Ein Leben für Rund um KölnArtur Tabat über seine Freundschaft zu Jan Ullrich

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Freundschaftlich verbunden: Artur Tabat und Jan Ullrich im Kölner „Sport & Olympia Museum“.

  • Artur Tabat hat 45 Mal das klassische Radrennen Rund um Köln organisiert, es zu einer Marke ausgebaut und dessen Zukunft gesichert.
  • Auch heute ist er immer noch einer der Hauptverantwortlichen.
  • Im Interview mit Stephan Klemm erzählt Tabat von seiner Freundschaft zu Jan Ullrich und seinen Zukunftsplänen.

Köln – Am häufigsten ist der Radsport-Enthusiast Artur Tabat in seiner Auto-Lackiererei und -Werkstatt an der Dieselstraße in Hürth anzutreffen, daheim am Bonner Wall in Köln ist er eigentlich nur, um die Wäsche zu wechseln und zu übernachten. In seiner Firma aber hat sich Tabat, 78 Jahre alt inzwischen, in einer Einliegerwohnung mit Küche, Büro, Bad und Schlafzimmer ein kleines Museum eingerichtet. Dort hängen überall Fotos von Radsportgrößen, meist umrahmt von Tabat selbst, der von 1973 bis 2018 das Radrennen Rund um Köln organisiert, geprägt und zu einer Marke entwickelt hat. Das war es vorher so nicht, auch wenn dieser rheinischen Klassiker bereits seit 1908 existiert. Aber auch Hunderte Trikots hat er gesammelt, viele mit Widmung, dazu Programmhefte und stapelweise Radsport-Zeitschriften. Draußen vor der Werkstatt bewahrt er in einem begehbaren Container das gesamte Archiv des Rennens auf. Vital ist Tabat, optimistisch und mit stets guter Laune gesegnet.

Herr Tabat, wie geht es Ihnen?

Tabat: Sehr gut, ich bin topfit. Ich habe mich bestens von meiner Darmkrebserkrankung erholt, die Diagnose habe ich 2016 erhalten. Das war verbunden mit Bestrahlungen, Chemotherapie und einer Operation. Ich bin sogar während der Zeit, in der ich die Chemotherapie erhalten habe, hin und wieder mal 40 Kilometer mit dem Rennrad gefahren. Das mache ich weiterhin, ich fahre zwei bis drei Mal in der Woche so um die 40 Kilometer. Nachwirkungen der Krankheit spüre ich keine. Auch meinen leichten Schlaganfall aus dem Jahr 2007 habe ich sehr gut überstanden.

Von Rund um Köln, Ihrem Rennen, das Sie 45 Mal organisiert haben, haben Sie nach der Ausgabe von 2018 Abstand genommen. Was hat Sie dazu bewogen?

Ich wollte etwas kürzertreten. Ich bin ja auch nicht mehr der Jüngste, das musste ich mir schon eingestehen. 2019 habe ich das Rennen an Alexander Donike, den einstigen Technischen Direktor des Rennens, übergeben. Ich war eigentlich sehr froh über diese Entscheidung, weil ich ja schon sehr lange mit ihm im Team zusammengearbeitet hatte. Allerdings haben wir vom veranstaltenden VCS, dem Verein Cölner Straßenfahrer, einen Einjahresvertrag mit Alexander Donike abgeschlossen, den wir 2019 haben auslaufen lassen.

Warum? Was ist da passiert?

Es gab Schwierigkeiten. Konkret hat mir die Austragung nicht gefallen – die Fahrer haben sich ja schon beim Start verfahren und außerdem war das Feld sehr schlecht besetzt, da wurde am falschen Ende gespart. Das hat auch meinen Kollegen im Verein überhaupt nicht gefallen.

Man merkt Artur Tabat an, dass ihn die Auseinandersetzung mit Alexander Donike sehr mitgenommen hat. Dass es zur Trennung kam, ist Tabat sehr schwer gefallen. Allerdings hat er sich nach Rücksprache mit dem Verein sehr schnell neu orientiert und das Rennen nun in andere Hände gelegt.

Wie und von wem wird Rund um Köln künftig organisiert?

