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Radsport112. Tour: Dominator Pogacar und eine deutsche Hoffnung

Lesezeit 4 Minuten
Kommt es wieder zum Duell zwischen Tadej Pogacar (l) gegen Jonas Vingegaard?

Kommt es wieder zum Duell zwischen Tadej Pogacar (l) gegen Jonas Vingegaard?

3338,8 Kilometer, fünf Bergankünfte - darunter der berüchtigte Mont Ventoux - und Olympia-Feeling in Paris: Die 112. Frankreich-Rundfahrt hat einiges zu bieten. Die Favoritenrolle ist aber klar.

Radstar Tadej Pogacar hat auf ein spannendes Tour-Duell mit Rivale Jonas Vingegaard erst gar keine Lust. „Ich bevorzuge einen möglichst großen Vorsprung“, sagt der Weltmeister. Wenn am Samstag die 112. Frankreich-Rundfahrt in Lille startet, sind die Rollen klar verteilt. Pogacar ist nach seiner jüngsten Machtdemonstration bei der Dauphiné-Rundfahrt der klare Favorit und visiert seinen vierten Gesamtsieg an.

Auf den 3338,8 Kilometern bis nach Paris richten sich die Augen aus deutscher Sicht auch auf Senkrechtstarter Florian Lipowitz, der zuletzt mit den Besten der Szene die Berge hochgeklettert ist. Nun warten der berüchtigte Mont Ventoux oder der Col de la Loze.

Wo startet die Tour de France?

Der Grand Départ findet in Lille und damit erstmals seit vier Jahren wieder in Frankreich statt. Im rauen Norden herrscht jeher eine große Radsport-Euphorie. Vor allem der Kopfsteinpflaster-Klassiker Paris-Roubaix, der unweit von Lille entfernt endet, steht jedes Frühjahr im Blickpunkt. Als letztmals im Jahr 2014 übrigens eine Tour-Etappe in Lille endete, triumphierte Marcel Kittel im Sprint. 

Was sind die Höhepunkte der diesjährigen Rundfahrt?

Nach drei Jahren Pause geht es wieder den berüchtigten Mont Ventoux hinauf. Vor der Kletterpartie auf der 16. Etappe am Riesen der Provence, wo 1967 der Brite Tom Simpson auch aufgrund der Einnahme von Aufputschmitteln starb, warten aber bereits in den Pyrenäen zwei Bergankünfte in Hautacam und in Luchon-Superbagnères sowie das Bergzeitfahren nach Peyragudes. Die Entscheidung fällt dann in den Alpen mit weiteren Bergankünften auf dem Col de la Loze, wo Pogacar 2023 einen historischen Einbruch erlebte, und in La Plagne. Eine Neuerung gibt es auf der Schlussetappe, wo es nach dem Erfolg bei Olympia gleich dreimal über den Anstieg in Montmartre geht. 

Berühmt und berüchtigt: Der Mont Ventoux.

Berühmt und berüchtigt: Der Mont Ventoux.

Holt sich Tadej Pogacar zum vierten Mal den Gesamtsieg?

Im vergangenen Jahr fuhr der Ausnahmekönner in einer anderen Liga. Erst gewann er den Giro d'Italia, dann die Tour und zur Krönung die WM in Zürich. An der Dominanz des 26-jährigen Slowenen scheint sich nichts geändert zu haben. Nach einer überragenden Klassiker-Saison mit Siegen bei der Flandern-Rundfahrt, Lüttich-Bastogne-Lüttich, Strade Bianche und dem Flèche Wallonne war Pogacar auch jüngst bei der Dauphiné-Rundfahrt als Tour-Generalprobe nicht zu schlagen. Die Vorbereitung sei „nahezu perfekt“ gewesen. Jonas Vingegaard, der Tour-Champion von 2022 und 2023, muss sich schon noch gehörig steigern, wenn er zurück auf den Thron will.

