Das Fußball-Herz des RechtsrheinischenWinfried Pütz hat viele große Erfolge gefeiert

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Winfried Pütz (rechts) in einem Regionalliga-Spiel  von Viktoria Köln gegen den VfL Bochum

  • Von 1966 bis 1973 spielte Winfried Pütz für Viktoria in der damals zweitklassigen Regionalliga.
  • Im Zuge der Spendenaffäre um die Kölner Wohnungsbaugesellschaft GAG wird Pütz 2003 in Haft genommen.
  • Pütz kommt nach einer Nacht wieder frei, die Vorwürfe erhärten sich nicht.
  • In unserer Serie „Legenden des Lokalsports“ stellen wir Sportler vor, die in den vergangenen Jahren durch besondere Leistungen weit über die Region hinaus Berühmtheit erlangten.

Winfried Pütz hat den rechtsrheinischen Fußball geprägt wie kaum ein anderer. Nach seiner Zeit als Spieler bei Viktoria Köln trainierte er erfolgreich den SC Brück, bevor er Präsident des SCB Preußen, später SCB Viktoria wurde. Angebote anderer Klubs mit der Option auf eine größere Karriere gab es mehrere, doch Pütz blieb in Köln.

Herr Pütz, welche Rolle spielt Fußball noch in Ihrem Leben?

Winfried Pütz: Ich gucke schon interessiert mit Freunden den FC oder gehe auch zur Viktoria, wenn es zeitlich passt. Ich freue mich ja, dass der Verein existiert. Die Anlage sieht super aus. Schöne Sache, dass es so läuft.

Die Mannschaft hat sich sportlich in ihrer ersten Drittliga-Saison ordentlich präsentiert.

Ja, sie stellen sich gut dar. Ist alles ganz in Ordnung, was sie machen. Aber das ergreift in Köln keinen. Was haben wir nicht früher schon versucht: Eine Gala im Maritim, die Guido Cantz moderiert hat, ohne einen Cent zu nehmen. Aber hinter dem FC kannst du dich beerdigen.

Sie haben das schon früher immer wieder beklagt: In der Dominanz des FC sehen Sie nach wie vor das größte Problem?

Klar, das ist schon so. Aber ja auch mit Recht. Da liegt das Interesse, da ist Samstag für Samstag die Spannung drin. Das interessiert alle Leute.

Zur Person

Winfried Pütz, geboren am 26. August 1948 in Köln, spielte bis zur B-Jugend bei Vingst 05, bevor er  zu Viktoria  wechselte. Nach seiner aktiven Karriere, in der er für die Höhenberger in der Regionalliga auflief, wurde Pütz Trainer beim Kreisligisten SC Brück. Den Klub führte  er in die Oberliga. Pütz wurde 1991  zum Präsidenten des SC Brück gewählt, 1994  wurde der gelernte Textilkaufmann  Präsident des SCB Preußen Köln. Bis 2008 Präsident des SCB Viktoria Köln.

Und unabhängig vom FC?

Ich stelle im Moment fest: Bei der Viktoria wächst nichts nach. Die können Dritte Liga spielen und da auch Dritter sein, aber das ist fast egal. Das Zuschauerinteresse wächst nur mit dem Gegner. Aber man hat nicht mehr den Hype wie früher, wenn Rot-Weiss Essen, der Wuppertaler SV oder Arminia Bielefeld kamen. Das waren ja Raketen. Wenn wir nach Wuppertal gefahren sind, war immer was los und in Essen hat man ohnehin nie vor weniger als 10.000 Zuschauern gespielt.

Liegt das fehlende Zuschauerinteresse auch an mangelnder Identifikation? Unter anderem, weil es kaum Spieler aus der eigenen Jugend in die Erste Mannschaft schaffen.

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Das ist ein Faktor. Da werden einem zwei Spieler in fünf Jahren aus der eigenen Jugend präsentiert. Wir haben früher trotz enormer finanzieller Probleme der Jugend nie den Etat gekürzt. Die hatten immer 60.000 Euro. Neun Jahre lang hat Otto Rehhagel den Etat mit 10.000 Euro pro Jahr gestützt – solange sein Sohn Jens bei uns gespielt hat. Fand ich ganz toll, das wusste ja keiner. Die Kinder von heute sind die Zuschauer von morgen.