Wir haben Kontakt zur Köln Marathon Veranstaltungs- und Werbe GmbH aufgenommen. Mit deren Geschäftsführer Markus Frisch hatte ich schon seit längerer Zeit Gespräche, und ich habe ganz genau beobachtet, was er da in Großartiges auf die Beine gestellt hat. Das ist hochprofessionell. Es war sehr schnell klar, dass Markus Frisch auch Rund um Köln noch zu seinen Veranstaltungen hinzunehmen kann. Wir haben dann einen Vertrag aufgesetzt. Damit haben wir das Rennen langfristig übergeben. Das einzige, das für mich zählt, ist, dass das Rennen weitergeht. Und das ist nun gewährleistet. Ich überlege jetzt sogar, meine neue Freizeit dazu zu nutzen, vielleicht noch ein kleines Rennen neu aufzuziehen.

Zur Person

Artur Tabat, geboren am 25. Januar 1942 in Köln; verheiratet mit Rita Tabat, eine Tochter (Heidi), zwei Enkeltöchter (Sina und Heide-Sarah), die bei den Siegerehrungen von Rund um Köln als Hostessen fungieren. Seit 1968 selbstständig als Fahrzeuglackierer-Meister, seit 1973 alleiniger Organisator von „Rund um Köln“. Erhielt das Bundesverdienstkreuz am Bande, einen Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Köln und die Goldene Ehrennadel des BDR. (ksta)

Ist nicht wahr.

Doch, da bin ich dran. Ein kleines Kriterium würde ich schon noch gerne in die Welt setzen, um ein paar Einnahmen für den Verein zu erhalten.

Nun musste allerdings die Premiere der neuen Organisatoren, die für Juni 2020 vorgesehen war, wegen der Corona-Pandemie kurzfristig abgesagt werden…

Das hat mich schon getroffen. Ich habe aber gesehen, was alles so abgesagt werden musste wegen der Corona-Krise, da waren wir natürlich auch machtlos. Zuvor ist Rund um Köln in meiner Zeit insgesamt zweimal ausgefallen. 1998 hatten wir finanzielle Probleme. 2008 ging wegen Schneefalls am Ostermontag nichts. Das war ein Schlag, weil das Rennen 2008 seinen 100. Geburtstag feierte.

Artur Tabat ist mit vier Brüdern und einer Schwester aufgewachsen. Sein Vater, Peter Tabat, geboren 1911, ist Amateur-Rennen gefahren. Seine Brüder Peter und Heiner haben auch Radrennen bestritten – im Gegensatz zu Artur Tabat. Zu Rund um Köln kam Artur Tabat über Gerd Uhlenbroich, der das Rennen vor ihm organisiert hatte, seine Brüder hatten die beiden bekannt gemacht. Uhlenbroich fragte Artur Tabat, ob er nicht als Streckenposten bei Rund um Köln aushelfen könne und bekam eine Zusage, das war 1966. Tabat wurde für die Amsterdamer Straße eingeteilt. Seine Aufgaben nahmen mit der Zeit zu, Tabat besorgte Ordner, fuhr das Führungsfahrzeug, fand immer mehr Spaß an der Sache – und übernahm nach dem Rückzug von Uhlenbroich 1973 die alleinige Organisation, nachdem er das Rennen zuvor bereits vier Jahre mit seinem Vorgänger gemeinsam organisiert hatte.

Ahnten Sie, dass aus diesem Organisatoren-Anfang eine derartige Geschichte würde?

Nein. Ich habe gedacht: »Das machst du einmal, damit das Rennen nicht stirbt.« Aber es kam niemand, der mich ablösen konnte. Und so ist mir eine Lebensaufgabe zugeflogen.

Was hat Sie am meisten fasziniert bei der Organisation von Rund um Köln?

Mich haben immer wieder die begeisterten Gesichter der Fahrer bei den Siegerehrungen fasziniert. Das hat mir stets die Kraft gegeben, weiterzumachen. Mit der Zeit ist Rund um Köln für mich wie ein Kind geworden, das ich großgezogen habe. Da hänge ich einfach ganz extrem dran.

Sie sind in der Szene bekannt, weil Sie gefühlt bei allen Rennen auftauchen, zudem werden Sie von den Profis geschätzt. Wie schaffen Sie es, überall dabei zu sein?