Welche Rolle kann der deutsche Hoffnungsträger Florian Lipowitz spielen?

Bei der Dauphiné-Rundfahrt fuhr der Youngster überraschend auf den dritten Gesamtrang hinter Pogacar und Vingegaard. In der Form ist eine Top-Ten-Platzierung wie bei der Vuelta 2024 (Siebter) für den 24-Jährigen drin. Bei seiner ersten Tour soll Lipowitz aber erst noch lernen. Offizieller Kapitän im Red-Bull-Team ist Rundfahrt-Spezialist Primoz Roglic. 

Deutscher Hoffnungsträger: Florian Lipowitz.

Deutscher Hoffnungsträger: Florian Lipowitz.

Und die anderen Deutschen?

Nils Politt, übrigens der letzte deutsche Tour-Etappensieger im Jahr 2021, ist mit seinem großen Motor wieder als wichtiger Helfer von Pogacar auf den Flachstücken gefragt. Eine ähnliche Aufgabe kommt auf Maximilian Schachmann im Team von Doppel-Olympiasieger Remco Evenepoel zu. Sein Tour-Comeback gibt Emanuel Buchmann nach einem Jahr Auszeit. Dieses Mal geht der Tour-Vierte von 2019 aber im Cofidis-Trikot an den Start. In den Sprints könnten Phil Bauhaus und Pascal Ackermann eine Rolle spielen.

Ist wieder mit Stürzen zu rechnen?

Leider ja. Gerade in der ersten Woche geht es bei der Frankreich-Rundfahrt auf den vielen Flachetappen hektisch zu. Vor allem, wenn die Abstände im Gesamtklassement gering sind und das Gelbe Trikot für viele Fahrer noch greifbar ist. Dazu kommt die immer höhere Geschwindigkeit auch aufgrund des verbesserten Materials.

Was wird für die Sicherheit der Fahrer unternommen?

Da nicht selten riskante Fahrmanöver der Grund für Stürze sind, hat der Weltverband Maßnahmen wie die Einführung von Gelben Karten beschlossen. Bei zwei Verwarnungen in einem Rennen erfolgt eine siebentägige Sperre. Auch die Ausweitung der sogenannten Drei-Kilometer-Regel auf bis zu fünf Kilometer hat sich bewährt. Bei Stürzen auf Flachetappen innerhalb des Bereichs werden die betroffenen Fahrer mit der gleichen Zeit der Gruppe zum Zeitpunkt des Zwischenfalls gewertet.

Seit 2015 gab es keinen Dopingfall bei der Tour. Ist der Radsport sauber?

Es ist tatsächlich ruhig geworden nach der dunklen Doping-Ära im Radsport. Der Verdacht fährt aber weiter mit, vor allem angesichts der verblüffenden Geschwindigkeitsrekorde, die jedes Jahr aufgestellt werden. „Wir kennen die Grenzen der menschlichen Leistungsfähigkeit. Wir wissen, was für einen Menschen machbar ist und was nicht. Es gibt sicherlich Grauzonen, aber irgendwann wird die Zone schwarz, dann ist es zu 100 Prozent Doping“, sagte jüngst der französische Sportwissenschaftler Pierre Sallet in der ARD-Dokumentation „Geheimsache Doping: Im Windschatten“. Die Branche verweist dagegen auf die vielen Fortschritte bei Mensch und Maschine. Prominente Dopingfälle gibt es nicht.

Wo ist die Tour im TV zu sehen?

Die ARD geht täglich gegen 14.00 Uhr live auf Sendung. Der ARD-Livestream im Internet startet bereits früher, meist kurz nach Etappenbeginn. Die kompletten Etappen sind auch live bei Eurosport im Free-TV oder beim kostenpflichtigen Streamingdienst Discovery+ zu sehen. Eine weitere Möglichkeit bietet sich bei DAZN, da der Streamingdienst die TV-Kanäle von Eurosport überträgt. (dpa)