Hätten Sie gerne einen Mäzen gehabt, wie ihn Viktoria heute in Franz-Josef Wernze hat?

Ich habe ihm ja damals angeboten, dass wir zusammenarbeiten, aber er wollte nicht. Schade, man hätte viel daraus machen können. Wenn wir damals zusammengekommen wären, wären wir heute in der Zweiten Liga. Da bin ich fest von überzeugt.

Sind Sie mit Viktoria im Reinen?

Ja, ich bin mit Viktoria im Reinen. Ich hege kein Gräuel, nichts. Viktoria ist immer noch mein Verein. Viktoria war der Verein meines Vaters, meines Opas, verstehen Sie? Man hat nur eine Mutter und nur einen Verein. Das ist ein alter Spruch, aber der zieht für mich noch.

Sie sind der Viktoria ja auch treu geblieben, obwohl es andere Angebote gab.

Ich war gerade dabei, mich beruflich umzustellen und in die Modebranche zu gehen. Meine Mutter war Schneidermeisterin, deshalb hatte ich immer eine besondere Affinität zu Klamotten. Ich hatte ein bisschen Geld gespart, weil wir bei Viktoria dank unseres Sponsors Ferdi Mühlens ganz gut verdient haben...

... als ein Angebot von Borussia Mönchengladbach kam.

Ich hatte in Gladbach schon einen Vertrag unterschrieben, aber der Wechsel ist wegen meines Kreuzbandrisses gescheitert. Die Berufsgenossenschaft hat keine Lizenz erteilt.

So eine schwere Verletzung konnte ja auch damals leicht das Karriereende bedeuten.

Klar, aber ich habe nach einem halben Jahr bei der Viktoria wieder gespielt, obwohl alles kaputt war: Kreuzband, Innen- und Außenband gerissen, Knorpel. Meniskus. Jupp Heynckes hat mich bestimmt zehn Mal im Krankenhaus besucht, weil ich ja zweimal die Woche dort trainiert hatte. Ich war ja schon Gladbacher – aber dann war die Geschichte von einem Tag auf den anderen vorbei. Das hat mich zwar nicht umgehauen, aber das war übel.

Sie hatten den Ehrgeiz, sich zurückzukämpfen.

Ich war ja als Fußballer total bekloppt. Kuno Klötzer wollte mich noch zum HSV holen, aber das ging ja auch nicht mehr. Ich konnte Fußball spielen, aber ich konnte auch ganz gut kloppen.

Bedauern Sie, dass Ihnen diese Chance verwehrt blieb?

Ich habe in meinem Leben Riesen-Erfolge gefeiert, aber immer wenn es mir zu gut ging, habe ich eins auf die Mütze bekommen. Aber ich konnte das gut wegstecken, weil ich der Mensch bin, der nach vorne schaut. Das habe ich mir später als Präsident auch so bewahrt, weil einem ja auch kaum etwas anderes übrig blieb, wenn mal wieder Sponsoren ihre Zusagen nicht einhalten konnten. Wir hatten ja immer finanzielle Probleme. Mal lief es acht Monate gut, dann wieder vier schlecht. Wenn ich so zurückblicke, muss ich sagen, dass ich einen Scheiß-Job gemacht habe.

Warum?

Ich hätte 2003 aufhören müssen, nach der projizierten Skandalgeschichte mit der GAG, mit der wir ja nichts zu tun hatten. Und es gab eine zweite Geschichte, die mich völlig frustriert hat: Das war die Übernahme der polnischen Geschäftsleute Mandziara. Da ist vieles passiert, das sehr bitter war. Das hat bei mir einen solchen Riss hinterlassen, dass ich nach meinem Abschied 2008 fünf Jahre lang nicht ins Stadion gegangen bin – nirgendwo.

Wegen der GAG-Geschichte haben Sie sogar für eine Nacht im Gefängnis gesessen.

