Frauke Feess über Oldtimer-Rallye„La Carrera Panamericana ist unglaublich körperlich“

Frauke Feess an der Seite des nach einem Dreher leicht verbeulten Porsche 956.
Copyright: Alberto Alcocer¦
Frau Feess, Sie sind mit einem historischen Porsche in sieben Tagen fast 4000 Kilometer durch Mexiko gefahren. Das klingt nicht nach der Art Oldtimer-Rallye, bei der die Fahrer einen Strohhut tragen...
.. und schöne Autos elegant ausgefahren werden.
Die Carrera Panamericana ist etwas anderes.
Ja, ziemlich. Die ist ein richtiges Straßenrennen, man fährt um die Wette. 3750 Kilometer durch Zentral-Mexiko, sieben Städte in sieben Tagen. Das ist echtes Gasgeben, allerdings in historischen Fahrzeugen. Was die Angelegenheit nicht leichter macht.
Ist das Sport?
Es ist unglaublich körperlich. Ich hätte nicht geglaubt, dass Autofahren dermaßen intensiv sein kann. Dass weiß ich schon allein dadurch, dass ich in dieser einen Woche drei, vier Kilo abgenommen habe. Es geht auch ums Durchhalten. Vielleicht ist das sogar die größere Herausforderung.
Wie sieht ein Renntag aus?
Man steht gegen fünf Uhr auf, zieht die Rennkleidung an. Sieht zu, dass über Nacht die Reparaturen gemacht worden sind; dass das Auto wieder startklar ist. Dann fährt man los – und hat Probleme. Bleibt ständig liegen. Das sind oft Kleinigkeiten, aber wenn man allein auf weiter Flur ist, ohne Mechaniker, dann kostet das viel Zeit. Wenn alles gut läuft, landet man um 17 Uhr auf dem zentralen Platz einer mexikanischen Stadt, auf dem Zócalo. Wir hatten gleich am ersten Tag fünf Ausfälle und waren erst um halb zwei in der Nacht im Ziel. Dann hat man den ganzen Tag im Auto gesessen und nichts zu essen bekommen, weil alle Verpflegungsstationen schon abgebaut waren. Und am nächsten Tag geht es um fünf Uhr wieder los.
„Man isst den ganzen Tag nichts“
Das geht dann an die Substanz.
Ja. Aber ich habe mich die ganze Woche vollständig präsent gefühlt. Das lag wahrscheinlich daran, dass ich mich körperlich sehr gezielt vorbereitet hatte. Dennoch kommt man an seine Grenzen. Man isst den ganzen Tag nichts, es ist extrem heiß im Auto, bis 50 Grad in der Mittagshitze. Man sitzt da ja in Rennanzug und feuerfester Unterwäsche – und trägt einen Helm.
Das ist alles Pflicht?
Absolut. Wir sprechen hier von einer ernsthaften Rallye nach Regeln des Automobil-Weltverbands. Also: Sport.
3750 Kilometer mit dem Auto durch Mexiko – das klingt schwierig genug. Mit einem historischen Fahrzeug scheint das kaum machbar.
Die Rallye ist unterteilt in Transfer- und Speed-Abschnitte. Die 500, 600 Kilometer pro Tag gilt es in festgelegten Zeitfenstern zu absolvieren. Die Speed-Abschnitte finden auf gesperrten Strecken statt, in denen dann um Sekunden-Bruchteile gefahren wird. Aber die Transfer-Abschnitte, in denen man zwischendurch 200 Kilometer am Stück im regulären Straßenverkehr absolvieren muss, die sind das eigentliche Problem. In Mexiko auf der Autobahn darf man 110 fahren, aber um rechtzeitig von der einen zur nächsten Speed-Prüfung zu kommen, muss man eigentlich permanent die Verkehrsregeln brechen. Und der Alltagsverkehr in Mexiko ist irrsinnig, ein unglaubliches Macho-Verhalten. Es kommt permanent zu höchst gefährlichen Situationen. Hinzu kommen die Bodenschwellen, die legendären Topes. Die sind unglaublich hoch. Da ist bei jeder Schwelle das Auto gefährdet. Einmal haben wir uns einfach die Auspuffanlage abgefahren.
Zur Person
Frauke Feess, geboren am 14. September 1973 in West-Berlin, startete ihre Karriere nach einem internationalen BWL-Studium in der Managementberatung. Seit dem Jahr 2009 ist sie mit der FFEESS Consulting Group mit Sitz in Düsseldorf selbstständig.
Die Carrera Panamericana zählte in den 1950er-Jahren zur Sportwagen-Weltmeisterschaft. 1988 wurde sie als Klassiker-Rallye wiederbelebt. (ksta)
Sie hatten auch einen Dreher und sind in den Wald geflogen.
Ja, der war aber halb so schlimm. Wir kamen in der Morgensonne durch ein Waldgebiet. In einer Rechtskurve flog plötzlich eine Kameradrohne über der Strecke. Dann hat mein Pilot in einer Schrecksekunde vielleicht ein wenig überlenkt. Und weil wir wegen der Bodenschwellen das Auto höher gelegt hatten, war die Straßenlage nicht so gut. Darum sind wir abgeflogen. Immerhin haben wir wegen der Drohne ein schönes Video von unserem Crash.