Ich habe mir überall Rennen angeschaut, in Belgien, den Niederlanden, in Norwegen und Spanien, ich war bei deutschen Meisterschaft, bei Weltmeisterschaften, bei Olympischen Spielen und der Tour de France, um zu schauen, wie die anderen ihre Rennen aufziehen. Da konnte ich eine Menge lernen.

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Artur Tabat mit einer Widmung von Eddy Merckx.

Wie haben Sie das Fahrerfeld zusammengestellt?

Früher habe ich einzelne Fahrer für das Rennen eingekauft, Jan Ullrich etwa oder Erik Zabel, 1993 auch Laurent Fignon, den Tour-de-France-Sieger von 1983 und 1984, der hat 7000 Mark gekostet. Ich habe danach aber Verträge mit den Mannschaften gemacht, die dafür sorgen mussten, dass sie mir gute Leute präsentieren. Quickstep etwa hat uns 2015 den belgischen Ex-Weltmeister Tom Boonen geschickt, damals ein Topstar, der wollte erst 10 000 Euro haben, den habe ich dann runtergehandelt auf 2500. Er hat das Rennen sogar gewonnen, das war ein großer Tag für Rund um Köln. Ich hatte eigentlich alle großen Fahrer ihrer Zeit hier und ich konnte Eddy Merckx für sechs Jahre als Sportlichen Leiter für Rund um Köln verpflichten. Eddy ist der Größte von allen, wir sind Freunde geworden.

Auch und vor allem mit Jan Ullrich verbindet Tabat eine Freundschaft. Tabat hat sich auch um Ullrich gekümmert, als es dem Tour-de-France-Sieger von 1997 in dessen Karriere sportlich schlecht ging. Das hat die beiden zu echten Freunden werden lassen. 2017 wollte Tabat dabei helfen, Ullrich wieder in der Radsport-Welt zu etablieren. Er wollte ihn als Sportlichen Leiter von Rund um Köln präsentieren, Ullrich war bereit. Doch es kam anders. Ullrichs Verwicklung in einen Doping-Skandal holte ihn ein, Tabat bekam Druck von einigen seiner Sponsoren, sie wollten Ullrich nicht dabei haben.

Wie sehen Sie heute die Situation um den gescheiterten Versuch, Jan Ullrich für Rund um Köln zu gewinnen?

Ich weiß nicht, warum Jan Ullrich keine zweite Chance gewährt wird, das ist schon eigenartig. Er wäre auf eine ganz andere Schiene gekommen, wenn er bei uns Sportlicher Leiter geworden wäre. Dann wäre ihm dieser Absturz, den er danach erleben musste, nicht passiert, da bin ich ganz sicher.

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Ullrich hat auch mal in Ihrer Werkstatt-Wohnung übernachtet. Wie kam es dazu?

In Dortmund waren an zwei Tagen hintereinander Radrennen. Am Abend des zweiten Rennens wurde die Frage an mich herangetragen, ob ich Jan Ullrich mit nach Köln nehmen könne, weil am nächsten Tag von Köln aus sein Flug in die Schweiz startete, wo er damals wohnte. Ullrich wollte in einem Hotel übernachten, aber ich habe ihm vorgeschlagen, dass er hier bei mir in Hürth übernachten könne. Das hat er auch gemacht. Das war Ende der 1990er Jahre, da war er schon Tour-de-France-Sieger. Wir haben noch nett in der Küche gesessen und viel erzählt. Am nächsten Tag war aber auf einmal kurz vor dem Flughafen die Autobahn gesperrt, da bin ich über den Standstreifen gefahren. Jan hat gerade noch seine Maschine bekommen.

2003 hat Ullrich Rund um Köln gewonnen. Wie haben Sie das erlebt damals?

Das war für mich ein Höhepunkt in meiner Zeit als Organisator. Das war eine große Sache damals, für Ullrich, aber natürlich auch für unser Rennen, über das man plötzlich überall in Deutschland gesprochen hat. Das war der schönste Moment für mich bei Rund um Köln. Mir liefen vor lauter Freude die Tränen. Das bewegt mich heute noch.

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