabilisiert sich dieser Befund sehr schnell wieder. Die Langzeit-Untersuchungen stehen jedoch - genau wie das Gesamtergebnis der Studie - noch aus.

Wie viele Ihrer Teilnehmer hatten einen schweren Coronaverlauf?

Von den 30 bis 35 Teilnehmern kann man die an einer Hand abzählen. Schwer war in dem Fall, dass sie wirklich ein massives Krankheitsgefühl über 10 bis 14 Tage in Verbindung mit Fieber hatten. Ins Krankenhaus musste aber keiner.

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Sportler sind auf Sponsoren angewiesen. War für die Sportler, die sie betreut haben, die Sorge groß, nach der Infektion als chronisch krank zu gelten und anschließend Sponsoren zu verlieren?

Das sehe ich definitiv so. Sportler leben natürlich von ihrem Image der Gesundheit, der Fitness und der hohen Leistungsfähigkeit. Da ist natürlich so eine Erkrankung nicht gerade imagefördernd. Ich glaube, nur Wenige sagen gerne, dass sie gerade die Erkrankung durchlaufen haben. Dafür habe ich großes Verständnis.

Ihre Studienteilnehmer sind jung, zwischen 20 und 30 Jahren. Eigentlich gerade in dem Alter, wo man wirklich denkt, sie haben die besten Chancen auf einen asymptomatischen Verlauf.

Das ist genau das Besondere an unsere Studie: Mit den Athleten haben wir die Möglichkeit, wie durch ein Brennglas in die Problematik reinzuschauen. Wenn ein Athlet unter Ruhebedingungen asymptomatisch ist, dann aber wieder an die Grenzen seiner körperlichen Leistungsfähigkeit geht, wird sich sehr schnell zeigen, ob er wirklich kerngesund ist. Oder ob eben doch minimale Schäden bestehen, die möglicherweise dauerhaft bleiben. Hier wollen wir natürlich frühzeitig eingreifen, um die Gesundheit und Leistungsfähigkeit auch langfristig zu erhalten.

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