Was für Folgen hatte das?
Keine gravierenden. Das Auto hat einen Überrollkäfig, dazu waren wir in den Rennsitzen sehr gut fixiert. Da sind wir völlig schadlos herausgekommen. Kein Blauer Fleck, nichts. Das Auto hatte ein paar Beulen, ist dann aber rausgezogen worden – und eine Viertelstunde später sind wir weitergefahren. Da haben wir ganz andere Unfälle gesehen.
Wer kümmert sich um das Auto?
Jeder Fahrer hat ein Mechanikerteam. Das braucht man aber auch. Natürlich sind die Autos sehr gut vorbereitet. Aber selbst Leute, die sagen, ihr Auto sei noch nie so gut vorbereitet gewesen, haben nach drei Tagen einen Totalausfall. Auf den Landstraßen gibt es völlig unvorhersehbare Schlaglöcher oder fehlende Gullideckel. Man muss ständig ausweichen, hat extreme Fahrmanöver. Wenn dann eine Schraube locker sitzt, kann die sich jederzeit lösen. Und ein paar Kilometer später kann es vorbei sein. Dann wartet man, bis das Mechanikerteam von hinten aufrückt. Es passieren permanent Dinge, mit denen man nicht rechnet.
„Es gibt schwere Unfälle, es gab einen Todesfall“

Frauke Feess an der Seite des nach einem Dreher leicht verbeulten Porsche 956.
Copyright: Alberto Alcocer¦
Ist das Spaß?
Nein, das ist Ernst. Es gibt schwere Unfälle, es gab einen Todesfall: Ein Motorradfahrer, dem auf einer abgesperrten Strecke plötzlich jemand entgegen kam, der einfach durch eine Sperre gefahren war. Es ist die gefährlichste Oldtimerrallye der Welt. Ganz wichtig und Pflicht ist es zum Beispiel, dass auf den Rennanzügen die Blutgruppe steht. Da bekommt man eine Ahnung, worum es geht.
Wie sind Sie da hereingeraten?
Ich habe als Unternehmensberaterin fünf Jahre lang eine Luxus-Uhrenmarke mit aufgebaut. Weil wir kein großes Marketingbudget hatten, haben wir uns etwas einfallen lassen und Rallyes organisiert. Das war aber eher das Segment Champagnerrallyes, elegantes Ausfahren also. Dort fing es an. Ich bin im Jahr 2012 die erste Rallye gefahren, habe kurz danach die erste eigene organisiert. Und einer der Teilnehmer hat mich später gefragt, ob ich nicht die Panamericana fahren wolle. Da habe ich spontan zugesagt.
Sind Sie ein mutiger Mensch?
Auf jeden Fall. Ich habe Mut zu neuen, markanten Wegen, auch als Unternehmerin.
Sie haben ein Projekt aus Ihrer Teilnahme gemacht.
Wir hatten 50 Tage Vorlauf, da ging bei mir die Maschinerie los. Es war ja so, dass ich nicht erst auf die Alm gestiegen bin, um ein bisschen zu wandern. Sondern gleich auf den Mount Everest.
Weil Sie sich von einer Ausfahrt in eine Renn-Situation begeben haben.
Genau. Es ist schon sehr viel Schweiß dabei, viel Adrenalin. Allein die Sicherheitsvorkehrungen waren völlig neu für mich. Ich musste mir erst einmal die Ausrüstung besorgen. Wenn man Skifahren will, muss man sich eine Ski-Ausrüstung besorgen. Für eine Rallye braucht man ebenfalls eine Ausrüstung.
Die bekommt man aber wahrscheinlich nicht im Sportgeschäft.
Nein, das sind Spezialanbieter. Rechtzeitig alles zusammen zu bekommen – das war Teil der Herausforderung. So ein Rallye-Anzug muss auf Maß geschneidert werden. Die Ausrüstung war neben der körperlichen und mentalen Vorbereitung die größte Aufgabe.
Gab es Momente, in denen Sie ans Aufgeben gedacht haben?
Ganz klar: nein. Wir wollten unbedingt in Durango über die Ziellinie fahren. Obwohl wir täglich unglaubliche Herausforderungen zu bewältigen hatten. Wir hatten immer wieder Ausfälle, mussten uns immer wieder zurückkämpfen, hatten aber auch Glücksmomente. Man lernt seine Stärken und Schwächen kennen. Ich muss mich ja fragen, was das alles mit mir gemacht hat. Das sind Eindrücke, von denen man sein Leben lang zehrt und die weit über das Autofahren hinausgehen.
Wie wird das Rennen in Mexiko wahrgenommen?
Es hat eine riesige Bedeutung. Die Teilnehmer werden dort richtig gefeiert. Ich habe Autogramme gegeben, die Leute wollten Fotos mit mir. Die anderen Teilnehmer haben schon Witze darüber gemacht. Die Menschen sind mir bis aufs Klo hinterhergelaufen, haben mir Säuglinge in die Arme gedrückt. Menschen wollten berührt werden. Da ist eine Dynamik entstanden, die mir völlig neu war. Dieses Umjubelt-Werden. Aber ich habe vielleicht auch ausgestrahlt, dass ich mich die ganze Zeit trotz der Strapazen einfach sauwohl gefühlt habe. Ich war voll in meinem Element.