Das bleibt hängen, klar. Die Schlagzeile war ja auch sensationell. Aber wir haben damit nichts zu tun gehabt. Ich habe dem Staatsanwalt gesagt, dass er damit meinen Verein kaputtmacht – mal ganz davon abgesehen, dass ich ein halbes Jahr lang abgehört wurde. Das war ja auch privat eine schreckliche Situation, zumal in der Beziehung mit meiner damaligen Partnerin auch vier Kinder dranhingen.

Ein Rücktritt wäre in der Tat nicht verwunderlich gewesen.

Es sind 30 Sponsoren abgesprungen. Und es ging der Viktoria eigentlich gut. Ich hatte eine persönliche Erbschaft über 160 000 Euro gemacht. Wir hätten erstmals ohne Sorgen in die Saison gehen können. Ich habe viel Zuspruch und Unterstützung erfahren. Von Uli Hoeneß, Wolfgang Overath, Reiner Calmund oder Rudi Assauer. Als wir ein Freundschaftsspiel gegen Schalke hatten, hat uns Assauer einen LKW mit Produkten der Schalker Sponsoren dagelassen. Wir hatten Bier und Bockwürste bis zum Abwinken – überragend. Aber wissen Sie, was mich immer am meisten gestört hat?

Nein, was denn?

Dass die Leute gesagt haben: „Der Pütz hat den Verein runtergewirtschaftet!“ Der Verein hätte gar kein Geld gehabt, wenn ich da nicht für gesorgt hätte. Es gab nichts, das man hätte runterwirtschaften können? Ich habe freiwillig gearbeitet und kein Geld bezogen. Im Gegenteil, man steckt sogar noch sein eigenes Geld rein und arbeitet wie ein Bekloppter. Viktoria waren 40 Stunden die Woche oben drauf. Als 2003 der Break kam und die 30 Sponsoren abgesprungen sind, fehlten mit einem Schlag 150.000 Euro. Und wir hatten ja nur einen Etat von 300.000 Euro. Ich hätte die Konsequenz ziehen müssen. Der Verein war nicht mehr lebensfähig. Aber ich war eben Optimist.

Deshalb sind Sie geblieben?

Man glaubt an seinen Verein. Das ist Leidenschaft. Ich wollte es schaffen, ich bin ja ein Beißer. Dieser Irrsinn hat mich um ein Vermögen gebracht, Viktoria Köln hat mich drei Einfamilienhäuser gekostet. Man hat sich für den Verein verzehrt. Ich habe den Ehrgeiz gehabt, mit meinem Fußballverstand – und der ist enorm hoch – jeden Spieler ohne viel Geld ein, zwei Klassen besser zu machen. Aber irgendwann regiert nur das große Geld.

Und weil das große Geld fehlt, schaffen es nicht mehr viele Kölner Klubs in höhere Ligen?

Was war das früher spannend in Köln. Da haben wir den SC West gehabt, Eintracht Köln. Das waren Bruderkämpfe. Wahnsinn. Aber es ist doch inzwischen kein Leben mehr in der Amateurszene. Alle, die nach oben gegriffen haben, haben wirtschaftlich auf die Nuss bekommen.

Wenn Sie Ihre Karriere Revue passieren lassen: Welche war die schönste Zeit?

SC Brück! Klar, die gesamte Aufstiegsphase und die Ehrlichkeit, die es gab. Ich habe den Verein ja 1973 mehr oder weniger als Hobby in der Kreisliga B übernommen. Wir sind über die Jahre so durchmarschiert. Wir hatten ja auch eine Super-Mannschaft – was für ein Mittelfeld! Kein Wunder, dass wir immer vor mehr als 1000 Zuschauern gespielt haben.

Also die Phase als Trainer.

Sensation. Je höher du kommst, desto eher hört die Ehrlichkeit ja auf. Wir hatten aber immer eine hohe Menschlichkeit. Viktoria war für mich als Spieler auch totales Herzblut. Wenn man in die Mittagspause ging und es begrüßten einen 100 Rentner – witzig. Wenn ich heute zur Viktoria gehe: alles wunderbar. Aber die hocken da in ihrem Zelt und sind weg mit ihren Autos. Früher war das Familie, Identifikation. Das fehlt mir. Unterm Strich sind viele liebe, gute Freunde geblieben. Es war eine wahnsinnig aufregende Zeit.

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